Online-Content-Netzwerk

Nur auf Durchreise

von | 1. Dezember 2023

„funk” schafft für Content-Creator einen guten Start, kann aber meist keine Zukunftsperspektive bieten.

Zu „funk“ gehen viele Content-Creator, aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann sie nicht halten. Einige bekannte Formate verlassen das Netzwerk freiwillig, andere wollen bleiben, müssen aber gehen. Wieso das so ist und welche Erfahrungen Philipp Walulis, Moderator mehrerer Sendungen bei „funk“, gemacht hat, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Was ist „funk”?

funk” ist ein Content-Netzwerk der öffentliche-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF. Im Oktober 2016 nahm es seine Arbeit unter der Leitung des SWR auf. Die Inhalte und Formate werden auf den Plattformen YouTube, Facebook, Instagram, TikTok, Spotify und Snapchat publiziert. Der Fokus liegt darauf zu informieren, Orientierung zu geben und zu unterhalten. Die vielfältigen Formate werden von bereits bekannten, wie “MrWissen2Go”, aber auch von neuen Webvideo-Creatoren produziert. Die Produzierenden erhalten von „funk” für ihre Arbeit ein regelmäßiges Gehalt, völlig unabhängig von Abrufzahlen. Das ermöglicht es vielen kleinen Medienschaffenden, ihre Produktionsqualität zu steigern.

In den vergangenen Monaten verließen immer mehr Creator das Netzwerk „funk„. Teilweise erscheinen Videos, die erklären sollen, wie es zu der Entscheidung kam, wie zum Beispiel bei „Simplicissimus”, „Dinge erklärt – Kurzgesagt” oder „Leeroy Matata”.  Andere verlassen funk” zwar, bleiben aber erhalten, da sie zu anderen Sendern oder Plattformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wechseln.  Wie zum Beispiel das Format „Bohemian Browser Ballet” und „Y-Kollektiv”  in die ARD Mediathek,  „maiLab” zum ZDF oder „GameTwo” zu ZDFneo.
Folgend ein Video vom 22.05.2022 des Kanals „Simplicissimus” in dem sie erklären weshalb sie funk verlassen haben.

Die Zielgruppe

Ein anderer ganz erheblicher Grund, weshalb Formate „funk” verlassen oder eingestellt werden, ist die Zielgruppe. Das ereilte auch die Formate „Walulis Daily” und „Walulis Story”  von Philipp Walulis, welcher mit seinem Team sieben Jahre lang Teil des Netzwerkes war. „´funk´muss laut Vorgaben junge Leute von 14 bis 25 ansprechen und darf da in Bezug auf Alter nicht groß drüberliegen“, sagt Philipp Walulis im Interview mit medienMITTWEIDA. Laut der Website von „funk umfasst die Zielgruppe 14 bis 29 jährige. Das bedeutet für viele Formate, die schon einige Jahre dabei sind, dass sie „funk” gezwungenermaßen verlassen müssen. Zuschauer, die anfangs zur Zielgruppe bestimmter Formate gehörten, sind über die Jahre älter geworden und fallen so aus der Zielgruppe raus. „Unsere Formate hatten am Schluss aber über 70 Prozent Zuschauer in der Altersgruppe 25-39. Die Formate auf Krampf zu verjüngen war keine Option, das war allen Seiten klar. Aber ´funk hat versucht das Team zu halten und mit unserem neuen TikTok-Format DAILYTOK auch erfüllt”, so Walulis. Auch das „Y-Kollektiv” ist von dieser Entwicklung betroffen und wechselt daher von „funk” in die ARD Mediathek. Jedoch bleibt in diesem Fall der YouTube-Kanal erhalten, da es dem Team sehr wichtig sei, mit seiner Community im Austausch zu bleiben. Die ARD Mediathek bietet im Gegensatz zu YouTube aber noch keine Kommentarfunktion an. Die Videos erscheinen also weiterhin auf dem YouTube-Kanal und größere Recherchen erscheinen in voller Länge exklusiv in der ARD Mediathek.

