Künstliche Intelligenz

Neuer Trend in der Medienwelt oder inszenierter Hype?

von | 11. Juli 2018

Wichtiger als Feuer oder Elektrizität sei künstliche Intelligenz, behauptet Googles CEO. Was steckt tatsächlich dahinter?

Künstliche Intelligenz (KI): als neuartige Innovation gefeiert oder als nichts nutzender, den Menschen bevormundender und ersetzender Überfluss verteufelt? Angekommen ist die Technologie ohne Zweifel, auch in der Medienwelt. Ob es sich aber um einen aufsteigenden Trend oder um ein eher sinnloses Instrument handelt, bleibt umstritten.

Bereits im Frühjahr des Jahres 2016 änderte der CEO des Suchmaschinen-Giganten Google, Sundar Pichai, das Firmenmotto von „Mobile First“ zu „Artificial Intelligence First“. Die künstliche Intelligenz oder zunächst eher deren Forschung sollte nun im Mittelpunkt des amerikanischen Unternehmens stehen.

Rund zwei Jahre später, Anfang Mai 2018, hat Google bei der Google I/O 2018, einer Entwicklerkonferenz, die Neuerungen der Nachrichten App Google News vorgestellt: Künstliche Intelligenz stellt sich nun als das Hauptmerkmal der App heraus.

Diese erfasst zahlreiche Beiträge und Meldungen von verschiedensten Nachrichtenquellen. Dem Nutzer werden dann die Themenüberschriften angezeigt. Klickt dieser auf ein Thema, werden die unterschiedlichen Beiträge sichtbar. Laut Google sind dabei die Quellen für alle Nutzer identisch. Welche Nachrichten angezeigt werden, ergibt sich durch die Bildung zweier Kategorien: Einerseits sehen Nutzer die Themen, die aktuell das Weltgeschehen dominieren. Andererseits werden immer fünf Ereignisse angezeigt, die auf jeden Nutzer individuell abgestimmt sind und dessen Interessen abbilden. Somit soll verhindert werden, dass Rezipienten in ihre persönliche „Blase“ an Informationen fallen und den Blick für die Gesamtheit verlieren.

Das System hinter den denkenden Maschinen

Um zu verstehen, inwiefern künstliche Intelligenz bei dem Angebot „Google News“ tatsächlich eine Rolle spielt, bietet es sich an zu versuchen, den Begriff zu definieren. Dieser beschreibt zunächst einfach die Wissenschaft, wie intelligente Maschinen, insbesondere Computerprogramme erschaffen werden. Die Forschungsansätze beschäftigen sich grob gesagt mit der Frage, wie menschliches Verhalten von einer Maschine simuliert werden kann. Dieses menschliche Verhalten zeichnet sich primär durch den Vorgang des Lernens, von bereits erlebten Situationen, aus. Dementsprechend sollen auch die Maschinen lernen können. Dieser Aspekt bezeichnet den elementaren Teil der künstlichen Intelligenz.

Angewendet werden Algorithmen, die auf einer Basis von ihnen zur Verfügung stehenden neuen Daten, das Vorgehen der Maschinen verbessern können. Somit sind die Maschinen in der Lage, auf Ereignisse und Signale der Umwelt zu reagieren, obwohl sie diese zuvor noch nie so gesehen oder erlebt haben. Damit dieses System funktioniert, ist allerdings immer Feedback notwendig. Nur so kann der Algorithmus wissen, ob eine Handlungsweise richtig oder falsch war. Genau diese Vorgehensweise verbirgt sich auch hinter dem News Angebot von Google. Die Algorithmen hinter der App können die Menschen, Orte und Dinge (gemeint sind Inhalte, die den Beitrag ausmachen, Anm. d. Red.) eines Beitrages erkennen“, erklärt der Leiter von Google News Trystan Upstill. Diese Funktion solle es dem System ermöglichen, Verbindungen zwischen den verschiedenen Beiträgen zu finden und darzustellen, so Upstill weiter. Auch die passenden Reaktionen zu einem Thema können somit richtig identifiziert werden. Google verspricht, dass durch dieses Vorgehen ein konstanter, qualitativer Nachrichtenfluss zustande kommt. Zusätzlich werden die Nachrichtenmengen, die es heutzutage gibt, gefiltert und die Vorlieben des Rezipienten erkannt und verstärkt abgebildet.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medienbranche

Wenn man die gegenwärtige Medienlandschaft verfolgt, fällt allerdings auf, dass die gerade beschriebene Vorgehensweise von Google nicht neu ist und auch zahlreiche andere Anwendungsbereiche aufweist. Grundsätzlich eignet sich künstliche Intelligenz nämlich generell für sensorische und natürliche Datenverarbeitung, also Analyse- und Erkennungstätigkeiten, solange die vorgegebenen Daten komplex und für menschliche Arbeiten zu massig sind. Ein relativ bekanntes Beispiel, bei dem KI die zentrale Rolle spielt, ist Spotify mit seinem „Weekly Mix“. Der Algorithmus des Musikstreaming-Anbieters erkennt, welche Lieder der Nutzer in der letzten Zeit am häufigsten gehört hat. Anhand dieser Lieder wird eine Playlist erstellt, die nicht nur das bereits Gehörte, sondern auch Werke beinhaltet, die sich vom Text, der Musik oder dem Genre der gehörten Musik ähneln. Zusätzlich erkennt das System, was Leute mit ähnlichen Musikgeschmack wie der Nutzer hören. Aus diesen Informationen schließt es, dass wohl auch diese Musik dem Rezipienten gefallen wird. Generell gilt: Umso mehr Musik mit Spotify gehört wird, umso detaillierter wird die Anpassung des wöchentlichen Mixes.

