Jeder will es, viele haben es, aber keiner spricht darüber: Oft abwertend als Vitamin B oder Vetternwirtschaft bezeichnet, kann ein gutes Netzwerk zum Traumjob verhelfen. Auch in der Medienbranche ist die Jobvergabe über Kontakte beliebt. Hat die klassische Bewerbung ausgedient?
Berufliche Netzwerke sind kein neues Phänomen. Auch lange vor dem Internetzeitalter gab es die sogenannte Mundpropaganda. Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder kannten jemanden, der jemanden kannte, der wiederum dem Suchenden eine Arbeit verschaffen konnte. Heutzutage spielen soziale Netzwerke wie Xing und LinkedIn eine immer größere Rolle bei der Jobsuche. Das Prinzip ist denkbar einfach: Arbeitnehmer legen ein Profil an und vernetzen sich mit ihren beruflichen Kontakten. Über eine Suchfunktion oder Empfehlungen können potentielle Arbeitgeber auf sie aufmerksam werden.
Während diese Netzwerke für alle Branchen offen sind, richtet sich das StartUp „torial“ speziell an Journalisten. Geschäftsführer Marcus Jordan erklärt: „torial will nicht analog bestehende Netzwerke digital abbilden, sondern digitale Dynamik nutzen, damit auch wirklich digital genetzwerkt werden kann. Dadurch, dass Journalisten an einer Stelle ihre thematische Marke und Kompetenz ablegen, entsteht ein Pool aus Experten und Expertise. Der einzelne Journalist kann dann mit denjenigen netzwerken, die er braucht und nicht nur mit denen, die er kennt.“
Finden lassen statt suchen
Einen etwas anderen Ansatz verfolgte Diplom-Medienwirtin Christine Dingler. Sie suchte Anfang 2013 eine neue berufliche Herausforderung. Nachdem der klassische Bewerbungsweg für sie enttäuschend verlaufen war, beschloss sie: „Okay, ich suche an der Stelle, wo ich tatsächlich auch eine Community habe und wo ich nur Unternehmen antreffe, die tatsächlich auch onlineaffin sind, die auch verstanden haben, dass man sich in dem Umfeld bewegen muss.“
Gesagt, getan. Kurzerhand stellte sie ihre Bewerbung auf ihren Blog „Punktefrau“. Zusätzlich informierte sie ihre Kontakte über die Aktion und bat sie, den Link über ihre Social-Media-Kanäle weiterzuverbreiten. Mit Erfolg: „Fünf oder zehn Minuten später hatte ich die ersten Anfragen bei mir im E-Mail-Postfach, das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass das so schnell geht.“ Dingler hat dadurch ihren neuen Job gefunden. Sie kümmert sich nun um die Onlinekommunikation eines Schweizer Unternehmens.
Gerade in der Medienbranche sind gute Kontakte von Vorteil. Freiberuflern und Quereinsteigern, die einen großen Teil der Branche ausmachen, bleibt oft nichts anderes übrig, als auf Kontakte zu bauen. Viele Medienjobs lassen sich sowieso nicht mit einer Stellenanzeige beschreiben – zu schwierig die Definition, zu umfangreich die Anforderungen an den Bewerber. Da vertrauen Personaler lieber auf Empfehlungen. Dingler berichtet: „Im Online-Umfeld ist es nochmal sehr speziell, weil viele der Jobs, die dort vergeben werden, gar nicht öffentlich ausgeschrieben werden.“
Vetternwirtschaft auch bei den Öffentlich-Rechtlichen
Jedoch kann die gut gemeinte Jobvergabe über Kontakte auch nach hinten losgehen. Bestes Beispiel dafür ist die sogenannte „Drehbuch-Affäre“ um die NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, ließ sie den NDR jahrelang Drehbücher ihres Mannes Claus Strobel kaufen und verfilmen. Damit es nicht auffiel, verwendete er das Pseudonym „Niklas Becker“, erfand einen Lebenslauf und trat nicht in Erscheinung, sondern kommunizierte nur über seinen Anwalt. Des Weiteren wurden unter anderem E-Mails gefälscht, die die Existenz der Figur „Niklas Becker“ vortäuschen sollten. Heinze wurde 2012 wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dadurch zeigt sich, dass diese eigentlichen Vorteile durch ein Netzwerk auch ausgenutzt werden können und das Vitamin B zum Verhängnis werden kann.
Ich will netzwerken – aber wie?
Ob und wie effektiv ein Netzwerk bei der Jobsuche ist, hängt letztendlich vom eigenen Engagement ab. „torial“-Geschäftsführer Marcus Jordan rät: „Soziale Netzwerke nicht auf Masse, sondern auf Klasse bedienen – verbindet euch mit Menschen, die sich hier fachlich relevant äußern, die Ideen haben und die gute Beiträge empfehlen.“ Zudem sollten junge Medienmacher ihre Arbeit verschlagworten und somit im Netz auffindbar sein. Das ist wichtig für den speziellen Suchalgorithmus der weltweiten Suchmaschine Google.
Für angehende Journalisten bietet sich das Aufsetzen eines Blogs an. Dingler meint dazu: „Vielleicht liegt einem das Schreiben, dann kann man natürlich schon früh anfangen, sich mit gewissen Thematiken auseinanderzusetzen und sich darüber mit anderen Leuten zu vernetzen, sei es online oder offline.“ Der Aufbau einer Eigenmarke ist wichtig. Denn wie in den meisten anderen Branchen gilt hier: Die Konkurrenz schläft nicht. Wer heute in ist, kann morgen out sein. Jedoch sollte sich niemand nur auf sein Netzwerk verlassen, warnt Jordan: „Das Wichtigste: Inhaltlich brillieren! Wer inspiriert, passioniert, neugierig, technisch sauber, verantwortlich, betroffen und empathisch arbeitet, der wird keine großen Probleme mit dem Aufbau eines Netzwerkes haben.“
Text: Ann-Kathrin Bertenrath. Bild: Lisa Fritsch.