#medienWOCHE: 30. Mai bis 5. Juni 2015

von | 5. Juni 2015

BILD vs. Presserat +++ Verleger-Legende DuMont tot +++ Wahlpodium zur Bürgermeisterwahl in Mittweida BILD ruft zur Kampagne gegen den Deutschen Presserat auf Sogenannte öffentliche Rügen des Deutschen Presserates sind bei der […]

BILD vs. Presserat +++ Verleger-Legende DuMont tot +++ Wahlpodium zur Bürgermeisterwahl in Mittweida

BILD ruft zur Kampagne gegen den Deutschen Presserat auf

Sogenannte öffentliche Rügen des Deutschen Presserates sind bei der BILD nichts Seltenes. Jetzt stellt Deutschlands größte Tageszeitung die Moral der Medienmacher auf den Kopf und geht gegen den Presserat vor.

Zum Fall: Im März 2014 wurde die 18-jährige Lisa Marie aus Schleswig-Holstein von einem guten Freund in dessen Wohnung ermordet. Anschließend versteckte der zur Tatzeit erst 16 Jahre alte Täter die Leiche in einem Maisfeld. An der Suche nach dem Mädchen beteiligte er sich heuchlerisch. Als der Verdacht auf ihn fiel, verstrickte er sich dann in seinen Aussagen. Im Oktober wurde er zu neun Jahren Gefängnis und Verwahrung in einer Psychiatrie verurteilt.

Die BILD berichtete über den Fall sowie über die Verurteilung des Angeklagten und publizierte ein nicht unkenntlich gemachtes Foto. Der Presserat griff ein und entschied, dass das Foto nicht hätte abgedruckt werden dürfen.

Es handele sich bei diesem Fall „um eine schwere, nicht jedoch um eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Art und Dimension besondere Straftat“. Der Jugendschutz des minderjährigen Täters müsse daher gewahrt werden.

Der Presserat ist ein Ausschuss, der über die Ethik-Fragen im deutschen Journalismus entscheidet. Mit sogenannten öffentlichen Rügen kann er gegen Redaktionen vorgehen, die gegen den Pressekodex verstoßen.

In diesem Fall lautet die Begründung, dass das Verbrechen nicht rechtfertige, „derart identifizierend“ über den noch sehr jungen Täter zu schreiben. Die Axel Springer SE bezeichnete dieses Argument als „unglaublich“, die Eltern des Opfers sind empört.

Eigenen Angaben zufolge schrieb die BILD den Deutschen Presserat zweimal an und bat ihn, diesen Fall genauer zu erläutern. Sie und auch die Angehörigen des Opfers wollten wissen, wie außergewöhnlich schwer eine Mordtat sein muss, damit sie eine Berichterstattung zulässt.

„Aus Sicht des Ausschusses war die Tat, so scheußlich sie war, nicht derart monströs, dass dahinter alle anderen Erwägungen, insbesondere des Jugendschutzes, zurückzutreten haben.“

– so die Antwort des Ausschusses laut dwdl.de.

Für diese Rückmeldung hat die BILD jedoch kein Verständnis und ruft zu einer Kampagne gegen den Deutschen Presserat auf. Unter der Aufforderung: „Sagen Sie dem Presserat Ihre Meinung“ sind die Anschrift, E-Mail-Adresse, Telefon- und Faxnummer des Gremiums abgedruckt.

Eine Kampagne, für die nun die Eltern des ermordeten Mädchens hinhalten müssen. Die Schwere der Tat mindert es nicht und auch an dem letztendlichen Ergebnis ändert sich nichts mehr. Und so spalten sich auch die Meinungen im Social Web zu dem Fall:

 

Trauer um den Zeitungsverleger Alfred Neven DuMont

Er war einer der größten publizistischen Unternehmer der Nachkriegszeit: Nun ist Alfred Neven DuMont im Alter von 88 Jahren verstorben. Er schlief am vergangenen Samstag im Kreise seiner Familie ein. Sein Vermächtnis, das Medienunternehmen M.DuMont Schauberg, bringt u.a. die „Berliner Zeitung“ und die „Hamburger Morgenpost“ heraus.

