Antonia Damisch ist 20 Jahre alt und studiert Forensik an der Hochschule Mittweida. Seit ihrer frühesten Kindheit schlägt ihr Herz für den Schwimmsport. Als ehemalige Schülerin eines Sportinternats gehören Wettkämpfe zu ihrem Alltag. Im vergangenen Jahr hat sich die Vogtländerin jedoch einem Wettkampf der etwas anderen Art gestellt. Sie entschied sich für die Teilnahme an Deutschlands größtem Schönheitswettbewerb, der Miss Germany Wahl. Was sie dazu bewegt hat und wie so eine „moderne“ Miss-Wahl abläuft, erzählt sie im Interview mit medienMITTWEIDA. Mehr als einmal kommt dabei die Frage auf, ob das Konzept wirklich so modern ist, wie die Veranstalter es gerne wirken lassen wollen.
Antonia, wie kam es dazu, dass du dich entschieden hast, bei der Miss Germany Wahl teilzunehmen?
Antonia: Ich wusste zwar schon vorher, dass es diese Wahl gibt, aber so richtig darauf aufmerksam geworden bin ich erst durch eine Instagram Werbung im Sommer 2020. Daraufhin habe ich mich beworben mit dem Gedanken: „Mal schauen, was passiert.“ Vorerst habe ich auch niemandem davon erzählt.
Wie lief die Anmeldung ab?
Antonia: Zunächst wurden natürlich allgemeine Daten abgefragt, aber man musste auch drei bis vier Fragen umfangreicher beantworten. Das waren sehr persönliche Fragen wie: „Worauf bist du besonders stolz in deinem Leben?“ Ich glaube, man konnte auch Bilder oder Videos mitschicken, wenn man wollte.
Wie ist die Wahl dann weiter abgelaufen? Was ist dir dabei besonders in Erinnerung geblieben?
Antonia: Nach der Anmeldung wurden die Top zehn aus jedem Bundesland von der Jury ausgewählt. Diese 160 Mädels wurden dann Anfang September für einen Tag nach Hamburg eingeladen. Dort haben wir einander kennengelernt und Inhalte für die Kooperationspartner der Miss Germany produziert. Dazu gehörten beispielsweise ein Videodreh für Tamaris und ein Fotoshooting für C&A. Anschließend standen die Online-Votings an. In dieser Runde konnte die Community abstimmen und die ersten drei mit den meisten Stimmen kamen weiter sowie zwei weitere Mädels, die von der Jury eine Wildcard bekommen haben. Da war ich dann unter den Top fünf aus Sachsen, das war schon ein gutes Gefühl. Und danach gab es noch eine Online-Challenge. Dabei haben wir ein Template für die Instagram-Story bekommen, in der wir uns vorstellen sollten. Dann war nur noch warten angesagt, bis die Jury die Top zwei aus jedem Bundesland ausgewählt hatte. Da war ich dann leider nicht mehr dabei. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Tag in Hamburg, da ich dort mein erstes professionelles Fotoshooting hatte, das war schon cool.
Antonia teilte dieses Template mit ihrer Instagram-Community. Foto: Antonia Damisch
War es für dich sehr schlimm, aus dem Wettbewerb auszuscheiden?
Antonia: Im ersten Moment war es schon schade. Niemand verliert gerne, aber letztendlich war ich ganz froh, da die weiteren Veranstaltungen in die Prüfungsphase im Februar gefallen wären. So konnte ich mich auf mein Studium konzentrieren.
Miss Germany präsentiert sich seit 2019 in einem neuen Licht und legt den Fokus auf Persönlichkeit. Hast du diese große Veränderung auch wahrgenommen oder müssen die Teilnehmerinnen immer noch schön sein, nur diesmal bitte mit einer besonderen Lebensgeschichte?
Antonia: Ich glaube schon, dass sich etwas geändert hat. Früher standen die Maße der Frauen noch viel mehr im Vordergrund. Das ist jetzt anders. Diesmal ist ja auch ein Plus Size Model in die Endrunde gekommen – ich denke nicht, dass das früher überhaupt denkbar gewesen wäre. Die Teilnehmerinnen sind aber natürlich immer noch schön und werden herausgeputzt. Aber diese Mädels sind nicht mehr zwingend Laufsteg-Schönheiten mit tollen Gesichtern und langen Haaren. Sie sind zwar auch alle schön, aber individueller als früher, denke ich.
Was zeichnet die diesjährigen Teilnehmerinnen für dich aus?
