Kommentar: „Spielwiese für neue Ideen“

von | 20. November 2009

Die Sendergruppe ProSiebenSat.1 plant für nächstes Frühjahr einen frei empfangbaren Frauensender. Wird sich dieses Special-Interest-TV auf dem deutschen Markt durchsetzten?

Die Emanzipation nimmt kein Ende, war mein erster Gedanke, als ich von femTV auf „SPIEGEL ONLINE“ las. Wozu um Gottes Willen brauchen wir jetzt auch noch einen Fernsehsender, der speziell für Frauen konzipiert ist? Immerhin scheint es doch, als sei das Fernsehen weiblich dominiert. Hysterische, Brangelina-zeigende Klatsch- und Tratschmagazine, die guten und die weniger guten Zeiten der Daily Soaps, sich tauschende Frauen, die Aschenputtels der Telenovelas, die am Ende immer ihren Mr. Big bekommen, die durch den Dschungel staksenden Lippenstiftträgerinnen, die Cremedöschenverkäufe der Shoppingkanäle, grimmige Ärzte und Romanzen im Operationssaal, sowie frustrierte Hausfrauen und Castingformate mit den Heidis, D!’s und Bohlens dieser Welt sind Frauenmetier.

Geschäftsführer Andreas Bartl argumentiert gegenüber dem „SPIEGEL“, dass es in Deutschland zahlreiche Frauenzeitschriften, aber keine Frauensender gäbe. Gezeigt werden sollen ab dem zweiten Quartal kommenden Jahres neben eingekauften US-Serien auch Mode-, Lifestyle- und Beautymagazine. Als gäbe es nicht schon unzählige Magazine aller Art zu allen denkbar möglichen Sendezeiten. Zumal, welche Frau soll zu gegebenem Zeitpunkt vor dem Fernsehapparat ihres Vertrauens sitzen, um zu erfahren, in welchem Geschäft es das sagenhaft teure, aber perfekt zur gelben Handtasche passende Kleid zu kaufen gibt? In so einem Fall ist ein gedrucktes, vor allem dauerhaft bestehendes Medium einfach besser. Kleine Eselsohren oder Post-its sind eben praktischer als die Aufnahmeschnipsel. In Sachen Magazine aller Art bezweifle ich den Erfolg des Senders.

Männersache

Was den männlichen Mitmenschen bleibt, sind nur die Sport- und Motorsendungen auf den üblichen TV-Sendern. Aber weit gefehlt, denn es gibt DMAX, welcher mit dem Slogan „Fernsehen für die tollsten Menschen der Welt: Männer“ wirbt. Reines Männerfernsehen ist also doch vorhanden, wenn auch nicht in einem derart breiten Spektrum, wie bei Frauen. Dies beweisen auch die Zuschaueranteile der AGF/GfK-Fernsehforschung aus dem Jahr 2008, in welchem sich DMAX mit 0,6 Prozent zufrieden geben musste. Männer scheinen als Zielgruppe für einen Kanal demnach kaum zu taugen. Da liegt die Vermutung nahe, dass ein Frauensender ebenso unnütz sein wird. Lustig hierbei: Die ehemalige Leiterin des Senders „für die tollsten Menschen der Welt“ soll nun Geschäftsführerin des weiblichsten Senders Deutschlands werden.

Jedoch zeigen die Erfahrungen, die die Sendergruppe bereits mit dem niederländischen Net5 machte, dass Frauen eine durchaus rentable Zielgruppe darstellen. Seit der Übernahme der SBS-Gruppe strahlt die ProSiebenSat.1 Media AG in Skandinavien und den Benelux-Ländern eine Vielzahl von Frauensendern aus. Laut „uni-muenster.de“ konnte sich Net5 2007 über einen Marktanteil von 4,5 Prozent freuen und scheint somit auf Platz vier der privaten Fernsehsender gelandet zu sein. Zum Vergleich: ProSieben selbst konnte 2008 nur 6,6 Prozent der Zuschaueranteile verbuchen.

Finanzierungsfragen

Zuletzt wurde bekannt, dass die Sendergruppe rote Zahlen schreibt und der Pleitegeier am Horizont seine Runden dreht. Wie will ProSiebenSat.1 das finanzieren? Ausgerechnet für ihr neustes Projekt wollen sie US-Sendungen einkaufen. Das wird teuer. Nichtsdestotrotz soll femTV binnen zwei Jahren Gewinn einbringen, wie „SPIEGEL ONLINE“ berichtet.

Zudem würde sich durch den Frauensender ein neuer Werbemarkt öffnen und somit neue Chancen ergeben. Bartl meint, sie könnten „bei femTV Werbekonzepte ausprobieren, für die […] auf [den] großen Sendern einfach nicht genug Platz“ ist. „So etwa gut erzählte und natürlich klar erkennbare Promotion-Storys.“ Daraus ergäbe sich „eine neue Spielwiese für Ideen“, so der Geschäftsführer. Das hört sich ziemlich verworren an. Welche noch nicht vorhandenen Werbekonzepte soll es denn geben, die andere Sender nicht ausstrahlen würden? Vielleicht soll Tampon-Werbung in Zukunft ähnlich wie eine „Bravo“ Foto-Lovestory aufgebaut werden.

Das Prinzip Hoffnung

Es bleibt nichts anderes übrig, als für die Sendergruppe zu hoffen, dass der Erfolg des neuen Frauensenders in Deutschland ähnlich hoch ist, wie im Nachbarland. Von Emanzipation im Fernsehen, wie ich es anfangs vermutete, kann keine Rede sein. Die Rechte der Frauen sollen weder gefördert werden, noch mit denen der Männer gleichgestellt werde. Es gilt einzig und allein uns als Publikum zu gewinnen. Aber mal ehrlich: Es gibt einen entscheidenden Pluspunkt. Alle Sendungen, die Frauen lieben, sind nun an einem Ort vereint. Das ist vor allem dann praktisch, wenn die Batterien der Fernbedienung mal wieder leer sind und die Tasten nicht mehr tiefer zu drücken gehen.

<h3>Bianca Schmidl</h3>

Bianca Schmidl