Unflexible Vorgaben

Das Netzwerk scheint, trotz junger Mitarbeiter, durch starre und unflexible Vorgehensweisen der Öffentlich-rechtlichen beeinflusst zu sein. Die Formate, welche sich zu Wort gemeldet haben, bemängeln, sich in ihrer Kreativität und ihrem Schaffen von „funk” zu stark eingeschränkt zu fühlen. „Simplicissimus” meint in einem YouTube-Video, die starren Prozesse und Abläufe sowie Deadlines für neue Inhalte würden sie auslaugen. Man brauche mehr Flexibilität und weniger Druck durch externe Deadlines.
Außerdem sei durch die Auflagen des Netzwerks ein Mehraufwand für die Produktion der eigenen Inhalte entstanden, bemängelt „Kurzgesagt”.
Leeroy Matata” fühlte sich laut seinen Aussagen beim Führen seiner Interviews in der Kreativität eingeschränkt.
Philipp Walulis hingegen sieht das eher als Stärke. „Großer Vorteil war, klare Zielvorgaben zu bekommen, die man durch die Publikation auf Youtube oder anderen bekannten Plattformen eigenverantwortlich erreichen kann. Es lag immer in unserer Hand, die Ziele zu erreichen und war nicht von Faktoren abhängig, die nicht zu beeinflussen waren, wie es zum Beispiel in der Mediathek ist. Dieses transparente und eigenverantwortliche Setting war sehr motivierend.”

Keine Werbung

Bei „funkmuss man sich an Regeln halten, die vom Öffentlich-rechtlichen System vorgegeben sind. Dadurch sind einem gewisse Dinge, wie das Bewerben anderer Projekte, Formate oder Kanäle verboten. Das Team hinter „Simplicissimus” darf nicht auf den Zweitkanal „2BoredGuys” oder auf ihren englischsprachigen YouTube-Kanal „fern” verweisen. Auch ihr Shop für nachhaltige Kleidung sowie Merch bleibt außen vor.
So auch beim Kanal „Kurzgesagt” mit seinem englisch-sprachigen Kanal und dem dazugehörigen Merch-Shop. Auch Spendenaktionen, wie Leeroy Matata sie gerne für einige seiner Protagonisten durchführen wollte, waren so über seinen von „funk” finanzierten Kanal nicht möglich.

Die ganze Wahrheit?

Wird die Zielgruppe der Formate zu alt, scheint sich „funk” ernsthaft zu bemühen, andere Plattformen und Publikationswege zu finden, um die Kanäle zu erhalten. So bestätigt auch Philipp Walulis: „´funk´ hat sich wirklich beeindruckend intensiv bemüht, das Format bei anderen öffentlich-rechtlichen Angeboten unterzubringen. Leider gab es dort kein Angebot, in das unser Format gepasst hätte.” In anderen Fällen wie bei den Kanälen „maiLab”, dem „Bohemian Browser Ballet” oder „GameTwo” hat der Übergang in andere öffentlich-rechtliche Strukturen geklappt.
Aber sollte der Anspruch nicht sein, alle Formate, die bisher quantitative und qualitative Zielsetzungen erreicht haben, bei den Öffentlich-Rechtlichen zu halten? Besonders wenn man die vergangenen Jahre viel Geld und Ressourcen in die Kanäle gesteckt hat?
Kritiker wie der YouTuber „Prinz” oder „Alicia Joe” vermuten, dass einige „funk” nicht nur den Rücken kehren, weil sie sich kreativ eingeschränkt fühlen. Die Kanäle vieler Creator sind während der Zeit bei „funk” gewachsen und haben viele Abonnenten generiert. Aus finanzieller Sicht hat sich das Blatt wohl gewendet. Da wo früher das Geld knapp war und dankend die Hände aufgehalten wurden, wird heute mehr Geld ohne „funk” verdient. Denn ohne Teil des Netzwerks zu sein, ist die Monetarisierung der eigenen Videos, das Bewerben der weiteren Kanäle, Projekte sowie eigene Shops und die Zusammenarbeit mit externen Sponsoren möglich. Damit lässt sich wohl bei entsprechender Kanalgröße und Aufrufzahlen deutlich mehr Geld verdienen als das Gehalt von „funk” hergibt. Dass es schwierig ist, Medienschaffende des Geldes wegen bei „funk” zu halten, stellte auch SWR-Programmdirektor Clemens Bratzler während einer Sitzung des Rundfunkrates fest. Doch konkrete Pläne, das zu ändern, scheint es nicht zu geben.

