Am 25. März 2025 wurde Rümeysa Öztürk, eine Studentin an der Tufts University in Massachusetts, auf offener Straße von sechs maskierten Männern entführt. Ohne Vorwarnung wurde sie in ein Fahrzeug gezerrt und in das 2.500 Kilometer entfernte Louisiana gebracht. Es stellte sich heraus, dass es sich „lediglich“ um eine Verhaftung handelte. Der Grund für ihre Verhaftung? Ein kritischer Meinungsartikel, den sie in der Campuszeitung The Tufts Daily verfasst hatte. Darin kritisierte sie die Haltung der Universität zu Israel. Die US-Behörden warfen Öztürk vor, die Terrororganisation Hamas zu unterstützen – ein Vorwurf, der auf keinerlei Beweise gestützt war. Sie war sechs Wochen inhaftiert, ohne Anklage.
Der Fall Öztürk ist kein Einzelfall. Er steht exemplarisch für eine Entwicklung in den USA, in der Meinungsfreiheit zunehmend unter Druck gerät. Kritische Äußerungen können zu Repressalien führen. Eine Entwicklung, die bis vor Kurzem kaum vorstellbar schien. Wie konnte es in einer Demokratie mit Gewaltenteilung so weit kommen?
Video der Festnahme von Rümeysa Öztürk. Quelle: AssociatedPress
Donald Trump ist seit knapp 140 Tagen zurück im Amt und schon jetzt wirkt seine zweite Amtszeit wie eine Radikalisierung seiner ersten. Seine politische Agenda verfolgt er konsequenter und zielgerichteter, strukturiert den Staat umfassend um und agiert schneller und entschlossener. Der schwedische Politikwissenschaftler Staffan Lindberg, Direktor des V-Dem-Instituts, sieht im Gespräch mit Nieuwsuur Parallelen zu anderen autoritären Ländern weltweit: „Trump hat es in seinen ersten 100 Tagen geschafft, der amerikanischen Demokratie fast genauso viel Schaden zuzufügen, wie Modi in Indien in zehn Jahren, Erdoğan in der Türkei in acht oder Orbán in Ungarn in etwa acht, neun Jahren. Es geht alles unglaublich schnell.“
Trumps Ziel scheint es zu sein, die demokratischen Institutionen der USA gezielt zu schwächen und das Project 2025 systematisch umzusetzen. Laut einer Umfrage von Bright Line Watch sieht die Mehrheit der 520 Befragten Politikwissenschaftler die US-Demokratie ernsthaft in Gefahr. Bereits in den ersten 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit unterzeichnete Trump mehr als 140 Dekrete (präsidiale Anordnungen). „Kein anderer Präsident hat es in diesem Ausmaß getan. Und dafür waren die Dekrete nie gedacht“, warnt US-Richterin Rebecca Simmons gegenüber medienMittweida. Laut dem Reiss Center on Law and Security an der New York University School of Law wird etwa ein Drittel dieser Dekrete juristisch angefochten, viele Verfahren laufen noch, die Gerichte werden damit überflutet. Viele dieser Anordnungen betreffen die Meinungs- und Pressefreiheit. „Wenn man die Widerstandsfähigkeit unserer Demokratie abbauen will, startet man mit der Pressefreiheit. Denn ohne sie gibt es keine Demokratie“, so Clayton Weimers Direktor von Reporter ohne Grenzen in den USA dem WDR gegenüber. Schon in Trumps erster Amtszeit attackierte er gezielt die Meinungsvielfalt in den USA. Medien bezeichnete er als „Fake News“, „korrupt“, „illegal“ und diffamierte einzelne Journalisten. Doch in seiner zweiten Amtszeit geht er noch viel weiter.
Auf welche Weise geht Trump gegen die Medien vor?
