Interview

„The building blocks of music belong to us – to human beings”

von | 7. Juli 2023

Erst Text, dann Bilder, jetzt Lieder. Kann sich künstliche Intelligenz in der Musikbranche durchsetzen?

Die fortschreitende Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat viele Bereiche unseres Lebens revolutioniert und die Musikbranche ist da keine Ausnahme. Künstliche Intelligenz in der Musikbranche hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Musik erschaffen, komponieren, produzieren und erleben, grundlegend zu verändern. Mit Hilfe von KI-Algorithmen und maschinellem Lernen können Musiker, Produzenten und Komponisten neue kreative Möglichkeiten erkunden und innovative Klangerlebnisse schaffen. Die Meinungen der Musikszene sind hier jedoch komplett gespalten. medienMITTWEIDA hat mit zwei Musikern über den Aufmarsch von künstlicher Intelligenz in der Musikbranchen gesprochen.

medienMITTWEIDA:  Wer seid ihr und was macht ihr in der Musikszene?

Johann: Ich heiße Johann und bin 22 Jahre alt. Seit meiner frühen Kindheit spiele ich Gitarre und Klavier. Vor knapp sechs Jahren habe ich meinen Weg in die elektronische Musikproduktion gefunden. Seitdem produziere ich unter dem Namen HYCED quer durch alle Genres.

Christian: Ich heiße Christian, bin von Beruf Lehrer und bin Hobbymusiker. Ich spiele öfter mit meiner Band in kleinen Bars in Sachsen.

„Ein Artist ist ja mehr als eine Stimme auf einem Song.“

Johann

Was haltet ihr generell von künstlicher Intelligenz (KI)?

Johann: Künstliche Intelligenz nehme ich allgemein zunehmend in meinem Alltag wahr. In vielen Arbeitsbereichen wird ja ausgiebig diskutiert, ob und wie KI Anwendung finden soll. Ich habe dazu keine feste Meinung, es ist eben etwas, das uns in Arbeitsbereichen wie zum Beispiel der Verwaltung wahnsinnig viel Arbeit abnehmen könnte, aber auch etwas, was je nach Anwendung verheerende Folgen haben kann. Möglichkeiten und Risiken müssen hier eben gegeneinander abgewägt werden.

Christian: Ich finde das Thema sehr spannend, jedoch weiß ich, dass es mit Risiken verbunden ist. Falschinformation oder auch Datenmissbrauch sind nur ein Bruchteil von dem, was schief gehen kann.

Wie findet ihr den Gebrauch von KI in der Musikbranche allgemein?

Johann: KI in der Musikbranche ist ähnlich zu betrachten. KI findet hier tatsächlich schon länger Anwendung. Ein gutes Beispiel sind Plugins, welche sich deinen Song „anhören” und diesen dann anhand eines Equalizers und Kompressors abmischen. Das kann, wenn nötig, viel Zeit sparen, ist meiner Erfahrung nach allerdings noch nicht ganz ausgereift. In letzter Zeit sehe ich viele Plug-ins nach diesem Prinzip. Zusätzlich kann AI bei der Ideenfindung angewendet werden. Zum Beispiel kann Chat GPT mir auf Anfrage eine Akkordfolge vorgeben, auf welcher ich einen Song aufbauen kann. Hier kann man sich zwar mal inspirieren lassen, ganze Songs von einer KI schreiben zu lassen, ist jedoch meiner Meinung nach nicht mehr Sinn der Sache.

Christian: Ich habe bisher nicht viel Kontakt mit KI in der Musikszene gehabt. Dementsprechend halte ich auch nicht viel davon. 

Plugins

Ein Plug-In ist eine Erweiterung eines Programmes. Diese Software-Erweiterung funktioniert nicht ohne das grundlegende Programm, aber wird separat zu diesem entwickelt und vermarket.

 

Equalizer

Ein Equalizer ist ein Soundfilter, mit dem bestimmte Frequenzen verändert werden können. Sie können verstärkt oder gedämpft werden.

 

Künstliche Intelligenz ist in der Lage, aktive oder verstorbene Künstler nachzuahmen. Was sagt ihr dazu?

Johann: KI kann all das, basierend auf Datenbanken aus mehreren Songs der besagten Künstler oder Bands, nachahmen. Die Rolle der betroffenen Personen einnehmen, kann sie aber nicht. Ein Artist ist ja mehr als eine Stimme auf einem Song. Ein Artist ist ein Mensch mit Erfahrungen und Gefühlen, welche die Songs ja erst authentisch machen.  

Christian: Wie die Frage schon impliziert: Es ist und bleibt Nachahmung. KI kann die Rolle einer Person in Band oder Studio einfach nicht ersetzen.

Welche Auswirkungen hat künstliche Intelligenz eurer Meinung nach auf die Vielfalt und Originalität der Musik, die produziert wird?