DuMont wurde 1927 als Sohn einer Kölner Verlegerdynastie geboren. Er studierte in München Philosophie, Geschichte und Literatur und Journalistik in Chicago. Den Verlag M.DuMont Schauberg seines Vaters übernahm er dementsprechend und entwickelte ihn zu einem mächtigen Medienunternehmen weiter. Auf ihn geht unter anderem die regionale Boulevardzeitung „EXPRESS“ zurück. 2012 war diese vor der BILD-Zeitung Marktführer unter den Tageszeitungen und Boulevardzeitungen in Köln. DuMont hatte von 1980 bis 1984 das Amt des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger inne. Später gab er als Honorarprofessor für Medienpolitik und Medienökonomie am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sein Wissen an den Mediennachwuchs weiter.

Auf den sozialen Netzwerken sprachen viele Medienmacher und -häuser ihre Anteilnahme am Tod des Verlegers aus. Sie bedauern es sehr, dass eine so herausragende Persönlichkeit nicht mehr unter ihnen weilt. So heißt es beispielsweise in dem Nachruf des  „Kölner Stadtanzeigers„:

„Ein Herr, ein Steuermann, einer, der die Richtung vorgibt. Und auch als die Kräfte nachließen, die Stimme immer leiser wurde und das Atmen schwer fiel, hat er noch von der Zukunft gesprochen.“

Sein Sohn bedankte sich über Facebook:

„Vielen Dank für die zahlreichen Beileidsbekundungen. Einer der letzten Wünsche meines Vaters war, dass wir Menschen friedlich miteinander umgehen. Was für eine schöne Botschaft.“

 

#MWwählt – Kooperation von Hochschule und der Freien Presse

Am kommenden Sonntag, den 7. Juni 2015, sind die Bürger Sachsens zur Wahl aufgerufen. Es werden sowohl neue Landräte als auch neue Bürgermeister in verschiedenen Städten gewählt. So auch am Hochschulstandort Mittweida. Um die noch offenen Fragen der Bürger zu klären und das Vorhaben des einzigen Bürgermeisterkandidatens darzulegen, fand am 3. Juni 2015 im Herbert E. Graus-Studio der Hochschule ein Wahlpodium statt. Im Mittelpunkt stand dabei die Bürgerbeteiligung.

Das Projekt beruht auf einer Kooperation der Hochschule Mittweida, dem hochschuleigenen Ausbildungssender „99drei Radio Mittweida“, der Mitteldeutschen Journalistenschule sowie der Lokalredaktion von Sachsens größter Zeitung „Freie Presse“.

Doch wie sah die Zusammenarbeit konkret aus und welche Ziele wurden dabei verfolgt? Wir haben mit denen gesprochen, die es wissen müssen – Jan Leißner, verantwortlicher Redakteur der „Freien Presse“ in Mittweida sowie Marcus Jänecke, Koordinator der Mitteldeutschen Journalistenschule und freier Dozent an der Hochschule Mittweida.

medienMITTWEIDA: Es besteht von der Hochschule Mittweida und der Freien Presse eine Kooperation zum Oberbürgermeister-Podium. Was waren die Beweggründe dafür und warum findet die Zusammenarbeit genau jetzt statt?

Jan Leißner: Die Zusammenarbeit beim Wahlforum ist meiner Ansicht nach naheliegend. Wir berichten in der Lokalausgabe der „Freien Presse“ ja schon lange über die Projekte, bei denen Studenten selbst als Organisatoren von Veranstaltungen wie dem Medienforum oder beim Campusfestival oder über crossmediale Projekte auftreten. Nun wurde es Zeit, die auf beiden Seiten vorhandenen Kompetenzen enger als bisher zusammenzuführen. Das Wahlforum ist für mich auch ein Experiment, von dem beide Seiten in Zukunft profitieren können. Es könnte Vorbild sein für weitere gemeinsame Initiativen, die über die Stadtgrenzen ausstrahlen könnten. Ich freue mich, dass sich die Leitung der Hochschule wie auch die Studenten für dieses Vorhaben so engagieren.

Marcus Jänecke: Wir als Mitteldeutsche Journalistenschule bemühen uns um eine engere Zusammenarbeit mit der Freien Presse bereits seit längerem. Schon zum Medienforum 2014 hat die Freie Presse in der Vorberichterstattung auf Volontäre der Journalistenschule setzen können. Die Jungredakteure bekommen so professionelles Feedback für ihre Texte und eine renommierte Plattform für ihre journalistischen Arbeiten. Das Wahlforum war nun der nächste Schritt, der so nur mit einer engen Zusammenarbeit mit der Medienfakultät möglich war – die MJS mit nur 20 ausgewählten Volontären allein könnte ein solches Projekt nicht stemmen.

medienMITTWEIDA: Welche Erwartungen und Ziele stellt bei dieser Kooperation die Hochschule an die Freie Presse und welche die Freie Presse an die Hochschule?