Die Finanzierung öffentlicher Sender wie PBS und NPR wurde gestrichen, da sie „linke, woke Propaganda“ verbreiteten würde. Die Corporation for Public Broadcasting erhielt die Anweisung, alle Förderungen einzustellen. Auch große Medien wie die Associated Press wurden sanktioniert: Ihr wurde der Zugang zum Weißen Haus verweigert, weil sie den „Golf von Mexiko“ nicht als „Golf von Amerika“ bezeichneten. Obwohl ein Bundesrichter dieses Vorgehen für verfassungswidrig erklärte, ignoriert das Weiße Haus das Urteil und änderte die Regeln für die Presseakkreditierung. Statt der Reportervereinigung des Weißen Hauses (WHCA), entscheidet nun Trump, wer berichten darf.
Zudem wird es für Whistleblower zunehmend schwieriger, sich an Journalisten zu wenden, da Journalisten ihre Quellen nicht mehr bei Gerichtsbeschlüssen geheim halten können. Auch internationale Medien wie Voice of America und Radio Free Europe mussten massive Kürzungen hinnehmen, dabei wurden über 1.000 Arbeitsplätze gestrichen. In vielen Regionen, die keinen Zugang zu freier Presse haben, fehlt infolgedessen unabhängige Berichterstattung.
Viele Dinge, die Trump aus Vergeltung tut, zum Beispiel bestimmte Presseagenturen daran zu hindern, über ihn zu berichten, oder zu versuchen, Hochschulen und Universitäten einzuschränken, das sind alles Angriffe auf den ersten Verfassungszusatz. Und er mag einfach keine Menschen, die nicht seiner Meinung sind. Und er mag keinen Widerspruch.
Und wie wendet er sich gegen die Wissenschaft?
Parallel zu diesem Angriff auf die Presse geraten nun auch Universitäten zunehmend unter Druck. Die Trump-Regierung hat mehreren Universitäten die Fördermittel gestrichen, denen sie eine zu liberale Ausrichtung vorwirft. So wurde der Universität Harvard Milliarden an Fördergeldern unter dem Vorwurf, sie unterstütze „woke Ideologien“ entzogen. Da sich die Universität gegen die Regierung wehrt, geht Trump inzwischen noch einen Schritt weiter und untersagt Harvard die Aufnahme von internationalen Studierenden. Bereits eingeschriebene Studierende sollen die Universität wechseln. Ansonsten droht der Entzug der Aufenthaltsgenehmigung.
Auch die Wissenschaft gerät unter politischen Einfluss. Besonders betroffen sind die Klimaforschung, die Gesundheitswissenschaften und Forschungsbereiche zur Diversität. Ein gravierendes Beispiel ist die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die über 100 Stellen streichen musste. Dies beeinträchtigt die Prognosefähigkeit für Hurrikans und andere extreme Wetterereignisse erheblich. Hinzu kommt eine, von der Regierung veröffentlichte Liste mit über 200 verbotenen Begriffen. Wer diese Wörter verwendet, riskiert den Entzug von Fördergeldern oder ein Arbeitsverbot – darunter auch das Wort „Frau“. Die Forscherin Daniella Fodera kritisiert im Gespräch mit der ARD: „Es macht es schwer Fördergelder für Gebärmutterforschung zu beantragen, wenn man das Wort Frau nicht benutzen darf“. Auf vielen Regierungswebsites sind bereits diese Begriffe entfernt, was eine Form von Selbstzensur darstellt.
Laut einer Analyse der New York Times wurden auf etwa 250 Webseiten bereits Begriffe entfernt oder verändert. Im Folgenden sind die Begriffe aufgelistet.

Liste der 250 verbotenen Wörter erstellt von der New York Times. Quelle: New York Times
Welche Folgen hat das?