Probleme für die Zukunft

funk” hat schon vielen Medienschaffenden geholfen, ihre Produktionen auf ein neues Level zu heben, viel investiert und aufgebaut. Dafür sind die Creator „funk” auch sehr dankbar, wie sie mehrfach in ihren Videos und Kommentaren betonen. Das Problem scheint der Übergang von „funk” in andere öffentlich-rechtliche Strukturen zu sein.
In wenigen Fällen werden neue Plattformen oder Formate gefunden, in denen ehemalige „funk”-Partner weiterbestehen können. Der vollständige Wechsel ist auch nicht immer möglich, wie im Falle des Y-Kollektivs, welches weiterhin auf YouTube publiziert wird.
Sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausreichend flexibel, um den Bedürfnissen moderner Online-Creator gerecht zu werden? Philipp Walulis meint, ja. „Bei ´funk´ auf jeden Fall! Alle anderen Abteilungen der öffentlich-rechtlichen: Nein, allerdings stellt sich da die Frage, ob sie das überhaupt müssen”, entgegnet Philipp Walulis im Interview mit medienMITTWEIDA.
Wenn alle anderen Abteilungen der Öffentlich-Rechtlichen nicht flexibel genug sind, um mit jungen Medienschaffenden zu arbeiten, wozu dann die Ressourcen in sie stecken? Vor allem wenn einige in eine Mentalität abrutschen, wie sie der YouTuber „Prinz” beschreibt:
„Man hat gesagt: Ey, wir haben jetzt Bock auf öffentliche Gelder, wollt ihr uns den Aufbau unseres Kanals (…) querfinanzieren? (…).“ Natürlich haben nicht alle Partner von „funk” diese Einstellung, aber es sollte es doch Aufgabe der öffentlich-rechtlichen sein, die junge Zielgruppe langfristig an sich zu binden, nicht nur für einen Lebensabschnitt von maximal 16 Jahren.

Was sagt „funk”?

Beunruhigt scheint „funk” nicht zu sein, Abgänge von Creator werden professionell hingenommen und abgewickelt. Von Skandalen war auch nichts zu hören. Die, die sich öffentlich dazu äußerten, betonten, wie froh und dankbar sie sind, Teil des Netzwerkes gewesen zu sein.
Insgesamt scheint sich das Netzwerk ziemlich sicher in seinem Handeln und gibt den „stetigen Wandel” als „notwendigen Bestandteil der „funk-Strategie” auf Anfrage des „Redaktions Netzwerks Deutschland” an. Des Weiteren heißt es: „Nach inzwischen mehr als sechs Jahren am Markt muss „funk” konsequent auf nachwachsende, junge Zielgruppen setzen, um weiterhin beweglich zu bleiben und das mit nahezu gleichbleibendem Budget.“

Kurzkommentar des Autors

Guter Anfang, Zukunft unsicher

funk” ist ein richtiger und wichtiger Schritt der Öffentlich-Rechtlichen, um eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. Trotzdem habe ich das Gefühl, sie werden als das, was sie sind, nicht richtig ernst genommen. Mit den Formaten wird die junge Zielgruppe an das öffentlich-rechtliche Programm herangeführt.  Jedoch schaffen sie nicht den Absprung in das „erwachsene” Programm. Diejenigen, die stark wachsen konnten und sich nun unabhängig machen, zählen zu den Gewinnern. Sie haben sozusagen Starthilfe bekommen. Einige wenige schaffen es, sich an anderer Stelle in das System zu integrieren. Dabei müssen sich die Creator an neue Publikations-Plattformen anpassen. Dadurch büßen aber einige Formate ihren Charme ein. Letztendlich verlieren die Zuschauer ein populäres Format und die Produzenten ihre Zuschauer. Nach und nach geraten sie immer mehr in Vergessenheit, werden zunächst zusammengekürzt und schließlich komplett abgesetzt. Das ist meiner Meinung nach nicht der Sinn der Sache. Wenn man schon so viel Geld und Mühe in die Formate steckt, wäre es nur würdigend, wenn sich etwas mehr um die Zukunft bei den Öffentlich-rechtlichen bemüht wird. Zum Glück haben das schon einige wie SWR-Programmdirektor Clemens Bratzler erkannt. Ich hoffe darauf, dass in Zukunft mehr leitende Persönlichkeiten das Potential von „funk” anerkennen. Ich meine, wenn man eine Sendung wie “Wetten, dass…” einfach nicht sterben lassen will, dann kann man auch versuchen mehrere deutlich kleinere, günstigere vielleicht sogar beliebtere und vor allem zeitgemäßere Formate zu erhalten.

Text, Titelbild: Cedric Nastelski
<h3>Cedric Nastelski</h3>

Cedric Nastelski

ist 22 Jahre alt und studiert derzeit im 5. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert er sich seit dem Wintersemester 2022/23.