Wer Musik hören will, schaltet das Radio an. Heutzutage gibt es jedoch auch noch „Music-on-Demand“. Denn Onlineanbieter werden immer erfolgreicher mit ihrem personalisierten Angebot. Was bedeutet das für die Zukunft des Musikhörens? Wir wagen einen Ausblick.
Wenn ich nach der Uni allein nach Hause laufe, brauche ich auf jeden Fall Unterhaltung. Dann schalte ich vorzugsweise das Radio am Smartphone an und höre Musik. Allerdings läuft nicht immer die Musik, auf die ich im besagten Moment Lust habe. Heute möchte ich mir den neuen Song der Band „I Come From The Sun“ anhören. Der Haken ist, dass dieses Lied gerade auf keinem Radiosender läuft und die Wahrscheinlichkeit auch sehr gering ist, dass es in der nächsten Zeit gespielt wird.
Online verglichen mit Radio
Musikdienste wie Spotify oder Napster bieten „Music-on-Demand“ an. Den wesentlichen Unterschied zwischen dem Musikprogramm des Radios und dem der Onlineanbieter sieht Radioexperte Frank Wilkat in der Eigeninitiative der Hörer: „Bei ‚Music-on-Demand‘ sagen Sie als User selber, welche Musik Sie persönlich mögen. Trotzdem wird Ihnen das Onlineangebot immer wieder ‚unsinnige‘ Songs vorschlagen, weil es Sie weiter kennenlernen muss. Im Radio haben das andere Hörer bereits für Sie getan.“ Die Eigenleistung des Hörers beim Radio sei also im Vergleich zu denen des Onlineanbietern sehr gering.
Für die Leipziger Rockband „I Come From The Sun“ hat beides – Radio und Online – seine Vor- und Nachteile. Durch die riesige Fülle an Musik im Internet haben es Künstler schwer, sich von der Masse abzuheben. „Es ist heutzutage für eine Band nicht selbstverständlich im Radio gespielt zu werden.“ Durch Onlineanbieter habe die Band die Möglichkeit, ihre Musik einem großen Publikum zur Verfügung zu stellen. „Radio ist effektiv, aber nur regional und zu bestimmten Zeitfenstern“, meint die Band. Auch wenn die Vergütung durch die Onlineanbieter meistens sehr gering ist.
Ist Radio noch notwendig?
Die Onlineanbieter Spotify und Napster sehen beim Radio den lokalen Bezug, die Einbindung von aktuellen Nachrichten und die Leistungen der Moderatoren als dessen ganz besondere Stärke. Diese könne ein Streaming-Dienst nicht anbieten. „‚Music-on-Demand‘ wird das Medium Radio in Zukunft nicht komplett ersetzen, sondern ergänzen“, meint Thorsten Schliesche, Geschäftsführer von Napster Deutschland.
„Spotify verfolgt als Streaming-Service ein völlig anderes Konzept als ein Radiosender. Infolge dessen betrachten wir uns nicht als deren Konkurrent, sondern als Partner der Musikbranche“, erklärt Stefan Zilch, Geschäftsführer von Spotify Deutschland, Österreich und Schweiz. Spotify sei angetreten, eine legale Alternative zur Musikpiraterie zu schaffen. „Als Streaming-Service ermöglichen wir eine ganz neue Art des Musikhörens, die andere Formen nicht verdrängt, sondern ergänzt“, fügt er hinzu.
Auch Schliesche sieht „Music-on-Demand“ schlichtweg als einen weiteren Vertriebskanal für die Musik und zählt sich sogar selber zu den Radiohörern, insbesondere beim Autofahren. „Sowohl Radio, als auch ‚Music-on-Demand‘ erfüllt bestimmte Nutzererwartungen, sodass aus meiner Sicht der Markt groß genug für beide Angebotsformen ist.“ Für Frank Wilkat sind Spotify und ähnliche Anbieter Ergänzungsmedien und somit ein weiterer Weg, Musik zu verwalten und diese bekannt zu machen.
Radio zukünftig
Radioexperte Wilkat wagt sogar einen Blick in die Zukunft: „In der digitalen Welt wird es als nächstes Hybrid-Radio-Programme geben.” Diese Kombination bestehe aus dem klassischen UKW-Radio und den Vorteilen der digitalen Internetwelt. “Stellen Sie es sich so vor: Radio verzichtet im laufenden Live-Programm auf Wetter, Verkehr und Nachrichten, weil diese für Sie aktuell und regional als Audio in einer App zum sofortigen Abrufen bereit liegen.” Bei der Musik drücke der Nutzer auf „überspringen“ statt „umschalten“, wenn ihm der Titel nicht gefällt und das Radio lerne somit den Musikgeschmack des Nutzers kennen. „Ihre Musik kann jederzeit mit dem Live-Programm wieder fließend zusammen geschaltet werden“, erklärt Wilkat.
Währenddessen bin ich schon längst daheim angekommen. In knapp zwanzig Minuten habe ich mir die neusten Nachrichten, Musik und ein Interview angehört und bin jetzt schon ein wenig schlauer. War wohl doch eine gute Idee das Radio anzuschalten. Trotzdem möchte ich mir jetzt endlich das Lied der Band „I Come From The Sun“ anhören. Deswegen schalte ich meinen Laptop an und klicke auf meine Onlineplaylist. Ich bin froh, dass es beides gibt: Radio und „Music-on-Demand“.
Text: Sandra Winnik. Bild: Nancy Matschke