Kritiker sprechen von gezielter Zensur und einem Angriff auf die demokratischen Grundpfeiler der Gesellschaft. „So etwas hatten wir noch nie – jedenfalls nicht in diesem Ausmaß. Wenn Anwälte angegriffen werden, weil sie Mandanten verteidigen oder Dinge sagen, die der Regierung nicht gefallen, ist das ein klarer Eingriff in die Meinungsfreiheit. Und wir, meine Kollegen erkennen das und sind sehr besorgt darüber“, mahnt US-Richterin Rebecca Simmons gegenüber medienMittweida. Die Organisation Reporter ohne Grenzen stufte die USA im Jahr 2025 auf Platz 57 des World Press Freedom Index ein – zwei Plätze schlechter als im Vorjahr. Dabei basiert die Bewertung größtenteils auf Entwicklungen im Jahr 2024. Die Pressefreiheit hat unter der erneuten Präsidentschaft von Donald Trump sich verschlechtert. Immer mehr Forscher verlassen bereits jetzt das Land, da ihre Arbeit zunehmend durch politische Eingriffe und fehlende Freiheit eingeschränkt wird.
Warum es auch Deutschland betrifft
Da die deutsche Medienlandschaft auf Nachrichtenagenturen wie die Associated Press angewiesen ist, zeigen die jüngsten Entwicklungen auch Auswirkungen hier zu Lande. Insbesondere, wenn keine eigenen Korrespondenten vor Ort sind. Selbst die internationale Forschung, die in vielen Bereichen auf US-Daten angewiesen ist, könnte durch die politischen Veränderungen in den USA betroffen sein. Beispielsweise entfernt die US-Regierung wichtige Klimadaten von Webseiten, was globale Folgen hat. Die Daten der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) dienen beispielsweise auch „einem besseren Verständnis von El Niño/La Niña-Ereignissen, Tornados, Hurrikanen oder der Ausbreitung von Luftschadstoffen. Fehlende Daten führen zu ungenauen Klimamodellen und einem Verlust an Frühwarnkapazitäten“, so Alfred-Wegener-Institut-Pressesprecher Roland Koch gegenüber dem MDR.
Das Gesundheitswesen ist ebenfalls betroffen, da die US-amerikanische Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und andere Institutionen, wie PubMed, wichtige Daten und Richtlinien gelöscht haben. Mitte März wurden Behandlungsrichtlinien für sexuell übertragbare Krankheiten gelöscht. Obwohl einige Daten zurückgekehrt sind, fehlen noch immer Informationen zu MPox (ehemals Affenpocken), von denen besonders homosexuelle Männer und Transmenschen betroffen sind. „Solche Zensur führt zu schlechteren Behandlungen und vermeidbarem Leid, auch in Deutschland“, warnt Infektiologe Leif Erik Sander dem ARD gegenüber. Bereits jetzt schon werden in Deutschland im Bereich Klima und Gesundheit Daten abgespeichert, um den aktuellen Stand zu erhalten.
Zudem sind viele Forschungsprojekte an Universitäten in Deutschland auf US-Finanzierung angewiesen, vor allem in den Bereichen Klima und Gesundheit. Mindestens 75 solcher Forschungsprojekte gibt es bundesweit. „Forschungsprojekte würden nach einem Stopp sicher nicht neu begonnen werden.“, erklärt Thomas Gudermann, Dekan der Medizinischen Fakultät an der Ludwig-Maximilian-Universität dem ARD. Auch US-Sponsoren, unter anderem beim Berliner CSD, ziehen sich zurück, da der Druck der US-Regierung auf Unternehmen wächst, sich nicht länger für Diversität zu engagieren. Solche weitreichenden Auswirkungen werfen die Frage auf, wie ein Präsident so viel Macht, nicht nur in seinem Land, sondern auch global ausüben kann. Besonders, wenn es um Grundrechte, wie die Meinungsfreiheit geht.
Wie kann ein Präsident so viel Macht haben?