Ein weiteres Beispiel, welches beim Kunden wahrscheinlich nicht ganz so anerkannt ist, stellt das Marketing dar. Wahrscheinlich hat sich jeder über die Kaufvorschläge von Amazon schon einmal gewundert, die teilweise erstaunlich und schon fast bedenklich genau Vorlieben zeigen, aber öfters auch daneben liegen. Bei dieser Anwendungsform analysieren die Algorithmen das Nutzerverhalten im Internet und versuchen daraus, Ableitungen über das Konsumverhalten zu schaffen. Amazon merkt sich genau, was der Nutzer wann, wie und wie oft schon gekauft hat. Aus diesen Informationen werden Vorschläge erschaffen, was der Nutzer noch gebrauchen könnte. Gleichzeitig zeigt das Vorgehen aber auch einen Fehler in den maschinellen Gehirnen auf. Jedem Menschen wäre klar, dass sobald ein Käufer sich mit einem gewünschten Buch, Spielzeug oder Haushaltartikel eingedeckt hat, der Bedarf zumindest für die nächste Zeit abgedeckt ist. Amazon zeigt nun aber alle ähnlichen bis gleichen Artikel als Kaufempfehlung an. Über den Sinn lässt sich streiten. Trotzdem ist wohl kaum abzustreiten, dass Empfehlungen und Anzeigenwerbung trotzdem immer wieder zu ungeplanten Einkäufen verleiten und somit das Ziel dieser künstlichen Intelligenz erreicht ist.

Über das nächste Beispiel künstlicher Intelligenz im Dienste der Medien gibt es auch geteilte Meinungen. Es geht um sogenannten „Roboterjournalismus“. Der Begriff beschreibt das Erstellen von Texten durch Computerprogramme. Diese können aus gegebenen Daten Texte generieren. Mithilfe der Daten, vorgefertigten Textbausteinen und dem Wissen, dass aus verschiedenen Daten Verknüpfungen erstellt werden können, entstehen Texte, die teilweise von „Handgeschriebenen“ kaum zu unterscheiden sind. Besonders bei einfachen Textarten wie Sportberichten ist der Einsatz weit verbreitet. Dem Computer ist es ein Leichtes, aus der Anzahl von Toren für die jeweilige Mannschaft ein Endergebnis mit Fazit abzuleiten. Obwohl die Methode größtenteils noch ein No-Go unter Journalisten und Rezipienten darstellt, ist die Effektivität und Ressourceneinsparung kaum zu übersehen. Befürworter argumentieren, dass Journalisten sich nun mit wirklich spannenden und schwer zu recherchierenden Themen beschäftigen können, statt standardisierte Meldungen zu verfassen. So werde der Journalismus vielfältiger und qualitativ hochwertiger. Aber egal in welche Richtung die Meinung tendiert, es ist nicht abzustreiten, dass sich diese Neuerung immer mehr verbreiten wird. Die BBC prognostiziert in einer eigenen Studie, dass bereits im Jahr 2026 90% aller veröffentlichten Nachrichten von Computern erstellt seien, eine Zahl die auf jeden Fall nicht zu vernachlässigen ist.

Ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medienbranche sinnvoll, oder verdient sie eher weniger Beachtung? Eine gewisse Steigerung der Effektivität im Gegensatz zum Menschen ist nicht abzustreiten. Eine maschinelle Intelligenz arbeitet schneller und macht, insoweit der Algorithmus richtig funktioniert, keine Fehler, ein Zustand von dem alle Menschen nur träumen können. Außerdem fällt es der Maschine entscheidend leichter, Zusammenhänge zu verstehen und aufzuzeigen. Dieser Aspekt beruht auf der Tatsache, dass eine Maschine stets alle Daten im Blick hat, nichts vergisst oder vernachlässigt und die Menge an gemerkten Daten so umfassend ist, dass kein menschliches Gehirn mithalten kann. Gerade im Journalismus stellt dieser Aspekt einen bedeutenden Vorteil von KI dar. Aber auch alle anderen Anwendungen wie nutzerabgestimmte Inhalte profitieren von der Datenmenge, besonders im Hinblick auf die Vielfalt.

Dominiert künstliche Intelligenz über den menschlichen Verstand?

