Fatima hat die erste migrantische Radio-Redaktion in Chemnitz gegründet. Mit welchen Hindernissen haben migrantische und behinderte Menschen in der Medienbranche zu kämpfen?
Wie war dein Werdegang in der Medienbranche?
Mein Werdegang in der Medienbranche begann schon sehr früh. In der neunten Klasse musste ich ein Praktikum absolvieren und hatte keinen Bock auf einen klassischen nine-to-five Bürojob. Dabei habe ich mir überlegt, was meine eigenen Stärken sind, und das ist insbesondere das Reden. (lacht) Radio T hat damals keine Praktika für Schüler:innen angeboten, weshalb ich zu einem sächsischen Internetradio gegangen bin. Sie haben damals eine eigene Jugendredaktion aufgebaut und haben mich gefragt, ob ich daran mitwirken will. Daran habe ich mich dann von der neunten Klasse bis zu meinem ersten Ausbildungsjahr als Redakteurin beteiligt. Danach habe ich erstmals pausiert, weil alle zu mir meinten, dass es keine Zukunft hat. Vor allem als migrantische Frau im Rollstuhl zu versuchen, Journalistin zu werden. Deshalb habe ich eine Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert und abgeschlossen, weil alle meinten, dass es besser zu mir passt. Die drei Jahre Ausbildung haben mir gar nicht gefallen und ich wusste, dass es nicht mein Weg ist. Danach habe ich mich dann für Medienmanagement an der Hochschule Mittweida eingeschrieben. Die Corona-Pandemie war ein Schlüsselpunkt für mich. Ich absolvierte in den Semesterferien ein einmonatiges Praktikum bei Radio T und durch die Corona-Pandemie blieb die Hochschule geschlossen. So blieb ich bei Radio T und verlängerte Monat für Monat mein Praktikum. Am Ende habe ich mich dann für das Radio entschieden, weil ich dort das tun konnte was mir Freude bereitet hat.
Wieso hast du dich für das Radio als dein Medium entschieden?
Auch wenn es mir manche nicht glauben, gefällt es mir nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Radio gibt dir eine gewisse Anonymität und du kannst aufgrund deines Aussehens nicht verurteilt werden. Diese Anonymität hat mir gerade am Anfang die Sicherheit gegeben, diesen Weg zu gehen. Ich habe früher auch gerne Texte geschrieben, zum Beispiel während meines Studiums bei medienMITTWEIDA. Aber am Ende wollte ich mich eher auf Radio T und SpeakLout konzentrieren.
Welche Probleme gibt es denn für migrantische Personen in der Medienwelt?
Es gibt leider einige Probleme. Vor allem wird zu viel über migrantische Menschen anstatt mit ihnen gesprochen. Wenn dann Journalist:innen mal mit Migrant:innen sprechen, dann sollten sie meist stellvertretend für alle Migrant:innen sprechen. Man sieht die Menschen nicht als Individuum an. Natürlich haben Menschen, die ähnlich sozialisiert worden sind, viele Gemeinsamkeiten. Aber selbst ich als Migrantin habe einen ganz anderen Bezug zu Migration als jemand, der hier her bewusst geflüchtet ist. Meine Eltern brachten mich mit drei Jahren nach Deutschland, das heißt ich wurde hier sozialisiert und habe darauf eine ganz andere Perspektive. Zusätzlich findet natürlich auch eine Polarisierung statt. Es gibt nur die guten und die bösen Ausländer. Aktuell sieht man das daran, wie Ukrainer:innen als Geflüchtete behandelt werden im Gegensatz zu Migrant:innen aus Nordafrika oder Afghanistan.
Wie entstand die Idee einer eigenen migrantischen Redaktion?
Ich war damals ehrenamtlich bei Radio T aktiv und habe mich immer wieder mit einer Kollegin und Freundin darüber unterhalten, dass ich die einzige migrantische und behinderte Person im Radio gewesen bin. Deshalb habe ich mir immer gewünscht, dass sich mehr migrantische Personen einbringen und ihre Perspektive teilen. Eines Tages hat mich dann meine Freundin aufgeregt angerufen und wollte mich unbedingt in der Redaktion sprechen. Sie hat mir dann vorgeschlagen, eine migrantische Redaktion aufzubauen. Tatsächlich war sie diejenige, die mir den Stups gegeben hat. Ich war sofort Feuer und Flamme für die Idee. Das war circa März 2021. Deswegen habe ich dann im Mai 2021 mein Studium an der Hochschule Mittweida abgebrochen, weil ich unbedingt dieses Projekt aufbauen wollte. Mein Ziel war es, mehr Migrant:innen ins Radio zu bringen. Mein Traum ist es, dass SpeakLout größer wird und wächst.