Trotz der im ersten Zusatzartikel der US-Verfassung garantierten Rechte, wie Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit, greift Donald Trump massiv in diese Grundrechte ein. Bereits in den ersten vier Monaten seiner zweiten Amtszeit regiert er weitgehend per Dekret, den sogenannten Executive Orders und versucht, die gesamte Macht auf sich zu konzentrieren. Executive Orders sind vom Präsidenten verbindliche Anordnungen. Sie können bestehende Gesetze präzisieren und weiterentwickeln oder auch den nationalen Notstand anordnen. Im Gegensatz zu Gesetzen müssen Dekrete nicht den üblichen Gesetzgebungsprozess im US-Kongress durchlaufen. Der Kongress kann ein Dekret durch ein neues Gesetz aufheben oder seine Umsetzung durch die Verweigerung finanzieller Mittel blockieren. „Das Problem ist, dass die Republikaner beide Kammern sowohl das Repräsentantenhaus als auch den Senat des Kongresses kontrollieren und deshalb beschwert sich niemand. Sie haben ihre Macht einfach abgegeben. Und genau das macht die Situation so ungewöhnlich“, erklärt US-Richterin Rebecca Simmons gegenüber medienMittweida.
Was ist Project 2025?
Project 2025 ist ein Strategiepapier der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation mit dem Titel „Mandate for Leadership: The Conservative Promise“ („Mandat zur Führung: Das konservative Versprechen“) und umfasst über 900 Seiten. Es beschreibt detailliert, wie eine republikanische Regierung in den ersten 180 Tagen ihrer Amtszeit tiefgreifende Veränderungen im politischen System und in der Bundesverwaltung der USA durchsetzen kann. Zu den zentralen Zielen gehören:
- die Schwächung der US-Bundesinstitutionen,
- die Ausweitung der Macht des Präsidenten,
- der Abbau der Bundesverwaltung („deep state“),
- eine massive Deregulierung,
- ein harter Kurs in der Migrationspolitik mit Massendeportationen,
- sowie die Abschaffung von Diversitäts-, Gleichstellungs- und Inklusionsprogrammen.
Kritiker sehen in dem Plan den Versuch, die US-Demokratie zu untergraben, einen autokratischen oder gar faschistischen Staat aufzubauen, die Macht im Weißen Haus zu zentralisieren und liberale Errungenschaften rückgängig zu machen. Donald Trump hat sich zwar öffentlich mehrfach von Project 2025 distanziert, doch viele der darin enthaltenen Vorschläge entsprechen auffallend genau seiner politischen Agenda.
Eine Analyse des US-Magazins Time zeigt, dass fast zwei Drittel der Dekrete direkt oder indirekt auf den rechtskonservativen Masterplan Project 2025 zurückgehen – 42 Prozent davon wurden bereits umgesetzt. Die PressefreiheitBetroffen ist auch . Laut Project 2025 soll die Medienlandschaft „entpolitisiert“ werden, der Zugang zum Weißen Haus sei kein Recht, sondern ein „privilegiertes Angebot“. Die Regierung dürfe „definieren, was legitimer Journalismus ist“. Außerdem sieht das Strategiepapier vor, die Mainstream-Medien so zu steuern, dass sie die Agenda des Präsidenten „effektiv und präzise“ übermitteln. Sowie die United States Agency for Global Media (USAGM) müsse sie „von oben bis unten reformiert“ oder ihre Zulassung „entzogen und sie aufgelöst“ werden. Genau das versucht Trump auch in seinen Dekreten. Dafür nutzt er die staatliche Medienaufsicht FCC (Federal Communications Commission), an deren Spitze er unmittelbar nach Amtsantritt Brendan Carr eingesetzt hat – Co-Autor des Project 2025. Carr geht mit Härte gegen kritische Sender vor, etwa gegen ABC, CNN und MSNBC.

Project 2025 Tracker zeigt, welche und wie viele Dekrete bereits umgesetzt wurden. Quelle: Project 2025 Tracker
Sind Gerichte die letzte Instanz?
