Leistung bedeutete Loyalität

von | 5. November 2009

"Bildung bildet den Staat." Nach diesem Leitsatz von Karl Marx schien die DDR ihre Studierendenfinanzierung auszurichten. Doch wie und in welcher Höhe erfolgte die Förderung des SED-Staates?

„Der sozialistische Staat sichert der Jugend eine allseitige Bildung und Erziehung und schafft planmäßig die dafür erforderlichen Bedingungen“- so der Eröffnungssatz der 1981 in Kraft getretenen, letzten „Stipendienverordnung“ der DDR. Bis Juni 1881 zahlte der Saat die Studienförderung herkunftsbezogen aus. Danach wurden Studierende elternunabhängig und ohne Beachtung der sozialen Herkunft gefördert. Was jedoch von Anfang bis Ende im sozialistischem Regime eine große Rolle spielte, war die sogenannte „allseitige Erziehung“, die Parteiloyalität und studienspezifische Inhalte gleichermaßen vermitteln sollte.

Jeder konnte studieren?

Der Abteilung Wissenschaft und Hochschulwesen im Sekretariat des ZK (Zentralkomitee) der SED oblag, seit 1951, das Bildungswesen. Bis Anfang der 1970er Jahre bekamen daher sogenannte „Arbeiter- und Bauernkinder“, die parteikonform aufgewachsen sind, besonders häufig einen Hochschulplatz und die damit verbundene Förderung zugesichert. Voraussetzung für die Hochschulzulassung war eine positive Haltung gegenüber dem „Arbeiter- und Bauernstaat“, beispielsweise durch die Mitgliedschaft in der FDJ. Die „Völkerfreundschaft“, ebenfalls ein in der DDR geprägter Begriff, sollte internationale Verbindungen fördern. Studierende aus Partnerstaaten wie der Sowjetunion und Ungarn leisteten im Sinne der SED- Führung einen Beitrag zur Stärkung der sozialistischen Staatengemeinschaft. Sie wurden gefördert und gern an den Bildungseinrichtungen aufgenommen.

Lehnten Studienanwärter die von den Sozialisten wertgeschätzte Jugendweihe aufgrund ihres christlichen Glaubens ab, hatten sie schlechtere Aussichten auf eine Studienzulassung. Bewerber die sich nicht parteikonform verhielten, sogar kritisch gegenüber dem System in der Öffentlichkeit äußerten, wurden aufgrund von fehlender Loyalität gegenüber dem Staats- und Bildungssystem gänzlich abgelehnt.

Vorvertrag für ein Praktikum. Foto: privat

Sozialismus und Sonderstipendium

Die „Verordnung über die Regelung des Stipendienwesens an Hoch- und Fachschulen“, vom 19. Januar 1950 gewährte jedem Studenten ein von den Einkommen der Eltern abhängiges Grundstipendium. Hierbei zog man den Bruttodurchschnittsverdienst zur Berechnung hinzu. Bei einem Elterneinkommen von bis zu 1.000 Mark beschlug sich das Grundstipendium an Hochschulen auf 190 Mark, an Fachhochschulen auf 160 Mark. Bis zu einem monatlichen Verdienst von 2.000 Mark wurden die Studenten mit mindestens 60 Mark gefördert. Grundsätzlich belief sich die Finanzierungszeit über ein Studienjahr, unterteilt in das Herbst- und das Sommersemester.

Für vorbildliche Leistungen, auch in der gesellschaftlichen Arbeit konnten Studenten mit Leistungs- und Sonderstipendien, sowie Prämien belohnt werden. Das Leistungsstipendium wurde 1951 in der ersten Neudefinition der „Stipendienverordnung“ gesetzlich festgelegt. Dieses belief sich auf maximal 150 Mark ab dem 2. Studiensemester. Engagierte sich ein junger DDR- Bürger bereits vor seinem Studienantritt in der FDJ oder verhielt sich besonders staatsnah, wurde dieses Stipendium bereits ab dem ersten Semester ausgezahlt. Mit der „Stipendienverordnung“ von 1951 führte der Staat Pflichtfächer für alle Studierenden an den Hoch- und Fachschulen ein. Die Lehre des gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudiums in den Fächern Marxismus-Leninismus, Politische Ökonomie und dialektischer und historischer Materialismus war somit Pflicht für jede Studien- und Fachrichtung.

Eine besondere Auszeichnung waren das Karl-Marx-, das Wilhelm-Pieck- oder das Johannes-R.-Becher-Stipendium. Sonderstipendien wie diese wurden anstelle des Grund- und Leistungsstipendiums gewährt und an besonders linientreue Studierende vergeben. 1953 nahm die DDR diese Sonderstipendien in die Gesetzblätter der Studienfinanzierung auf. Datiert mit einem vergleichsweise hohen monatlichen Betrag von 450 bis 550 Mark erhielten maximal 100 Studierende jährlich einen Anspruch darauf.

Von 160 Mark leben?

Die traditionellen Universitätsstandorte der DDR waren seid 1945 die Städte Halle, Jena, Leipzig, Greifswald, Rostock und Berlin. Zusammen mit der Technischen Hochschule Dresden und der Bergakademie Freiberg stellten sie die Hauptanlaufstellen für junge Studienanwärter dar. Ab 1981 erhielten alle Studierenden den gleichen Leistungssatz des Grundstipendiums über die gesetzlich vorgesehene Studiendauer, unabhängig vom Einkommen der Eltern und des Ehegatten oder der Ehefrau.

Allein das Studium in Berlin wurde mit 15 Mark mehr vergütet. Grund waren die höheren Nebenhaltungskosten in der Großstadt, die der Staat bedacht hatte. Kostete in Dresden Mitte der 80er Jahre ein Brötchen 10 Pfennige, so waren es in Berlin 15 Pfennige. Eine Tagesfahrkarte in Ost- Berlin kostete bis 1984 beispielsweise eine Mark und eine Schachtel mit 20 filterlosen Karo- Zigaretten 1,60 Mark. Sogenannte Luxusgüter, wie die damals sehr begehrte Schreibmaschine „Erika“, konnten sich Studenten mit einem Kaufpreis von 435 Mark meist nicht leisten.

In der DDR gab es keine Studentenwerke; Mensen und Wohnheime betrieben die Hochschulen selbst. Die Mieten waren dem Grundeinkommen eines Studierenden angepasst. Durchschnittlich zahlte ein Oststudent rund 30 Mark im Monat für die Unterbringung in einem Hochschulwohnheim. Zudem erhielten seit Mitte der 70er Jahre Studenten aus Familien mit vier oder mehr zu versorgenden Kindern oder mit mindestens vier eigenen Kindern einen Sozialzuschlag von maximal 40 Mark. Von der Zahlung der Sozialversicherung waren Studenten grundsätzlich freigestellt, die Gelder wurden aus dem Staatshauhalt entnommen und so auch die Unfallversicherung über die gesamte Dauer des Studiums getragen.

<h3>Tabea Büldt</h3>

Tabea Büldt