ARD/ZDF-Onlinestudie

Medienkonsum im Internet ist im Kommen

von | 9. November 2018

„Jetzt schau doch nicht so oft aufs Handy“ - Diesen Satz kennt jeder. Aber wie wirkt sich dieses Verhalten auf unsere Mediennutzung aus?

Viele kennen es: Der erste Griff am Morgen geht zum Smartphone. Ob mit Freunden kommunizieren, beim Frühstück die Tagesschau von gestern ansehen oder unterwegs die neue Folge der Lieblingsserie genießen: Einen großen Teil ihrer Freizeit verbringen junge Leute heutzutage mit Medien im Internet. Dieser Trend wird auch in der aktuellen ARD/ZDF-Onlinestudie bestätigt.

Jedes Jahr untersuchen die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender gemeinsam in einer Studie, wie sich die digitale Mediennutzung in Deutschland über die Zeit verändert. Bei der jüngsten Befragung, die erst Anfang Oktober veröffentlicht worden ist, werden vor allem die Entwicklung der Internetnutzung und das Verhältnis von linearem Fernsehen und Bewegtbild-Angeboten im Internet genauer untersucht. Dazu sind im Jahr 2018 mehr als 2.000 Personen über 14 Jahren zu ihren Gewohnheiten bei der Nutzung von digitalen Medien befragt worden. Demnach nutzen die Deutschen durchschnittlich jeden Tag über drei Stunden das Internet, unter 30-Jährige sogar knappe sechs Stunden.

Besonders auffällig ist bei der diesjährigen Erhebung ein ganz spezieller Punkt: Die mediale Internetnutzung. Sie meint all die Zeit, die wir im Internet verbringen, um Videos zu schauen, in Nachrichtenportalen wie zum Beispiel Spiegel Online zu lesen oder Musik via Streaming anzuhören. Damit verbringen 14- bis 29-Jährige nämlich über drei Stunden am Tag. Diese Zahl mag für sich allein stehend schon beachtlich klingen, doch im Verhältnis zum Vorjahr wird sie noch bemerkenswerter. Im Vergleich zu 2017 ist die Nutzung von Medien im Internet in der jüngeren Zielgruppe um über eine Stunde gestiegen. In der Gesamtbevölkerung sind es immerhin noch 37 Minuten. Das wirft die Frage auf, warum die Mediennutzung im letzten Jahr so stark zugenommen hat und wie junge Leute heutzutage eigentlich Medien nutzen. 

 Diese Grafik zeigt die Internetnutzung in Deutschland, aufgeschlüsselt nach verschiedenen Arten der Nutzung und Altersgruppen. (Angaben in Minuten)
Streamingdienste haben Vorteile gegenüber linearem Fernsehen

Einen möglichen Erklärungsversuch dafür findet man ebenfalls in der diesjährigen Onlinestudie, denn schon seit Jahren steigt die Nutzung von Video- und Audio-Angeboten im Internet kontinuierlich. Grund dafür ist unter anderem die steigende Bedeutung von Streamingdiensten, die mittlerweile von 87 Prozent der unter 30-Jährigen genutzt werden. Noch mehr Nutzer erreicht nur die kostenlose Videoplattform YouTube, die beinahe jeder in der jüngeren Zielgruppe zumindest gelegentlich nutzt. Diese Geschäftsmodelle ermöglichen vor allem den zeitsouveränen und programmunabhängigen Konsum von Medienangeboten, der für viele sehr wichtig ist. Dennoch besteht für die Streamingdienste immer noch Wachstumspotential, vor allem was die tägliche Nutzung betrifft. Die Zugriffszahlen sind hier zwar auch steigend, befinden sich aber immer noch auf lediglich einem Drittel der Gesamtanzahl der Streaming-Nutzer.

Ebenfalls zu erwähnen sind die Audio-Angebote im Internet, die mehr und mehr Anklang finden. So haben laut der Onlinestudie 90 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Musik im Netz genutzt, vor allem via YouTube, Spotify und Soundcloud. Internetradio dagegen spielt mit 16 Prozent eine eher kleine Rolle auf dem Markt. Bemerkenswert ist beim Musikstreaming erneut die Entwicklung: Innerhalb des vergangenen Jahres haben die Angebote um ganze 21 Prozentpunkte bei der jüngeren Zielgruppe zugelegt.