Jan Leißner: Wir produzieren das Wahlforum nicht für die Schublade oder allein für eine interne Bewertung, sondern in erster Linie für Leser, Zuhörer und Internet-Nutzer. Deren Urteil entscheidet über den Erfolg. Näher am Medienalltag kann man also nicht sein. In der Redaktion wollen wir vor allem Erfahrungen mit der Kooperation sammeln, auf deren Basis man künftig erneut Projekte crossmedialer Art gemeinsam mit der Hochschule aufsetzen kann. Und vielleicht können wir auch Studenten für eine Mitarbeit bei uns gewinnen.

Marcus Jänecke: Für die Hochschule im Ganzen kann nicht sprechen. Was mir aber in vielen Gesprächen mit Kollegen an der Fakultät aufgefallen ist, und was mir auch wichtig ist für die Volontäre, ist eine tatsächliche crossmediale Ausbildungsplattform. Bei diesem Wahlforum haben sämtliche Hochschulmedien zusammengearbeitet, mehrere Projekte mitgewirkt und nicht zuletzt die Freie Presse als neuer externer Partner viel Engagement investiert. Das ist bislang einmalig für uns gewesen und ein klares Zeichen dafür, dass wir als Hochschule professionell agieren und medienübergreifend planen und produzieren können.

medienMITTWEIDA: Wie kann sich der einzelne Medienstudent bei dieser Kooperation einbringen und was bringt es diesem für einen Mehrwert?

Jan Leißner: Etwa 75 Studenten und die Volontäre der Mitteldeutschen Journalistenschule sind an der Produktion des Wahlforums beteiligt. Jede einzelne Aufgabe hier zu nennen, würde den Rahmen sprengen. Der Mehrwert liegt meiner Ansicht vor allem darin, dass man dabei im übertragenen Sinne nicht im „Sandkasten spielt“, sondern eben für ein konkretes Produkt, das auch nach außen hin ausstrahlt und bei den Leuten wahrgenommen wird. Das sind praktische Erfahrungen, die man eben nicht in einer Vorlesung sammeln kann.

Marcus Jänecke: Wir hatten die verschiedensten Möglichkeiten der Mitwirkung. Die Volontäre der MJS, ebenso Studenten der Hochschule, haben sich insbesondere um die Vorabrecherche, Videoproduktion und Artikel bemüht. Im Bereich der Zuschauerredaktion haben mehrere Medien zusammengearbeitet, damit Bürger auf allen Kanälen am Wahlforum teilhaben und mitwirken können. Das eingespielte Produktionsteam des Campusfestivals, das bereits bei den Soundchecks und bei der Lateline erfolgreich produziert hat, war auch beim Wahlforum für alles im Studio zuständig. Und die Studenten bei 99drei Radio Mittweida haben viel für die Vor- und Nachberichterstattung zur Sendung getan. Es war wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

medienMITTWEIDA: Wie genau sah die Interaktion beim Wahlpodium zur Bürgermeisterwahl aus?

Jan Leißner: Diese Form der Interaktion ist mir besonders wichtig, sie soll für eine lebendige Debatte sorgen. Dafür stehen uns die Kanäle der Hochschule über das Radio und Internet sowie das live in die Sendung geschaltete Bürgertelefon zur Verfügung. Auch an die Redaktion der „Freien Presse“ konnte man sich via Lesertelefon oder per E-Mail vorab mit Fragen wenden. Während der Podiumsdiskussion kann sich das Publikum vor Ort zur Wort melden. Mehr geht fast nicht. Wir veranstalten diese Foren ja nicht zum Selbstzweck, sondern eben gerade für unsere Leser, für die Bürger dieser Stadt. Wer sich für Kommunalpolitik und die Entwicklung von Mittweida sowie den Kandidaten interessiert, findet hier das Podium, seine Fragen einzubringen.

Marcus Jänecke: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Text: Lisa-Marie Glaß. Interviewführung: Lisa-Marie Glaß. Beitragsbild: campact unter CC BY-NC-2.0. Bearbeitung: Christine Wolf.

<h3>Lisa-Marie Glaß</h3>

Lisa-Marie Glaß

Redakteur, Social Media