Luigi Mangione steht im Zentrum einer kontroversen Diskussion in den USA. Der Mann, der wegen des Mordes am CEO von United Healthcare, Brian Thompson, verurteilt wurde, wird in sozialen Medien gefeiert. Der Fall wirft Fragen über die zunehmende Frustration der amerikanischen Bevölkerung gegenüber dem Gesundheitssystem und die Rolle der sozialen Medien bei der Verbreitung und Verstärkung solcher Phänomene auf.
Die Tat
Am 4. Dezember 2024 wurde Brian Thompson, CEO des privaten US-amerikanischen Versicherungsunternehmens UnitedHealthcare, in Manhattan auf offener Straße erschossen. Auf der Patrone wurden vom Täter die Worte „delay, deny, and depose” eingraviert, was auf deutsch soviel wie „verzögern, ablehnen und loswerden” bedeutet. Dies stellt eine Referenz an das Buch „Delay, Deny, Defend: Why Insurance Companies Don’t Pay Claims and What You Can Do About It”, dar, welches sich mit Praktiken der Gewinnmaximierung von Versicherungsunternehmen befasst. Der vermeintliche Täter, Luigi Mangione, wurde am 9. Dezember aufgrund eines Hinweises einer Mitarbeiterin in einer McDonald’s Filiale in Altoona, Pennsylvania, festgenommen.
Reaktionen
Der Mord an Thompson sorgte zunächst für Schock und Bestürzung. Doch schon bald begannen sich online Narrative zu verfestigen, die Mangione als mutigen Kämpfer gegen ein korruptes System darstellen. Memes, Videos und Kommentare, die seine Tat rechtfertigten, waren omnipräsent in den sozialen Medien.
Diese Entwicklung wirft wichtige Fragen auf: Wie kann es sein, dass ein Mörder so gefeiert wird? Und welche tieferen gesellschaftlichen Ursachen stecken hinter dieser Reaktion?
Kritik am US-amerikanischen Gesundheitssystem
Die Reaktionen auf Mangiones Tat lassen sich nicht ohne einen Blick auf das amerikanische Gesundheitssystem verstehen. Das System wird häufig als ineffizient und ungerecht kritisiert. Private Krankenversicherer wie UnitedHealthcare spielen dabei eine zentrale Rolle. Ihnen wird vorgeworfen, Entscheidungen über die medizinische Versorgung oftmals zugunsten von Gewinnmaximierung zu treffen. Viele Menschen sehen darin eine Bedrohung für die gesundheitliche Sicherheit der Bevölkerung. Der Fall Mangione hat diese Frustration ans Licht gebracht. Einige Menschen äußerten in sozialen Medien die Ansicht, dass der Tod eines einflussreichen Entscheidungsträgers wie Thompson symbolisch für die Ungerechtigkeiten im System stehe.
Brian Thompson, the CEO of UnitedHealthcare who stole about $70k a year off me back in the states and rejected like half of my fraking claims, has thankfully died today. Hopefully some more scummy medical insurance CEOs are next!
— Millie (@MillieCheesey) July 22, 2024
X-User @joleekirk schreibt dazu:
Oh no Brian Thompson CEO of @UHC was shot and killed today. He died in the hospital upon arrival. Likely due to the gunshot being a pre-existing condition.
— Jolee Kirk (@joleekirk) July 22, 2024
Der Halo-Effekt und die Wahrnehmung von Mangione
Ein weiterer zentraler Aspekt bei der Verklärung von Luigi Mangione ist der sogenannte Halo-Effekt. Dieser psychologische Mechanismus beschreibt, wie eine positive Eigenschaft oder Handlung die Wahrnehmung einer Person insgesamt beeinflusst, beispielsweise durch Attraktivität. In diesem Fall sehen viele Menschen in Mangione einen mutigen Widerstandskämpfer gegen Ungerechtigkeit, was seine Tat in den Augen einiger als gerechtfertigt erscheinen lässt. Der Halo-Effekt verstärkt die Tendenz, ihn als Symbol für eine größere Sache wahrzunehmen und negative Aspekte seiner Tat zu verdrängen. Manche gehen sogar so weit, den 26-Jährigen als eine Art modernen Robin Hood anzusehen.
Auch eine Verehrer-Community, welche an den Fall Ted Bundy erinnert, hat sich hier sehr schnell gebildet.
Vergleich mit anderen Fällen
Die Dynamik um Mangione erinnert an frühere Fälle, bei denen Einzelpersonen, die Gewalt gegen Symbole der Macht ausübten, in der Öffentlichkeit Resonanz fanden. Häufig wird Mangiones Fall mit Ted Kaczynski, auch bekannt als „Unabomber“ verglichen, welcher Mangiones Tat beeinflusst haben könnte. Dieser hat in den 1990er-Jahren eine Reihe von Briefbomben an Konzerne verschickt. Auch er wurde teils als Gegner eines als entfremdend empfundenen Systems wahrgenommen. Während Kaczynski gegen die Industrialisierung und technologische Entwicklung protestierte, richtete sich die Symbolik um Mangione gegen wahrgenommene Ungerechtigkeiten im Gesundheitssystem. Auch Whistleblower wie Edward Snowden oder Julian Assange, welche darauf abzielen, mit ihren Straftaten dem öffentlichen Interesse zu dienen, können mit Mangione verglichen werden. Diese Fälle zeigen, wie gesellschaftliches Interesse zu einem Mitgefühl mit Tätern führen kann.
Spiegel der Gesellschaft
Der Fall Luigi Mangione verdeutlicht, wie tief die gesellschaftliche Unzufriedenheit mit dem US-amerikanischen Gesundheitssystem reicht und welche radikalen Mittel Betroffene bereit sind zu nutzen. Die Thematik um das US-amerikanische Gesundheitssystem und die allgemeine Kommerzialisierung des Gesundheitssektors geht vielen Menschen nahe. Der Fall regt zu einer breiteren Diskussion über soziale Ungerechtigkeit und die Legitimität von Gewalt als Ausdruck von Protest an. Zugleich zeigt dieser Fall die Rolle sozialer Medien bei der Schaffung und Verbreitung von Narrativen, die weit über die eigentliche Tat hinausgehen. Der Vergleich mit ähnlichen Fällen zeigt auf, wie solche Phänomene im Kontext gesellschaftlicher Spannungen entstehen und welche Folgen sie langfristig haben können.
Fast ein Viertel aller Amerikaner sieht Gewalt als legitimes Mittel zur Umsetzung von politischen Interessen an. Der Fall Luigi Mangione ist nur einer von vielen, die dies zum Ausdruck bringen. Ein explodierter Tesla Cybertruck vor einem Trump-Hotel ist ebenfalls ein weiterer medial wirksam gewordener Fall politischer Gewalt der letzten Wochen in den USA. Der Fall Mangione ist kein isoliertes Ereignis, sondern Teil eines größeren gesellschaftlichen Trends.