Marcus Poschlod ist Dozent an der Hochschule Mittweida und Moderator beim Radiosender R.SA. Für sein Hörbuch „Von schnarchenden Pilgern und unglaublichen Begegnungen” wurde er sogar für den deutschen Radiopreis nominiert. Nachdem „Poschi” 2016 bereits die Schweinegrippe hatte, infizierte er sich im März mit dem Coronavirus. In unseren Gesprächen entwickelte sich der Begriff „Kacke am Schuh”, weil der Dozent immer wieder in seinem Genesungsprozess zurückgeworfen wurde. medienMITTWEIDA hat mit Poschi die zurückliegenden Wochen aufgearbeitet, wie er die „Kacke am Schuh” wieder losbekam.
Woche 1 – „Okay, jetzt haben wir also auch Corona”
Nach einem Wochenendtrip nach England geht Poschi wie gewohnt am Montag zur Arbeit. Als er tagsüber mit Husten und Müdigkeit zu kämpfen hat, denkt er sich noch nichts dabei. Nach Feierabend geht er direkt nach Hause und legt sich ins Bett. Zu diesem Zeitpunkt ist es 19:30 Uhr. Der Sandmann ist zwar schon vorbei, aber normalerweise ist der Radiomoderator abends aktiver. Am nächsten Tag erzählt Poschis Kumpel, mit dem er verreist war, am Telefon, dass er total krank sei. Die beiden machen am Hörer noch Witze: „Okay, jetzt haben wir also auch Corona.” Als sein Freund ihm aber ein paar Tage später erzählt, dass er nichts mehr riechen und schmecken könne, läuten bei dem Dozenten die Alarmglocken. Er ruft beim Gesundheitsamt und in der Corona-Ambulanz im Universitätsklinikum Leipzig an. Die Gespräche laufen beide gleich ab.
„Hatten Sie Kontakt mit Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind?”
„Nein.“
„Waren Sie in letzter Zeit in Ischgl?”
„Nein.“
„Dann brauchen Sie keinen Test.”
Der Dozent versteht nicht so richtig, warum seine Symptome nicht wirklich ernst genommen werden. Die Ungewissheit, ob er an Covid-19 erkrankt ist, findet er besonders schlimm. „Was mache ich jetzt? Ich kann doch nicht ins Büro gehen und vielleicht jemanden anstecken.” Als seine Hausärztin dann einlenkt, dass es besser sei, das Ganze abklären zu lassen, ist er erleichtert. Anschließend bekommt er, wie im Film, den Test nach Hause geliefert.
Der Dozent erzählt, wie spektakulär der erste Corona-Test bei ihm ablief. Quelle: Stefan Sander
Nachdem der Dozent den Test gemacht hat, bekommt er nicht einmal 24 Stunden später einen Anruf. Als sein Handy aufleuchtet und er sieht, dass es die Nummer vom Gesundheitsamt ist, hat er schon ein ungutes Gefühl. „Ne, nicht wirklich jetzt”, denkt er sich. „Die Arztpraxis meinte doch, dass es bis Freitag dauern kann, bis die Ergebnisse da sind.” Als er den Hörer abnimmt, lässt seine langjährige Ärztin gleich die Katze aus dem Sack: „Na ja, ich sage es jetzt einfach mal so, wie es ist: Der Test ist natürlich positiv.”
Nachdem er die ernüchternde Nachricht erhalten hat, ist das Gespräch schnell beendet. Als Poschi sich danach auf die Couch setzt, schwirren ihm die ersten Fragen durch den Kopf: Wie geht es jetzt weiter? Wie werde ich morgen wach? Wird es schlimmer? Wird es besser?
Die Reaktionen im Familien- und Freundeskreis sind ähnlich: „War ja klar, dass du dich nach der Schweinegrippe jetzt auch noch damit ansteckst.”
Woche 2 – „Wenn ich nachts den Müll runterbringe, bekomme ich ein schlechtes Gewissen”
In der Quarantäne versucht Poschi, seinem Tag eine gewisse Ordnung zu geben. Aufstehen, duschen, frühstücken, Home-Office. Zu diesem Zeitpunkt geht es ihm relativ gut. Seine Symptome haben sich nicht verschlimmert und er nimmt keine Medikamente. Kollegen und Freunde gehen für ihn einkaufen. Manchmal quatschen sie beim Vorbeibringen der Lebensmittel noch mit zwei Metern Sicherheitsabstand an der Tür, bis das Eis in den Tüten schmilzt. Seine Wohnung verlässt er nur, um den Abfall zu entsorgen. „Wenn ich nachts den Müll runterbringe, bekomme ich ein schlechtes Gewissen“, aber irgendwann müssen die Essensreste halt mal weg. Mit seinem Chef beschließt er, seine Erkrankung öffentlich zu machen und gibt Radio, Fernseh- und Zeitungsinterviews. Auf Instagram veröffentlicht er ein privates Video, in dem er erzählt, was Sache ist.