Johann: Songs, in welchen Künstler mit KI nachgestellt wurden, fehlt oft diese emotionale Ebene. Einfach so kleine Nuancen in der Stimme, kleine Imperfektionen. Teilweise kommen KIs schon nah dran, aber es klingt nie so authentisch wie das Original. Jeder Musikschaffende muss für sich festlegen, inwiefern er sich von KI inspirieren lässt. Ich denke, das ist jetzt, sowie in Zukunft eine reine Ansichtssache. 

Christian: Ich denke, dass künstliche Intelligenz die Authentizität und Emotionalität eines Liedes negativ beeinflusst. Jeder Mensch ist individuell kreativ, weswegen ich denke, dass KI keinen Einfluss auf die Vielfalt und Originalität der Musik haben wird, solange es immer Producer gibt, die sich nicht auf künstliche Intelligenz verlassen.

Wie sieht eurer Ansicht nach die Zukunft der Musikindustrie aus, wenn Künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle spielt?

Johann: Meiner Meinung nach, kann KI gute und schlechte Anwendungen finden. Es wird eben Künstler geben, die KI nutzen, um es sich so einfach zu machen wie möglich und dann wird es Künstler geben, die KI als Ergänzung ihrer Kreativität nutzen.

Christian: Das ist schwierig zu sagen. Beispielsweise können Streamingdienste ja die KI schlecht für ihre Anteile an den Songs bezahlen. Hier wirft sich auch die Frage nach den Urheberrechten auf. Wem gehört der KI-generierte Anteil des Liedes?

Habt ihr Bedenken hinsichtlich des Verlusts von Arbeitsplätzen für Musiker und Songwriter aufgrund des Vormarsches von KI-Systemen in der Musikproduktion?

Johann: KI kann einige Prozesse in der Musikproduktion ersetzen. Ich denke aber, dass wir noch lange nicht an dem Punkt angekommen sind, an dem beispielsweise Engineers durch KI-Abmisch-Programme ersetzt werden können.

Christian: Außer im Bereich der Werbeindustrie denke ich nicht, dass Menschen in naher Zukunft Arbeitsplätze an künstliche Intelligenz verlieren werden.

Was kann die Musikindustrie tun, um die negativen Auswirkungen von künstlicher Intelligenz einzudämmen?

Johann: Nichts wirklich. Jeder soll selbst entscheiden, ob und wie er KI nutzt. 

Christian: Für mich wäre das Wichtigste, dass man die Rechte der Künstler schützt.

Was haltet ihr von dieser Aussage?

Johann: KI wird zwar sicherlich an den Punkt kommen, ganze Songs zu schreiben, zu produzieren und so weiter… Ich denke aber, dass der größte Teil der Musik immer noch von Menschen gemacht werden wird, einfach weil Kultur allgemein und Musik im Spezifischen grundsätzlich etwas Menschliches ist, das auf Emotionen und eben auf Menschlichkeit beruht.

Christian: Mehr als zustimmen kann ich hier nicht machen. Sting hat es gut auf den Punkt gebracht.

Wie findet ihr die Aussage?

Johann: Das ist auf jeden Fall eine interessante Perspektive und ein interessanter Umgang mit dem Thema. Irgendwo ist es auch etwas schwammig zu bewerten, dass sie davon profitiert. Auf der einen Seite hat sie für diese Songs praktisch keinen Arbeitsaufwand geleistet, auf der anderen basiert die KI auf ihren Songs. Im Endeffekt ist es ihre Entscheidung, die rechtliche Lage wird da ja auch noch recht schwammig definiert sein. 

Christian: Ich denke, hier geht es gar nicht um das Offensein gegenüber etwas Neuem, sondern nur um das Geld.

Aber wie gut kann KI denn derzeit andere Künstler nachahmen?

Um das herauszufinden, hat die Redaktion ein kleines Quiz mit den Interviewpartnern geführt. Es wurden von vier Künstlern (Amy Winehouse, Drake, Metallica und Nirvana) Ausschnitte von zwei ihrer Lieder vorgespielt. Der Catch an der ganzen Sache: Jeweils einer der Songs wurde von einer KI erstellt.

Aufgrund der schwierigen und teilweise noch unklaren rechtlichen Lage KI-generierter Lieder kann das Quiz nicht veröffentlicht werden. Die Ergebnisse sind jedoch wie folgt:

Während Christian drei der vier KI-generierten Lieder erkannt hat, lag Johann bei zwei der Songs richtig. Wenn man also ein Ohr für Musik hat, sollte es vielleicht doch kein Problem sein, KI-Musik und Musik von Menschenhand zu unterscheiden. Wie das in Zukunft aussehen wird? Darüber lässt sich wohl nur spekulieren.

Text: Hannes Clayton

Foto: Ann-Kathleen Schindler

<h3>Hannes Clayton</h3>

Hannes Clayton

ist 21 Jahre alt und studiert im vierten Semester Medienmanagement. Bei medienMITTWEIDA ist er Teil des Social Media Teams.