In Tunesien führte eine Revolution via Internet zum Sturz der Regierung. Zuvor arbeiteten und funktionierten laut dem derzeitigen tunesischen Staatssekretär Slim Amamou die klassischen Medien nicht. Dies war auch einer der Gründe, warum er für die Revolution bloggte. Wegen seiner Aktivitäten im Internet wurde er sogar inhaftiert. Nur vier Tage nach seiner Freilassung übernahm er dann das Amt des Staatssekretärs für Jugend und Sport. „Presse, TV und Radio verbreiteten ausschließlich die Propaganda des vorangegangenen Regimes und erfüllten nicht ihre journalistische Aufgabe“, berichtet Amamou im Gespräch mit medienMITTWEIDA. Das Internet sei der einzige Weg gewesen, um Informationen zu verbreiten, Meinung frei zu äußern und eine Revolution anzuregen und voranzutreiben.
Das Versagen der klassischen Medien ist auch Menschenrechtlerin und Journalistin Sihem Bensedrine aufgefallen. „Die Anhänger des alten Regimes dulden kein unabhängiges Medium, dass sich in die bestehende Medienlandschaft einmischt“, erklärt sie medienMITTWEIDA. Sie selbst betreibt ein Internetradio, weil sie immer noch keine Lizenz bekommen hat um auf FM-Frequenzen zu senden. „Wir vermuten, dass Anhänger des alten Regimes dafür verantwortlich sind und versuchen, den Totalitarismus wieder zurückzubringen“, sagt Sihem Bensedrine. Neben ihrer Arbeit als Online-Journalistin ist sie auch ein Gründungsmitglied und Sprecherin des Nationalen Rats für Freiheiten in Tunesien. Als Generalsekretärin der „Beobachter zur Verteidigung der Pressefreiheit“ ist sie ebenfalls tätig.
Blogger können Gesellschaften verändern
Blogs und Soziale Netzwerke werden immer bedeutsamer: „Es sind Kanäle, mit denen man einfacher Mittel und Wege findet, seine Meinung frei zu äußern“, ist der Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“, Christian Rickerts, überzeugt. Generell sei in Ländern, in denen klassische Medien einer relativ starken Kontrolle und Zensur unterliegen, das Internet ein wichtiges Werkzeug.
Auch Friedrich Sauermann, ehemaliger Journalist des NDR, hat eine hohe Achtung vor Bloggern. Sauermann: „Sie haben eine Menge bewirkt und sie werden wahrscheinlich in Zukunft noch viel mehr bewirken, denn die offiziellen Wege der Presse sind ja auch immer interessengebunden.“ Durch die Blogs gäbe es zudem wieder eine ausgewogenere Kommunikation.
Ohne Internet keine Revolution
„Ohne Blogs und Soziale Netzwerke hätte niemand etwas von der Revolution in Tunesien mitbekommen und erst recht hätten sich die Nachrichten nicht im ganzen Land ausbreiten können“, erklärt Amamou. Hätte man diesen journalistischen Meinungsschwarzmarkt nicht etablieren können, wäre es nicht zur Revolution gekommen. Ohnehin ist der jetzige Staatssekretär von den Auswirkungen der Revolution völlig überzeugt. „Die Freiheit der Medien ist jetzt sogar ausgeprägter als in manchen westlichen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland oder Frankreich.“
Nicht ganz so euphorisch betrachtet Sihem Bensedrine die momentane Situation in Tunesien. Nach der Revolution seien zwar viele Kräfte aus dem Untergrund aktiv, die für die Demokratie kämpfen. „Es gibt aber immer noch viele Menschen, die versuchen, die Aktivisten zu stoppen und die Diktatur wieder herzustellen“, gibt sie zu bedenken. „Wir haben zwar eine Revolution, aber der Wandel einer Diktatur in eine Demokratie braucht eine lange Zeit.“