Ganz aus dem Nichts ist dieser Trend allerdings nicht aufgetaucht: Bereits im Jahr 2014 hat eine Studie des Hightech-Verbandes Bitkom gezeigt, dass ein Drittel der Streaming-Nutzer lineares Fernsehen damit ganz oder zumindest teilweise ersetzt. Das zeigt, dass sich die Mediennutzung gesamtgesellschaftlich eher schleichend verändert. Zum Beispiel gibt es laut der Onlinestudie immer noch einen klaren Unterschied in der Abendgestaltung der verschiedenen Altersgruppen: Während Ältere häufiger den Fernseher einschalten, nutzen 70 Prozent der Jüngeren an einem typischen Abend eher Streamingdienste und 58 Prozent Communities wie YouTube. Allerdings entdeckt auch die Zielgruppe der 30- bis 49-Jährigen mediale Internetangebote zunehmend für sich. 

 In diesem Diagramm ist zu sehen, welche verschiedenen Online-Bewegtbildangebote in Deutschland genutzt werden. (Angaben in Prozent)
Zeitversetzter Konsum ist im Kommen

Eine weitere Veränderung zeichnet sich bei der Nutzungsart von Angeboten der klassischen Fernsehsender ab: Denn wie in der diesjährigen Onlinestudie herausgefunden wurde, nutzen mehr als die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen TV-Sendungen zeitversetzt in einer Mediathek. Gleichzeitig ist im vergangenen Jahr aber auch die Anzahl derer aus der jüngeren Zielgruppe um elf Prozent gestiegen, die überhaupt Fernsehen über das Internet nutzen. Aus diesem Grund wird es für das klassische Fernsehen zunehmend wichtiger, ihre Angebote im Netz zu verbreiten, um weiterhin auch diese Nutzerschaft zu erreichen. Denn für diese spielt, wie bereits zuvor erwähnt, der zeitsouveräne Aspekt des Medienkonsums eine große Rolle.

Weiterhin ist ein Wandel bei der Größe der Geräte zu erkennen, auf denen Videos aller Art konsumiert werden. Zwar ist der Fernseher in der Onlinestudie 2018 immer noch das meist genutzte Gerät zum Konsum von Bewegtbild-Angeboten, allerdings hat das Smartphone dieses Jahr einen Spitzenwert erreicht. Demnach haben 86 Prozent der 14- bis 29-Jährigen zumindest gelegentlich ihr Mobiltelefon dafür genutzt, insgesamt war es die Hälfte der Bevölkerung.

„Die aktuellen Ergebnisse dokumentieren die hohe Relevanz, unsere Inhalte auf Abruf verfügbar zu machen. Wir stehen die nächsten Jahre vor der Herausforderung, unsere vielfältigen Informations- und Unterhaltungsangebote dem jüngeren Publikum bekannt und auffindbar zu machen – dabei werden wir unser Nachrichtenangebot passgenau für das Netz konfektionieren.“

ZDF-Intendant Thomas Bellut
in der Pressemitteilung der Onlinestudie

Die Bedeutung des Smartphones wächst

Diese Entwicklung hin zu kleineren Endgeräten ist darüber hinaus auch mit einer Veränderung der Nutzungszeiten und -intensitäten verbunden. Laut Angaben des Statistischen Jahrbuchs 2018 sind in Deutschland 81 Prozent der Menschen mobil online. Die größte Bedeutung hat dabei mit 78 Prozent das Smartphone, andere Geräte wie Laptops oder Tablets benutzen unterwegs dagegen nur 41 Prozent. Auch für News spielt das Mobiltelefon eine immer größere Rolle: Im diesjährigen Digital News Report des Reuters Institute for the Study of Journalism hat sich gezeigt, dass mittlerweile fast die Hälfte der Bevölkerung das Smartphone für die mobile Information nutzt.

