Mit einem Klick in hundert Ohren

von | 27. Juni 2014

Egal ob Metal, Klassik oder HipHop, das Internet bietet für jeden auch nur erdenklichen Musikgeschmack den passenden Radiosender. Neben den „großen“ Radioanbietern gibt es unabhängige Internetradiosender, die oft von Menschen […]

Egal ob Metal, Klassik oder HipHop, das Internet bietet für jeden auch nur erdenklichen Musikgeschmack den passenden Radiosender. Neben den „großen“ Radioanbietern gibt es unabhängige Internetradiosender, die oft von Menschen ohne jahrelange Technik- oder Rhetorikausbildung betrieben werden. Doch wie funktioniert das Ganze?

Das Angebot ist enorm: Im Jahr 2013 belief sich laut der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien die Zahl der deutschen Internetradio-Angebote auf 2.851. Jedes Jahr wird auf den Lokalfunktagen der Webradiomonitor vorgestellt. Diese Studie wird durch Filterung verschiedener Webradio-Datenbanken und der Befragung von 15 Branchenvertretern ermittelt. Auch die Desk-Recherche, eine Marktübersicht und Informationen über die derzeit vorhandenen Internetradios in Deutschland fließen in die Studie mit ein. Während die Anbieterzahl 2008 noch eine Zuwachsrate von plus 207 Prozent verbuchen konnte, zeigt der aktuelle Webradiomonitor 2013 einen Rückgang um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Eine Ursache hierfür könnten die immer beliebter werdenden Musik-Streaming-Dienste wie „Spotify“ oder „Simfy“ sein. Über die Hälfte der Webradiosender sehen diese Internetseiten als Konkurrenz und befürchten, dass sich dieser Trend negativ auf die Nutzungszahlen für reines Webradio auswirken könnte.

Doch nach wie vor ist das Internet ein attraktiver Sendeplatz. Es bietet großen Radiosender die Möglichkeit, ihre Sendungen in Echtzeit für Menschen auf der ganzen Welt empfangbar zu machen. Hierbei spricht man von UKW-Simulcasting. Hinzu kommen jedoch auch noch sogenannte Online Only-Webradios, welche ausschließlich für das World Wide Web produziert werden und nur im Netz abrufbar sind. Optimistisch stimmt die Webradiomacher das deutliche Wachstum der durchschnittlichen Abrufe eines Webradios pro Tag. Laut dem Webradiomonitor 2013 können Online Only-Webradios im Schnitt pro Tag über 21.000 Abrufe verbuchen. Prognosen gehen von einem Wachstum von plus 57 Prozent aus. Die Abrufdauer der Online-Anbieter wird sich laut dem Webradiomonitor fast verdoppeln. Dies würde bedeuten, dass die Nutzer im Jahr 2015 das Streaming von Online Only-Webradios durchschnittlich 214 Minuten am Stück verwenden.

Online Only-Webradios sind in Deutschland sehr beliebt. Hierzulande machen sie fast 80 Prozent des Internetradio-Angebotes aus. Betrieben werden sie oftmals von ganz normalen Menschen, die sich in ihrer Freizeit für Musik und Technik interessieren. Kann somit heutzutage jeder ein Radio-Betreiber werden? Die Antwort lautet ja, vorausgesetzt man hat einen Internetzugang. Innerhalb von Sekundenbruchteilen findet man im Internet etliche Seiten, auf denen man – zum Teil kostenlos – seinen eigenen kleinen Radiosender basteln kann. Einige Dinge müssen jedoch beachtet werden.

Nichts ist (komplett) umsonst

Als Internetradio-Betreiber hat man verschiedene Möglichkeiten, seinen Sender aufzubauen. Das wichtigste hierbei ist zunächst eine Server-Software. Diese kann sowohl auf dem eigenen PC daheim als auch auf einem fremden Computer installiert werden. Der Server dient so quasi als „Radiostation“. Der Radiomacher sendet sein Signal an den Server, von dem die Hörer wiederum ihren Stream beziehen. Mietet man sich einen Webradio-Server, ist es einfacher, mehr Zuhörer zu erreichen. Jedoch fallen hierbei oftmals Kosten an. Nutzt man zum Beispiel das „Standard Audio-/ Video-Paket“ der Seite „menkiSys Networks“, können bis zu zehn Hörer gleichzeitig erreicht werden, dies kostet allerdings sechs Euro pro Monat.

Um eine Zuhörer-Beschränkung zu umgehen, bietet sich das sogenannte „Peer to Peer“-Prinzip an. Hier leitet ein Hörer das Signal an einen anderen weiter und dieser wieder an den nächsten. So sind die Traffic-Kosten für den Anbieter gering, da nur ein Hörer mit dem Server verbunden ist. Dadurch werden Internetportale wie „Flatcast“ oder „Streamer p2p“ ohne Extras kostenlos.
Eine Webradio-Sendung setzt auch voraus, dass man als Betreiber ein Programm für seine Hörer zusammenstellt. Laut dem Programmchef Jochen Rausch von „1Live“, dem meistgehörtesten Internetradio, erwartet das Publikum auch im Netz „einen erstklassigen Musik-Mix, authentische Menschen am Mikrofon, ein kreatives Programm aus Information und Unterhaltung: Also modernes, qualitativ hochwertiges Radio”.