Trotz aller Aufgaben, die KI bereits übernehmen kann, ist klar, dass diese immer auf der Vorarbeit von Menschen beruht. . Jemand muss der Maschine zuerst sagen, was sie tun soll, Richtig und Falsch erklären, einen exakt funktionierenden Algorithmus erstellen. Und wenn dieser Schritt einmal erledigt ist? Kann eine Maschine dann die Menschheit beherrschen? Kann sie Nachrichten generieren, die bewusst in die falsche Richtung leiten oder anderweitig ein menschliches Gehirn beeinflussen und dominieren? Die Antwortet lautet klar: Nein. Ein Gerät, welches mit künstlicher Intelligenz arbeitet, ist unumstritten auf einem kleinen Teilgebiet ein Profi. In diesem Themenbereich hat es so viel Wissen, wie ein Mensch nie erreichen wird. Aber eben nur in einem winzigen Gebiet. Und das ist der entscheidende Unterschied zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz. Der Mensch hat ein umfassendes Allgemeinwissen und kann unterschiedliches Fachwissen miteinander kombinieren und ausbauen. Die Maschine wird immer nur kleine Fokuspunkte setzen und in diesen glänzen können und dem Menschen somit immer unterlegen sein.

Nachteile weist die relativ neue Technologie allerdings trotzdem auf. Es ist nicht zu verhindern, dass durch den Ausbau von maschineller Arbeitskraft Arbeitsplätze verloren gehen. Gründe sind die Kosten und Effektivität, wo eine Maschine einen Menschen in vielen Fällen – zumindest wirtschaftlich gesehen –  überholt. Auch Qualität und Vielfalt sind besonders in Hinblick auf Medienunternehmen oft ein Kritikpunkt, da die menschliche Kreativität, die eben nicht in Algorithmen und Daten zu fassen ist und häufig spontan und total unberechenbar entsteht, von einer Maschine in dieser Art und Weise nicht nachzuempfinden ist. Ein weiterer maßgebender Punkt ist sicher auch der Datenschutz. Künstliche Intelligenz beruht auf Daten. Sie funktioniert umso besser, je mehr Daten zur Verfügung stehen, aber dazu müssen diese natürlich erfasst und gespeichert werden. Inwieweit dieses Vorgehen immer datenschutzkonform ist und dem Nutzer auch wirklich nur Vorteile bringt, ist seit langem strittig. Internetgiganten, wie Facebook, zeigen immer wieder, wie unwichtig ihnen Datenschutz im Gegensatz zu Profit und Erfolg ist. Die neue europäische Datenschutzgrundverordnung ist ein Ansatz dem Problem entgegen zu wirken, aber verschwinden wird dieses wohl nie.

Trend oder Unwichtigkeit

Letztendlich stellt sich die Frage: Ist künstliche Intelligenz auch im Medienumfeld ein steigender Trend? Die Antwort lautet ja. Laut einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2017, zum Thema, welche Medientrends in den kommenden Jahren die größten Umbrüche erzielen, glauben 19% der Befragten an künstliche Intelligenz. Damit wird diese als führender Trend aufgezeigt. Auch der Goldmedia Trendmonitor für das Jahr 2018 nennt künstliche Intelligenz gleich als ersten Aspekt, welcher die Medienwelt entscheidend beeinflussen wird. Und wie sieht das die Politik? Spätestens nach ihrem Besuch in China Ende Mai 2018 ist der Bundeskanzlerin Angela Merkel bewusst geworden, dass Deutschland in Sachen künstliche Intelligenz einiges aufholen und mehr investieren muss als bisher. Deswegen gab es zu dem Thema schon ein Treffen der Kanzlerin mit Wissenschaftlern und Fachverständigen, bei welchem das weitere Vorgehen besprochen wurde. Außerdem vereinbarte Merkel mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron die Gründung eines bilateralen Zentrums für künstliche Intelligenz. Die ersten Weichen für eine Weiterentwicklung sind also auch von politischer Seite gestellt und werden wohl auch die Medien bedeutend mit einbeziehen.

Fest steht also: künstliche Intelligenz ist als Trend auch in den Medien vollkommen angekommen. Und welche Rolle spielt nun Google dabei? Der Konzern ist auf jeden Fall federführend und stellt weltweit die größte Firma dar, die sich mit künstlicher Intelligenz befasst. Die neue Google News App ist nur ein kleiner Teil der aktuellen Anwendungen. Aber gerade wegen des Führungsstatus stellt sich häufiger die Frage, ob Google den Hype um KI nur inszeniert. Das lässt sich so nicht bestätigen. Der Konzern versucht selbstverständlich, seine Innovationen publik zu machen. Die Google News App und ihre Vermarktung ist sicher ein Beispiel dafür. Aber dass künstliche Intelligenz auch in anderen Unternehmen schon lange angekommen und verbreitet ist, lässt sich nicht abstreiten. Sicher ist, dass Google zweifellos ein Vorreiter in Sachen künstliche Intelligenz ist, aber gerade in der Medienlandschaft andere Konzerne ebenso erfolgreich sind und vom Trend immens profitieren.

Text und Titelbild Illustration: Corinna Saegeling

<h3>Corinna Saegeling</h3>

Corinna Saegeling

geb. 1997, studiert Medienmanagement im fünften Semester an der Hochschule Mittweida mit der Vertiefung "Sport and Media". Sie ist seit April 2018 Mitglied der medienMITTWEIDA Redaktion und im Team Lektorat tätig.