Angesichts des zunehmenden Machtmissbrauchs durch präsidiale Dekrete bleiben nur noch die Gerichte als „letzte Instanz“ der US-Verfassung, weist Richterin Rebecca Simmons hin. Zwar können Gerichte Dekrete auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen und sie per Urteil oder einstweiliger Verfügung stoppen. Doch auch die Justiz gerät zunehmend unter Druck. Die Trump-Administration ignoriert teils gerichtliche Entscheidungen oder verzögert deren Umsetzung durch Berufungen. Momentan laufen mehr als 120 Verfahren. Die Justiz verfügt über keine eigenen Mittel zur Durchsetzung ihrer Entscheidungen. Sie ist auf die Akzeptanz und das rechtsstaatliche Handeln der Exekutive angewiesen. „Wenn Präsident Trump sich offen weigert, einer Anordnung oder Entscheidung des Supreme Court zu folgen, dann wird es eine Verfassungskrise geben“, warnt Simmons gegenüber medienMittweida. „Viele Menschen glauben, dass sie bereits begonnen hat und andere meinen, man müsse erst abwarten, bis eine Anordnung des Supreme Court eindeutig missachtet wird.“ Kulturhistoriker Michael Hochgeschwender erklärt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk: „Trump hat durch den massiven Einsatz von Dekreten bereits die Stellung des Parlaments untergraben. Sollte es ihm gelingen, auch die Unabhängigkeit der Justiz auszuhebeln, wäre das der direkte Weg in ein autoritäres Regime.“
Die aktuelle Entwicklung deutet darauf hin, dass sich die Einschätzung von Michael Hochgeschwender bewahrheiten könnte. Am 22. Mai 2025 verabschiedete das Repräsentantenhaus mit knapper Mehrheit, 215 zu 214 Stimmen, den Gesetzentwurf „One Big Beautiful Bill Act“, eine weitreichende Haushaltsvorlage. Sie sieht unter anderem Steuersenkungen, Kürzungen bei Sozialleistungen sowie Maßnahmen zu Migration, Gesundheit und Waffenrecht vor. Aber auch, dass es Bundesgerichten verbieten würde, einstweilige Verfügungen gegen die Regierung durchzusetzen. Kritiker warnen: Damit würden Gerichte praktisch entmachtet werden. Ein verfassungswidriges Regierungshandeln ließe sich kaum noch stoppen. Robert Reich, Professor für öffentliche Ordnung an der University of California, Berkeley, schreibt in einem Substack-Beitrag, das Gesetz mache Trump „zum König“, da weder Kongress noch Gerichte ihn kontrollieren könnten. Der Gesetzentwurf weist Parallelen zum Strategiepapier Project 2025 auf, welches eine stärkere Kontrolle über Justiz und eine Entmachtung unabhängiger Richter fordert. Noch steht die Entscheidung des Senats aus. Die republikanische Führung strebt an, das Gesetzgebungsverfahren bis zum 4. Juli 2025 abzuschließen. Innerhalb der Partei gab es zwar vereinzelt Kritik, jedoch nur an den Sozialkürzungen und Steuerplänen, nicht an der Schwächung der Justiz.
Was bleibt noch?