Dadurch werden die einzelnen Nutzungszeiten kürzer, aber die gesamte Nutzungsdauer an einem Tag steigt an. Denn wie in der Onlinestudie herausgefunden wurde, sind Menschen, die das Internet unterwegs nutzen, im Durchschnitt circa 40 Minuten länger online und weisen eine höhere Dichte der Nutzungs-Sessions auf. Um zehn Minuten im Vergleich zum Vorjahr stieg außerdem die Zeit, in der kurz etwas recherchiert wird – zum Beispiel bei Wikipedia oder in anderen Apps. Nicht nur für die jüngere Zielgruppe ist auch mobile Kommunikation, beispielsweise über WhatsApp, wichtig. 69 Prozent der 14- bis 29-Jährigen tun dies mehrmals täglich. Der heutige Internetnutzer ist also nicht lang online, dafür aber schnell und häufig verfügbar.

 In dieser Abbildung wird dargestellt, wie sich die Unterwegsnutzung des Internets seit 2016 in den verschiedenen Altersgruppen entwickelt hat. (Angaben in Prozent)
Welche Zukunft hat Social Media?

Ein weiterer wichtiger Trend ist die steigende Bedeutung von Apps für die mobile Nutzung: Nicht nur der Streamingdienst Spotify ist mit 77 Prozent der jüngeren Nutzer überwiegend mobil aufgerufen worden, auch Social Networks wie zum Beispiel Facebook werden vor allem auf dem Smartphone genutzt. Doch im Social-Media-Bereich zeichnet sich noch eine andere Veränderung ab: Im Digital News Report wurde herausgefunden, dass die Bedeutung von solchen Netzwerken zur Verbreitung von Nachrichten in Deutschland bei ungefähr 30 Prozent stagniert, in den USA ist sie sogar um sechs Prozentpunkte gesunken. Auch würden bei Facebook immer weniger nachrichtliche Inhalte gepostet und geteilt. Es zeigt sich also, dass dieser Bereich wohl über seinen Zenit hinaus ist.

Ein möglicher Erklärungsversuch dafür ist das geringe Vertrauen in Social-Media-News. Denn laut den Reuters-Ergebnissen vertrauen diesen Nachrichten nur 18 Prozent der Deutschen. Offenbar haben die Diskussionen um Fake News also doch einen Einfluss auf die allgemeine Wahrnehmung von Nachrichten. Dagegen sind zur Zeit andere Plattformen für Nachrichteninhalte im Kommen: So hat der Messenger-Dienst WhatsApp im vergangenen Jahr an Bedeutung für News gewonnen, was nicht zuletzt an der kleineren Größe des Kommunikationsraumes liegen dürfte.

Durch die technologische Entwicklung haben sich vor allem die Orte, die Zeitspannen und die Geräte für die Nutzung von Medienangeboten teilweise stark verändert. Die jüngere Zielgruppe ist häufig, für kurze Zeit über den Tag verteilt online. Davon profitieren Nachrichtenapps und Messenger. Im Bewegtbild-Bereich haben Streamingdienste und Mediatheken aufgrund der zeit- und ortsunabhängigen Nutzung die Nase vorn. Die aktuellen Trends im Social-Media-Bereich zeigen aber auch, dass sich das Nutzungsverhalten von Medien immer noch im Wandel befindet.

Text: Lisa Marie Pigulla | Titelbild: Anne Marie Gorski | Grafiken: eigene Darstellung aus Daten der ARD-ZDF-Onlinestudie 2018
<h3>Lisa Marie Pigulla</h3>

Lisa Marie Pigulla

ist 21 Jahre alt, kommt aus Dresden und studiert im 5. Semester Medienmanagement mit der Vertiefung Sport. Ihre Begeisterung für den Journalismus entdeckte sie bei der Sächsischen Zeitung, zur Zeit ist sie allerdings im Online-Bereich tätig. Bei medienMITTWEIDA ist sie als Chefredakteurin vor allem für die inhaltliche Leitung des Teams und der Ideen zuständig.