Der Radiomoderator macht auf Instagram seine Krankheit öffentlich. Quelle: Instagram (@herrposchinger)
Woche 3 – „Noch eine Woche”
Als Poschis Quarantäne fast vorbei ist, wird der Wunsch, die Welt mal wieder von draußen zu sehen, immer größer. „Montag darfst du endlich wieder raus”, denkt er sich. Doch dann bekommt der Radiomoderator aus dem Nichts Probleme mit der Lunge. Als seine Freunde davon erfahren, appellieren sie besorgt an seine Vernunft und raten ihm, sofort einen Arzt anzurufen. Als Poschi sich beim Gesundheitsamt meldet, wird ihm erklärt, dass das Virus erfahrungsgemäß am Ende der Quarantäne nochmal einen Schub bekommen kann. Der Doktor beschließt, seine Quarantäne um eine weitere Woche zu verlängern und Poschi denkt sich nur ernüchtert: „Noch eine Woche.”
Während draußen die Sonne scheint, hockt Poschi zu Hause und bekommt langsam Panik. Zu diesem Zeitpunkt wird auch Englands Premierminister Boris Johnson wegen Corona auf die Intensivstation eingeliefert. Bei ihm waren ebenfalls die zwei Wochen Quarantäne fast vorbei. Jetzt wird auch der sonst kaum aus der Ruhe zu bringende Dozent etwas nervös und zieht Parallelen.
Woche 4 – „Wenn Sie die Station nicht finden, fragen Sie niemanden nach dem Weg”
Als die drei Wochen Quarantäne vorbei sind, muss Poschi in der Uniklinik Leipzig einen weiteren Test machen. Seine Lungenprobleme haben sich zum Glück wieder gelegt. Das Gesundheitsamt erklärt ihm, dass er bei der Anreise keine Passanten ansprechen darf. „Wenn Sie die Station nicht finden, fragen Sie niemanden nach dem Weg.” Er findet zum Glück alles ohne Probleme. Als der Abstrich gemacht ist, fährt Poschi im festen Glauben nach Hause, morgen die Rückmeldung zu bekommen, dass er wieder gesund ist.
Wieder klingelt das Telefon keine 24 Stunden später und wieder sagt der Arzt: „Nein, der Test ist immer noch positiv. Sie müssen weiter zu Hause bleiben.” Die Quarantäne wird um eine weitere Woche verlängert. Das Ganze passiert kurz vor Ostern und Poschi denkt sich: „Eigentlich reicht es jetzt auch mal.”
Woche 5 – „Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?”
Nach insgesamt vier Wochen Quarantäne darf der Dozent seinen mittlerweile dritten Corona-Test machen. Diesmal kommen ihn zwei Mitarbeiter vom Gesundheitsamt in kompletter Schutzmontur zu Hause besuchen. Sie führen einen speziellen Test durch, der nachweist, wie viele Viren Poschi wirklich noch im Rachen hat. Der Dozent fragt die beiden höflich: „Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?” Doch die zwei Männer lehnen dankend ab. Mittlerweile moderiert er mit einem alten Mikrofon von zu Hause seine Radiosendungen.
Marcus Poschlod über den Besuch vom Gesundheitsamt bei sich zu Hause. Quelle: Stefan Sander
Woche 6 – „Mehr, als dass ich gesund bin, brauche ich nicht zu wissen”
Wieder ruft das Gesundheitsamt an, aber Poschi ist zu diesem Zeitpunkt gerade auf Sendung und kann deswegen nicht ans Telefon gehen. Dann bekommt er eine E-Mail zugeschickt. Erleichtert liest er, dass der Test negativ war und er wieder rausgehen darf. Das Gesundheitsamt ruft er gar nicht erst zurück. „Mehr, als dass ich gesund bin, brauche ich nicht zu wissen.” Danach schwingt sich Poschi auf seine noch unbenutzte Vespa und fährt eine Runde durch die Stadt. Nach über einem Monat kann er das erste Mal wieder die Freiheit genießen. Danach trifft er sich mit einem Kumpel im Park, der ihn mit einem Kaffee empfängt. Am Abend gönnt er sich zur Feier des Tages noch einen Burger. Zum ersten Mal seit Beginn der Quarantäne sieht er, wie sich der Alltag draußen verändert hat. Die Freisitze sind abgesperrt und die Spielplätze geschlossen. Vor den Supermärkten bilden sich Schlangen wie früher in der DDR, als es Mandarinen zu kaufen gab. Das hat er live noch nicht gesehen.
Woche 7 – „In diesen Zeiten merkt man, wie wichtig es ist, gesund zu sein”
Mittlerweile darf Poschi wieder arbeiten gehen und hat die „Kacke am Schuh” hinter sich gelassen. Er ist froh, dass er seine Kollegen wieder im Büro sieht und es allen gut geht. Außerdem freut er sich, endlich wieder aus seinem geliebten Radiostudio senden zu können. Dadurch, dass in den Universitäten und Hochschulen bis Oktober keine Vorlesungen stattfinden , hält er seine Seminare alle online ab. Am meisten vermisst der Dozent seine Stammbar, wo er sonst oft den Tag ausklingen lässt. Insgesamt fehlt es ihm, abends auszugehen und Freunde zu treffen. Er weiß allerdings, dass die Zeit mit den Liebsten nicht wegläuft. „In diesen Zeiten merkt man erstmal wieder richtig, wie wichtig es ist, gesund zu sein.”
Poschi war im Dezember 2018 bei unserem Format: „kaffeeMIT“ zu Gast. Hier seht Ihr das komplette Interview. Quelle: medienMITTWEIDA
Text: Stefan Sander, Titelbild: Eric Kemnitz, Videos: Stefan Sander, Instagram (@herrposchinger)