„Lieber schlecht schreiben als spät liefern“

von | 8. Oktober 2010

Ein junger Journalist spricht im Interview grundehrlich über seinen Beruf. Er erzählt vom Vorurteil der schlechten Zukunftsaussichten und warum es sich trotzdem lohnt in den Medien zu arbeiten.

Ausgebildet an einer der renommiertesten Journalistenschulen Deutschlands arbeitet ein junger Mann (28) als freier Journalist für verschiedene Wochenzeitungen und Magazine. Im Interview mit medienMITTWEIDA zeichnet er ein optimistisches Bild seiner Situation in einer schwierigen Zeit.

Warum möchtest du anonym bleiben?

Ich finde es immer ein wenig schwierig, wenn junge Journalisten über ihren Beruf räsonieren, als wären sie schon alte Blattmacher. Nennen wir es feige Bescheidenheit.

Viele junge Menschen wollen Journalist werden, dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Was ist der beste Weg?

Wolf Schneider, für viele eine Art Journalisten-Guru, schrieb, Journalistenschulen seien der Königsweg zum Journalismus. Er hat die Henri-Nannen-Schule in Hamburg gegründet und muss natürlich solche Dinge schreiben. Ich glaube, die Wahrheit ist: Es gibt keinen perfekten Weg. Journalismus braucht keine selbsternannten Eliteschulen, Journalismus braucht auch keine Hörsäle und sechs Semester voller Lehrsätze. Aber nach dem effektivsten Weg gefragt, würde ich so ähnlich antworten wie Schneider: Die Journalistenschulen rüsten dich in vergleichsweise kurzer Zeit mit einer Menge Wissen aus, das sich durch praktisches Arbeiten und manchmal harte Kritik von Leuten einprägt, die anschließend wieder in ihrer Redaktion Texte schreiben oder Seiten planen. Die Schulen sind nicht qualitativ besser als ein Studium mit Volontariat. Sie haben nur den Vorteil, schneller vorbei zu sein.

Gibt es zu viele Ausbildungsmöglichkeiten für Journalisten und dadurch ein Überangebot?

Da würde ich Entwarnung geben. Es ist wie bei Straßenbahnfahrern und Briefträgern auch: Gute werden immer gebraucht. Das Niveau ist recht hoch, der Verdienst gering. Ich glaube, das selektiert schon ganz gut. Die Zeitungskrise ist ja nicht nur eine Folge von Horden Menschen, die nur noch Überschriften bei tagesschau.de lesen. Viele Leser sind mündiger und qualitätsbewusster. Und dann halten sie ihre Regionalzeitung in den Händen und lesen weder gute Reportagen noch treffende Analysen. Natürlich bestellen sie das Abo ab. Solange es schlechte Zeitungen gibt, gibt es zu wenig gute Journalisten.

Können sich gute, junge Journalisten heute einfach nur durch Leistung hocharbeiten?

Klar! Dieses Geschwätz von Beziehungen ist doch nur ein Trost für Leute, denen es schwer fällt. Ich gehöre da dazu. Ich habe einen Freund, der durch einen Bekannten an einen begehrten Praktikumsplatz bei einer großen Wochenzeitung gekommen ist. Ich wollte mich gerade damit trösten, dass ihm das nur durch seine Bekanntschaften gelungen ist, als ich im Internet seine Artikel las: Fantastisch! Seine Bekannten wussten, dass er ein sehr guter Journalist ist. Kannst du nicht Themen riechen und Worte schwitzen, werden dir Beziehungen nicht viel nützen. Hindernisse sind immer nur andere renommierte Journalisten, die von ihrer Arbeit leben oder andere Journalisten, die renommierte Journalisten werden wollen. Ansonsten gibt es keine Hürden, nur die eine: Dass man sich an seinem Ehrgeiz verschluckt und ungeduldig wird.

Ist der freie Journalismus eine Alternative zur schwer zu erlangenden Festanstellung?

Als Freier hat man viele Vorteile, ganz klar. Wer nicht jeden Monat einen Kredit abzuzahlen hat oder eine 14-köpfige Familie ernähren muss, sollte das probieren. Es ist eigentlich unsinnig zu glauben, der Ausbildung folge die Anstellung. Will man aber wirklich gut über die Runden kommen, muss man gute Auftraggeber haben und wahnsinnig viel arbeiten. Allerdings gibt es vermutlich nur wenig Berufe, in denen das am Anfang anders ist. Ich habe am Anfang für einen Radiosender, eine Tageszeitung und eine Wochenzeitung gearbeitet. Das habe ich dann aber schleifen lassen, nachdem ich einen festen Auftraggeber hatte. Man sollte solche Beziehungen nicht so leichtfertig aufgeben, wie ich es tat. Ich bin deshalb kein allzu guter Ratgeber, was freien Journalismus betrifft. Neulich traf ich einen früheren Mitschüler, der kleine Texte für ein Monatsmagazin und Reportagen für verschiedene Zeitungen schrieb – er war glücklich, freier Journalist zu sein. Wenn man von Aufträgen einer Lokalzeitung abhängig ist und Sonderseiten zum Gartenfestival machen muss, dürfte es weniger Euphorie geben.

Wie ist das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Berufsanfänger?

Ich würde da nicht von einem Verhältnis sprechen. Man fragt: „Interessiert Sie das Giftfass unterm Kindergarten?“. Kommt ein Ja, spricht man über das Honorar und den Abgabetermin. Hält man den Abgabetermin nicht ein, wird man zur Unperson. Lieber schlecht schreiben, als zu spät liefern. Hat man einmal für eine Zeitung oder ähnliches geschrieben, sollte man sich immer wieder in Erinnerung rufen.

Was rätst du jungen Menschen, die den Beruf Journalist ergreifen wollen?

Zu Beginn müssen sie geringe Erwartungen an die anderen und hohe Anforderungen an sich selbst haben. Schreiben, auch wenn kein großer Titel dahinter steht. Unbezahlte Praktika allerdings nur in Kauf nehmen, wenn ein großer Titel dahinter steht. Und vor allem: Geduld haben. Und immer wieder: Schreiben. Sie dürfen auch nicht auf die hören, die ihnen davon abraten. Stattdessen sollten sie sich selbst immer kritisch fragen, ob sie es drauf haben. Ein Arzt, der bei einer Rückenmarkspunktion in die Leber sticht würde sich auch fragen, ob er den richtigen Beruf ergriffen hat. Ein Journalist sollte das auch tun. Kann ich mit Konkurrenz umgehen? Mit Ablehnung, Kritik, Enttäuschungen? Und vor allem: Taugen meine Geschichten was? Das ist ein Punkt, an dem ich mir die Frage nach dem richtigen Beruf immer wieder stelle: Ich bin nicht gut darin, Geschichten zu finden. Journalisten müssen aber Geschichten finden und verwerten, die Schönschreiberei ist eitles Beiwerk.

<h3>Tom Rosenkranz</h3>

Tom Rosenkranz