Wenn du darüber sprichst, dass SpeakLout wachsen soll. Welche Ziele verfolgst du mit der Redaktion?
Mein allergrößter Traum wäre es, dass ich nicht nur die erste migrantische Redaktion in Chemnitz aufbaue, sondern das erste migrantische Radio in Chemnitz aufbaue. Ich bin unter anderem auch noch an einem anderen Projekt namens „Chemnitz Untold“ beteiligt, welches das Leben von migrantischen Menschen in Chemnitz erzählen soll. Darüber habe ich eine Person kennengelernt, die gern einen Podcast produzieren würde oder Musiker:innen, die gerne ihre Musik präsentieren würden. All diese Personen, Geschichten und Ideen würde ich sehr gerne in einem eigenen migrantischen Radio vereinen wollen. Aber die nächsten Schritte sind erstmal, die Redaktion bei Radio
T zu stabilisieren und neue Leute zu gewinnen. Momentan sind wir sechs Leute in der Redaktion. Die letzten Jahre habe ich gelernt, dass Geduld die wichtigste Zutat ist. Wir wollen uns erstmal einen Namen machen und aus den Babyschuhen heraus, bevor wir an die nächsten Schritte denken.
Welche Angebote bietet ihr als Redaktion an?
Wir senden einmal im Monat, am zweiten Montag des Monats von 20:00 bis 21:00 Uhr. Dabei behandeln wir verschiedene Themen und erarbeiten Berichte zum Beispiel über den internationalen Tag gegen Rassismus oder die Hanau-Kundgebung in Chemnitz. Bei unserer nächsten Sendung am 08. Juni wird es ein Gespräch mit einer Vertreterin der Stadt Chemnitz geben, um darüber zu sprechen, welche Verbesserungen migrantische Personen von der Kulturhauptstadt 2025 zu erwarten haben.
Welche Unterstützung würdet ihr euch wünschen?
Vor allem wünschen wir uns finanzielle Unterstützung, damit die Arbeit nicht komplett unbezahlt bleibt. Natürlich mache ich die Arbeit aus Leidenschaft und Liebe, aber von Luft und Liebe kann man nun mal nicht leben. Bei Förderung werden migrantische Menschen und Projekte oft nicht mitgedacht oder beachtet. Migrant:innen sind ein großer Teil der Stadtgesellschaft in Chemnitz. Wieso bedenkt man diese Menschen dann nicht mit? Wieso werden wir dabei nicht mit einbezogen? Wir brauchen oft nur etwas Starthilfe, Räume und Flächen, um uns zu zeigen. Wenn migrantische Menschen unabhängig sein sollen, dann muss auch der Rahmen geschaffen werden, wo wir autonom arbeiten können.
Wie denkst du, wird sich die Kulturhauptstadt 2025 darauf auswirken?
Ich kann nur ehrlich sein und sagen, dass ich hoffe, dass sich durch die Kulturhauptstadt Dinge verändern. Es sind viele Voraussetzungen da, aber das Potenzial muss ausgeschöpft werden. Deshalb sitze ich in der Jury für die Mikroprojekte, um migrantischen Projekte und Ideen eine Stimme zu geben. Mein bisheriges Gefühl sagt mir aber eher, dass die Kulturhauptstadt eher für die privilegierte, weiße Mittelschicht gedacht ist. Viele Verfahren sind leider zu Intransparenz und nicht niedrigschwellig. Selbst aktiven Kulturschaffenden fällt die Bewerbung auf Förderungen nicht leicht. Wie sollen es dann emigrierte Menschen bewältigen, die nicht Deutsch als Muttersprache sprechen? Die Stadt Chemnitz ist bemüht, aber sind zu bürokratisch in ihrem Denken.
Du hast nun viele Jahre Erfahrungen in der Medienbranche gesammelt. Was würdest du anderen migrantischen Personen empfehlen, die einen ähnlichen Werdegang gehen wollen?
Ruft mich an! (lacht). Mir hat mein Sturkopf sehr geholfen. Egal, wie viele Menschen euch sagen, dass ihr dies oder das nicht könnt, geht euren Weg, wenn es eure Leidenschaft ist. Bleibt hartnäckig und sucht euch Verbündete, die ähnliche Ziele haben, wie ihr. Ich habe das Radio T erst nach 20 Jahren in Chemnitz entdeckt, aber dafür zur richtigen Zeit. Wenn man mir vor zehn Jahren gesagt hätte, dass ich mal eine eigene migrantische Redaktion leite, hätte ich die Person ausgelacht. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich damals bei der Jobberatung saß und sie mir nicht mal mein Abitur zugetraut haben. Später haben sie gesagt, dass ich keine Journalistin werden kann, weil ich im Rollstuhl sitze.
Text & Titelbild: Emin Aiche