Der Webradiomonitor 2013 zeigt auf, dass alle Webradios Musik auf ihren Kanälen senden. Hierbei gibt es sowohl Sender, die etwas für jeden Musikgeschmack bieten, als auch Anbieter, die sich auf besondere Genres spezialisiert haben. Oftmals wird hierfür lizenzfreie Musik verwendet. Bei diesen Songs fallen keine Kosten für die GEMA oder die GVL an. Im Netz wird von verschiedenen Seiten eine große Bandbreite an eben solchen Liedern angeboten. Das Portal „Ende TV“ macht sicher jeden Musikliebhaber glücklich: Hier gibt es eine Auswahl, die von Pop über Elektro bis hin zu Orchestermusik geht. Entscheidet man sich als Internetradiobetreiber jedoch beispielsweise dazu, Musik aus den aktuellen Charts zu spielen, muss man hierbei beachten, dass dies nicht kostenlos ist. Bei dieser Nutzung fallen Abgaben für die GEMA und die GVL an, abhängig davon, wie viele Hörer ein Internetradio-Sender hat. Die benötigte Lizenz zum Betrieb eines Webradio-Senders können Interessierte im Internet erwerben. Laut ihrer Internetseite sorgt die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz GEMA, dafür, „dass das geistige Eigentum von Musikschaffenden geschützt, ihre Interessen vertreten und sie für die Nutzung ihrer Werke angemessen entlohnt werden“. Sie vertritt die Rechte der Komponisten, Textschreiber und deren Verleger.

Während den meisten die GEMA ein Begriff ist, ist die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, kurz GVL, eher unbekannt. Sie sorgt für die Vergütung der Künstler und Tonträgerhersteller.  Bei der Berechnung der Lizenzgebühren werden die Einnahmen und zu erwartenden Kosten miteinbezogen. Das benötigte Anmeldeformular findet man auf der Internetseite der GVL. Die Regelvergütung für nichtkommerzielle Webradio-Betreiber beträgt laut dieses Formulars „0,000333 Euro pro Titel und Hörer oder alternativ € 0,0001 pro Minute und Hörer. Soweit sich daraus ein höherer Betrag ergibt, beträgt die Vergütung 7,5 % der Kosten. Die Mindestvergütung beträgt 500 Euro“. Bei kommerzieller Nutzung fallen Kosten von mehreren tausend Euro an.

Musik und Moderation macht die Mischung

Eine Radiosendung nur mit Musik ist sehr schnell eintönig und langweilig. Interessanter wird das Ganze, wenn der Radiomacher aktiv als Moderator oder Sprecher auftritt. Über die Hälfte der Webradios senden in ihrem Programm journalistische Beiträge, 39 Prozent sogar Nachrichten. Diese Beiträge müssen jedoch zunächst einmal aufgenommen werden. Hierbei stellt sich jedoch die Frage: Wer hat zuhause schon ein eigenes Mikrofon stehen? Abhilfe schafft zum Beispiel die Internetseite „1000MIKES – Radio 2.0“. Sie macht es möglich, über das Telefon zu senden. Laut der Bedienungsanleitung ist das Web-Telefon „einem echten Telefon nachempfunden, damit die Bedienung beim Senden über das Internet und per Telefon identisch ist“. Beim Senden mit einem echten Telefon muss eine der 1000MIKES-Einwahlnummern angerufen werden. Durch das Drücken der Sterntaste ist man dann live On Air.

Professioneller wird das Aufnehmen mit einem Mikrofon oder einem Aufnahmegerät. Die Firma „Olympus“ bietet hierfür bestimmte Geräte an, die speziell für Ton- und Musikaufnahmen entwickelt wurden. Preislich gibt es Aufnahmegeräte schon ab ca. 100 Euro, nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Ein Vorteil der Aufnahmegeräte ist, dass Beiträge vor dem Senden noch geschnitten werden können. Schon das bloße Anwesendsein eines Mikrofons oder Aufnahmegerätes verschlägt dem ein oder anderen – vor allem am Anfang – schnell die Sprache, Versprecher sind vorprogrammiert. Um diese aus der Moderation zu schneiden, bieten sich Schnittprogramme an. Das Programm „Audacity“ eignet sich besonders für Einsteiger sehr gut, da es einfach zu bedienen ist und neben der Schnittmöglichkeit auch einige Audioeffekte zur Verfügung stellt. Im Gegensatz zu umfangreicheren Programmen ist es außerdem kostenlos im Netz verfügbar.

Einnahmen haben noch niemandem geschadet

Wie oben aufgeführt, fallen beim Beitreiben eines eigenen Internetradios einige Kosten an. Diese können jedoch (zum Teil) durch das Senden von Werbung abgedeckt werden. Wer Angst hat, dabei über „den Tisch gezogen zu werden“, kann sich an Anbieter wie „Audimark“ wenden. Diese bilden laut ihrer Internetseite die „Schnittstelle zwischen Werbekunde und Radiobetreiber“. Das Ganze hat nicht nur Vorteile für den Radiobetreiber, auch die Werbekunden profitieren davon. Werbeblöcke in Webradio-Sendungen sind deutlich kürzer als solche im klassischen UKW-Radioprogramm. Dadurch erzielen die einzelnen Werbespots deutlich mehr Aufmerksamkeit.

Wie man sieht, ist es gar nicht so schwer, einen eigenen Webradio-Sender zu gründen und zu betreiben. Hat man einen Internetanschluss, ein Mikro oder ein Telefon und zahlt immer schön brav seine GEMA- und GVL-Gebühren, steht einer eigenen Radiosendung nichts im Weg.

Text: Peter Heinz. Grafik: Vanessa Schwaar.

<h3>Peter Heinz</h3>

Peter Heinz

Redakteur