Antonia: Ich glaube, dass vor allem Frauen teilnehmen, die eine wichtige Botschaft haben und diese verbreiten wollen. Die Themen dieser Botschaften reichen von Traumaverarbeitung über Body Positivity bis hin zur Forschung. Manche machen vermutlich auch nur aus Neugierde mit.
Hättest du dich selbst auch bei dem traditionellen Wettbewerbskonzept beworben?
Antonia: Ich glaube nicht, weil ich mich selbst nie dort gesehen hätte. Ich entspreche ja auch nicht diesem klassischen 08/15 Schönheitsideal. Damals sahen sich die Teilnehmerinnen schon noch sehr ähnlich. Und ich bin einfach nicht das Laufstegmodel, welches mit ihren 1,75 Meter langen Beinen über die Bühne flitzt (lacht).
Wenn die Persönlichkeit im Fokus stehen soll, welche Bewertungskriterien bestimmen dann letztendlich über Sieg oder Niederlage?
Antonia: Uns wurde nur gesagt, dass ein spezielles Bewertungssystem entwickelt wurde, welches dafür sorgt, dass niemand einen Nachteil hat. Aber wie das genau funktioniert, keine Ahnung. Letztendlich weiß ich auch gar nicht, wie sich die Jury für eine Gewinnerin entscheiden will, die Mädels sind alle so einzigartig, dass das sicherlich schwierig sein wird. Als Teilnehmerin erzeugt das auch einen gewissen Druck, weil man fast schon das Gefühl hat, nicht besonders genug zu sein. Sophie Jones, die Miss Sachsen geworden ist, war früher beispielsweise bei den Zeugen Jehovas und hat eine krasse Geschichte zu erzählen. Da fühlt man sich als „normaler“ Mensch fast schon chancenlos. Außerdem finde ich es schwierig, die Persönlichkeiten von sehr jungen Frauen, wie mir, mit den Lebensgeschichten von Frauen über 30 zu vergleichen. Gewissermaßen fehlen mir da ja bis zu zehn Jahre Lebenserfahrung.
Antonias erstes professionelles Fotoshooting entstand bei der Live Experience in Hamburg. Foto: Antonia Damisch
Würdest du abschließend sagen, dass Sportwettkämpfe mit Schönheitswettbewerben vergleichbar sind?
Antonia: Eigentlich nicht wirklich, bei einem Sportwettkampf liegt es in deiner Hand, wie gut du vorbereitet bist und ob du trainiert hast. Wohingegen es bei einer Schönheitswahl hauptsächlich darauf ankommt, wie dich jemand findet, was ihm an dir gefällt. Oder in diesem Fall: Ob deine Geschichte für die Jury interessant genug ist. Es ist schon sehr subjektiv und man selbst kann es nicht wirklich beeinflussen.
Kommentar des Autors
Hübsch, aber bitte mit schöner Geschichte
„Miss Germany ist Female Empowerment.” Dieser offizielle Slogan ist kurz, prägnant und sexy. Jede junge Frau dürfte sich davon angesprochen fühlen. Die Veranstalter führen die Flut an Bewerbungen auf das neue Konzept zurück, welches 2019 eingeführt wurde. Mich überzeugt diese „Neuerung“ aber noch lange nicht. Von der Homepage des Wettbewerbs strahlen mir 16 Finalistinnen entgegen, individuell ja, keine Frage, aber auch alle bildschön. Es mag sein, dass sie besondere Geschichten zu erzählen haben, Schicksalsschläge bewältigt oder große Herausforderungen gemeistert haben. Aber sie sind alle schön. Was Sinn ergibt, denn an erster Stelle ist die Miss Germany Corporation genau das – ein Unternehmen. Und schöne Menschen lassen sich nun mal in der Werbeindustrie besser verkaufen als solche, die nicht dem Ideal entsprechen. Insbesondere dann, wenn Werbepartner wie Tamaris und C&A den Inhalt für eigene Zwecke verwenden wollen. Aber um up-to-date zu sein, ist Schönheit nicht mehr genug. Jetzt müssen die jungen Frauen immer noch hübsch sein, aber diesmal bitte mit schöner Geschichte. Hat dieses neue Konzept denn wirklich seine Daseinsberechtigung? Legitimiert es tatsächlich die Tatsache, junge Frauen miteinander zu vergleichen und anhand von intransparenten Kriterien zu bewerten? Ich finde nicht. Mal davon abgesehen, dass es schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, Menschen anhand ihrer Persönlichkeit zu bewerten, finde ich es auch absolut unnötig. Meiner Meinung nach gehören diese antiquierten Schönheitswettbewerbe abgeschafft. Neues Konzept hin oder her, die Individualität von Menschen lässt sich nicht fair bewerten.