„Kopieren macht anfangs Sinn“

von | 9. März 2010

Mit dem Kurzfilm "Du bist Terrorist" gewann er den Bitfilm Award, die Piratenpartei verwendete ihn in ihrer Wahlwerbung. Im Interview schildert uns Alexander Lehmann, wie er sich solchen neuen Anforderungen stellt.

An der Fachhochschule Kaiserslautern studiert Alexander Lehmann Virtual Design. Der Zugang zu einem der 20 Studienplätze gestaltet sich wie an einer Kunsthochschule mit einem „Mappencheck“ und einer Eignungsprüfung. Das vielseitige Studium „verbindet die vorhandenen Gestaltungskompetenzen von Architektur, Innenarchitektur und Produktdesign mit den Möglichkeiten der neuen Medien“.
Was hat Sie dazu bewegt den Studiengang Virtual Design zu belegen?

Ich hatte sowohl die Prüfung für Kommunikationsdesign (Grafikdesign) an der FH-Dortmund als auch die Prüfung zu Virtual Design an der FH-Kaiserslautern bestanden. Ich sah meine Zukunft eher in der 3D- als in der 2D-Grafik, also habe ich mich für Kaiserslautern entschieden.

Ist das Studium ein guter Ausgangspunkt für Ihre Projekte oder mussten Sie sich alles privat erarbeiten?

Das Studium ist ein sehr guter Ausgangspunkt. Die Projekte und Aufgaben sind sehr vielfältig und man kann sich recht frei für bestimmte Gebiete entscheiden. Man bekommt aber auch genug Aufgaben gestellt die einen manchmal anstoßen Neuland zu betreten. So erweitert man seinen Horizont und kann experimentieren ohne sich zu sehr in einer Sache festzufahren.

Der wichtigste Ausgangspunkt für Projekte ist aber immer noch Eigeninitiative. Keine Schule der Welt kann einem helfen wenn man sich nicht wirklich für das Fach interessiert. Es ist eher so, dass man dazu motiviert wird sich in ein bestimmtes Fach einzuarbeiten, den Großteil muss man sich also selbst erarbeiten.

Wie kam es zur Idee zu dem Kurzfilm „Du bist Terrorist“ und wie wichtig ist Ihnen die Thematik?

Die Idee bekam als ich ein paar Artikel zur Vorratsdatenspeicherung gelesen habe. Ich fand, dass das Thema in den Medien nicht genug zur Sprache kam und habe dann mit Hilfe des Filmes versucht darauf aufmerksam zu machen. Ich finde die Thematik sehr wichtig – sonst hätte ich keinen Film darüber gemacht. Es geht schließlich um unser aller Freiheit. Das Thema ist auch immer noch wichtig wie man zum Beispiel zuletzt an den Nacktscannern sehen konnte, die uns nun aufgedrückt werden – ohne dass es einen logischen Grund dafür gibt.

Die Resonanz zu „Du bist Terrorist“ war sehr positiv. Gab es daraufhin Jobangebote aus der Branche?

Ja, ich habe sehr viele Anfragen bekommen und ich plane auch nach meinem Studium ein paar Projekteanzugehen, die sich aus dem Film ergeben haben.

Welche Werke können wir neben Ihrem Musikkurzfilm für 2010 erwarten?

Auf jeden Fall noch ein paar weitere satirische Filme. In der Zeit meines Studiums haben sich auch noch diverse andere Projekte angesammelt, die endlich fertiggestellt werden wollen, mal sehen, ob ich die Zeit dazu finden werde.

Sie haben bereits 3D-Umgebungen für Computerspiele gestaltet, kritische Filme erstellt und entwickeln nun sogar ein Musikkurzfilm. Wie kommt diese Vielfalt in einem Studiengang zustande, der sehr nah an Architektur angelehnt ist?

Die Aufgaben sind meistens so gestellt, dass man sein Projekt sehr frei entwickeln kann. Man kann die Software frei wählen und die Form des Endprodukts ist auch nicht fest vorgeschrieben. Bei den meisten Projekten haben gewisse Medien Vorteile und Nachteile. Ich versuche bei jedem Projekt ein wenig zu experimentieren. Ob in Echtzeit, vorgerendert oder mit Schauspielern vor Bluescreen. Man sollte flexibel bleiben und das beste Medium für die Aufgabe wählen.

Nachwuchskünstler sind mit den ersten Schritten in Richtung visuelle Gestaltung oft überfordert. Wie sollten sie Ihrer Meinung nach einsteigen?

Am besten man fängt sehr klein an. Ich habe mich mit meinen allerersten Projekten eigentlich immer übernommen. Wenn man klein anfängt, gehen die Arbeitsschritte einfacher, schneller und man hat mehr Abwechslung. Das Produkt sieht am Ende bei weniger Zeitaufwand besser aus und man hat genug Zeit und Energie es wirklich abzuschließen. Das wiederum ermutigt weiterzumachen. „Du bist Terrorist“ ist ungefähr mein 30. abgeschlossenes Projekt. Wenn also die ersten Projekte nicht gut aussehen, sollte man nicht gleich den Mut verlieren. Man sollte sie eher als Übung verstehen. Danach kann man dann mehr und größer planen.

Von der Idee bis zum fertigen Endprodukt ist es ein langer Weg, auf dem die meisten Projekte einschlafen. Wie motivieren Sie sich, weiter zu machen?

Da kann ich von Michael Ende das Buch „Momo“ sehr empfehlen. Dort gibt es einen Straßenfeger der das sehr gut erklärt. Man schaut beim Fegen nicht zum Horizont an das Ende der Straße, sondern nur auf die paar Meter Boden direkt vor einem. Ehe man sich versieht, ist man am Ende der Straße. Trotzdem sollte man natürlich nicht den Überblick verlieren und sich zum Beispiel Checklisten oder Projektübersichten erstellen. So kann man sich langsam vorarbeiten und das Projekt in viele kleinere Projekte unterteilen. Das motiviert.

Arbeitgeber schauen bei ihren Bewerbern vorwiegend auf die Qualität der Arbeitsproben. Was ist Ihnen persönlich wichtiger: Idee oder Umsetzung?

Das kommt drauf an, in welcher Branche man sich bewirbt. Arbeitgeber sehen sicherlich lieber Qualität statt Quantität. Auch bevorzugen sie sicher ein gutes Aussehen vor einer originellen Idee. Man wird ja gerade am Anfang hauptsächlich dafür eingestellt, dass man die Ideen anderer Leute schön umsetzen kann.

Ich persönlich bin aber manchmal verwundert darüber, wie viel Zeit manche Leute in etwas investieren, was schon tausendmal gemacht wurde. Kopieren macht anfangs Sinn, um von anderen zu lernen. Aber wenn man mit dem gleichen Zeitaufwand eine Kopie von etwas herstellen – oder eine originelle neue eigene Idee umsetzen kann, dürfte es klar sein worin man seine Zeit investieren sollte. Andererseits ist es natürlich heutzutage auch schwierig etwas wirklich Neues zu schaffen. Irgendwie wurde ja fast alles schon mal gemacht. Man muss auch sehr viel konsumieren, damit man weiß wo es unbesetzte Nischen gibt. Das Wichtigste ist aber, dass man Spaß an der Sache hat. Wenn man Spaß am Imitieren hat, dann ist das auch okay.

Mit wenigen Worten: Was bedeutet Kreativität für Sie?

Sich selbst und andere überraschen.

Mehr Informationen über Alexander Lehmann und seine Projekte gibt es auf der Website und in seinem Blog.

<h3>Marcus Koerbs</h3>

Marcus Koerbs