In den USA wächst die Unzufriedenheit spürbar. Immer wieder kommt es zu Demonstrationen gegen die Regierungspolitik – es gab bereits zwei landesweite Proteste. Auf den Schildern der Demonstrierenden stehen Slogans wie „Nicht mein Präsident!“, „Hört auf, Amerika zu zerstören“ oder „Schande über Trump“. Dennoch bleibt der Protest auf den Straßen bislang vergleichsweise gering. Ein Grund ist die Angst vor Konsequenzen. Rebecca Simmons erklärt sich das vor allem mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage. „Solange die wirtschaftliche Situation noch stabil bleibt, geht die gesellschaftliche Mitte kaum auf die Straße“, sagt sie. „Erst wenn sich die ökonomischen Verhältnisse spürbar verschlechtern, dürfte auch der Widerstand aus der breiten Bevölkerung zunehmen.“
Interaktive Grafik (Wie beliebt ist Donald Trump in den USA?). Quelle: Janson, M. (29. April, 2025) von statista.de
Gleichzeitig geraten auch Einzelfälle immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Mittlerweile ist die Studentin Rümeysa Öztürk seit dem 9. Mai 2025 zwar aus der US-Abschiebehaft entlassen worden – nach sechs Wochen. Jedoch ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Ihr Fall wird weiterhin vor Gericht verhandelt. Aber nicht jeder Fall endet so „glimpflich“. Im Fall von Kilmar Ábrego García, ist zu befürchten, dass er das Gefängnis in El Salvador nicht mehr verlassen wird. García stammt ursprünglich aus El Salvador und wurde trotz gewährten Schutz Mitte März aufgrund unbegründeter Vorwürfe der Bandenkriminalität von den USA abgeschoben. Mehrere Gerichte unter Trumps Regierung erklärten die Abschiebung für rechtswidrig. Eine Bundesrichterin ordnete an, dass die Regierung García zurückholen müsse. Der Oberste Gerichtshof der USA hat geurteilt, dass man nicht einfach Menschen festnehmen und ohne Anhörung in den USA in ein Gefängnis nach El Salvador bringen darf. „Das hat der Supreme Court entschieden – und eigentlich müsste es auch umgesetzt werden“, sagt Rebecca Simmons gegenüber medienMittweida. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob das tatsächlich geschieht.“
Ein Wendepunkt könnten die kommenden Midterm-Wahlen sein. Sollte sich die wirtschaftliche Lage weiter verschärfen, könnten enttäuschte Wähler ihre Stimme vermehrt den Demokraten oder anderen oppositionellen Kräften geben. „Wenn die Unzufriedenheit wächst, ist es durchaus denkbar, dass das Parlament mit neuer Mehrheit Gesetze beschließt, die die Machtfülle des Präsidenten – etwa durch die Einschränkung von Executive Orders – wieder begrenzen“, so Simmons. „Ich gehe davon aus, dass genau das in naher Zukunft geschehen wird.“
Text, Titelbild, Grafik: Lara Fandrey, YouTube: Associated Press, Foto: New York Times, Project 2025 Tracker
Meinung des Autors
Was wir von Trumps Amerika lernen müssen
Die Entwicklungen in den USA unter Donald Trump zeigen, wie schnell selbst gefestigte Demokratien ins Wanken geraten können – besonders wenn Pressefreiheit, Wissenschaft und Justiz gezielt geschwächt werden. Auch in Deutschland beobachten wir ähnliche Tendenzen. Die AfD lehnt die Grundprinzipien unserer Demokratie ab und wird inzwischen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Trotzdem gewinnt sie weiter an Zustimmung. Bei der letzten Bundestagswahl lag sie bei über 20 Prozent. Die Parallelen zu Trump sind unübersehbar: Beide arbeiten mit Angst, einfachen Feindbildern und dem gezielten Misstrauen gegenüber Institutionen. Trump spricht von „Fake News“ und die AfD von „Lügenpresse“. Beide ignorieren wissenschaftliche Fakten – besonders beim Klimawandel – und schüren Ängste vor Migration. Das „Thüringen-Projekt“ des Verfassungsblogs zeigt, wie autoritär-populistische Parteien wie etwa die AfD schon auf Landesebene demokratische Strukturen unterwandern könnten. Ein Ministerpräsident könnte beispielsweise die Landeszentrale für politische Bildung auflösen, die Medienstaatsverträge kündigen oder führende Beamte wie etwa den Präsidenten der Polizei oder dem Verfassungsschutz ohne Begründung austauschen. Auf Bundesebene hat man immerhin reagiert: Das Bundesverfassungsgericht wurde durch eine Verfassungsreform gestärkt. Auch dass bislang keine Partei mit der AfD koaliert hat, ist ein positives Zeichen – obwohl vor der Bundestagswahl erste Risse in der Brandmauer sichtbar wurden.
Klar ist: Die nächste Bundesregierung muss entschlossen handeln. Es braucht nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung zurück, sondern auch einen Plan, wie wir mit einer Partei umgehen, die die Grundprinzipien unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung ablehnt.