Spätestens nach dem Shitstorm auf die Sparda–Moviestars wissen wir: Selbst gedrehte Recruiting-Videos von Auszubildenden und Praktikanten können dem Ansehen eines Unternehmens schaden. Die Zusammenarbeit zwischen Marketing und einfachen Mitarbeitern kann aber auch positive Effekte haben.
Zwei junge Menschen rappen zwischen Brot- und Wurstregalen. Ein Praktikum bei Edeka scheint sich zu lohnen, denn es ist offensichtlich besonders abwechslungsreich. Die Teenies tanzen sich durch die komplette Supermarktfiliale und alle Mitarbeiter stimmen in die Choreografie mit ein. Diese sonderbare Szene stammt aus einem der zahlreichen Videos mit Praktikanten-Raps, die derzeit im Internet kursieren. Eine hübsche Blondine und ein paar Rapper besingen in einem weiteren Video das Praktikum in der Firmenzentrale eines Automobilherstellers. Selbst ein bekannter Fastfood-Riese fordert in einem überproduzierten, aber nicht besonders guten Musikclip, zum Besuch am Tag der Ausbildung auf.
Auszubildende sind Teil des Entstehungsprozesses
Die Zielgruppe zu Hause vor dem Rechner abzuholen, ist das erklärte Ziel von Recruting-Videos. Über die Suchmaschine finde ich zahlreiche dieser Art schnell unter dem Stichwort „Praktikanten Rap“. Obwohl es auch durchaus gute Beispiele gibt, schaffe ich es als Musikliebhaber beim Anschauen einiger Videos nicht einmal über den ersten Refrain hinaus – Fremdschämen. Da frage ich mich doch, ob Unternehmen ihre Auszubildenden und Praktikanten zur Produktion dieser Videos drängen?
Doch tatsächlich wird hierbei niemand gezwungen – im Gegenteil: Auszubildende und Praktikanten sind Teil des Entstehungsprozesses. Matthias Melcher, einer der Initiatoren des „BMW-Songs“ betonte gegenüber „Personalmarketing2null“ sogar, dass alle Beteiligten riesigen Spaß hatten. „Ob bei der Suche eines Rappers, beim Schreiben des Textes, im Tonstudio oder an den beiden Drehtagen.“
Diese Recruiting-Videos kennt auch Dr. Torsten Ambs, Inhaber der Marketingagentur „Mindstore Marketing“. Auch er hat einen Namen dafür: „Markenaufbau von Innen“, also das Einbinden von Mitarbeitern in Marketingprozesse. „Wichtig ist dabei, dass man nicht von oben herab sagt, ‚Du musst das jetzt tun!‘, sondern, dass hierbei auch wirklich die Interessen des jeweiligen Mitarbeiters berücksichtigt werden und er das Ganze dann mit Spaß und Leidenschaft macht“, erklärt Ambs. So ergebe sich natürlich für die Angestellten ein eigener Antrieb: „Wenn Mitarbeiter mit Leidenschaft bei solchen Kampagnen mitwirken, entwickeln diese eine eigene Dynamik, sodass der Angestellte dann sagen kann: ‚Ich stehe für die Marke, ich stehe für das Unternehmen und meinen Arbeitgeber‘.“ Die ausgefallene Marketingstrategie erzielt also eine gute Außenwirkung, ist billig und macht im besten Fall auch noch allen Beteiligten Spaß.
Protagonisten müssen authentisch sein
Doch Achtung! Es muss authentisch sein und darf auf keinen Fall plump wirken, wie beispielsweise bei den Sparda-Moviestars. „Wenn das so vernichtend ist wie der Shitstorm bei dem Sparda-Video, dann muss man sich wirklich Fragen, ob man so eine Kampagne nochmal in der Form macht“, warnt Marketing-Experte Ambs. Schließlich kann nicht jeder singen oder rappen.
Gerade Hiphop ist nicht jedermanns Geschmack und polarisiert sehr stark. Dessen war sich auch Matthias Melcher, dem Initiator des BMW–Songs, bewusst. „Wir werden auch in Zukunft versuchen, neue Wege zu gehen – egal ob mit einem Musikvideo oder etwas Anderem“, stellt er im Interview mit „personalmarketing2null“ klar. Laut Ambs ist es allerdings klüger, in Zukunft andere Marketingstrategien umzusetzen. „Die Wirkung der Praktikanten-Rap-Videos ist schon längst und auch relativ schnell verpufft“, ist er überzeugt.
Text: Holger Klose. Bild: Jonas Haase, Bearbeitung: Jonas Haase.