Die Player der Öl- und Gasindustrie nehmen Millionen an Geldern in die Hand, um Überzeugungsarbeit zu leisten. PR-Agenturen spielen dabei eine entscheidende Rolle, so werden seit Jahrzehnten Narrative verbreitet, die den Klimawandel erst leugneten und heute klimafreundlichere Lösungen anzweifeln. In Lobbyverbänden, Denkfabriken und vermeintlichen Expertengremien werden so fossile Energieträger zu Grünen gemacht, vorher beeinflusste Wissenschaftler*innen herangezogen und politische Entscheidungsträger beraten. Davon profitieren nur sehr wenige, während die immensen Schäden alle belasten.
Machtvolle Meinungen
Als die Harvard-Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes im Juni 2010 ihre aktuellen Forschungsergebnisse zur Analyse von Klimawandel-Studien veröffentlichte, wurde sie schnell zum Opfer von Hass-Mails und Drohanrufen. So beschreibt es die US-Amerikanerin in der Dokumentation „The Campain Against the Climate“. Sie fand es auffällig, dass es in den Medien große Debatten um den Klimawandel gegeben habe, während Forscher*innen aus ihrem Umfeld niemals Zweifel daran geäußert hätten. Sie analysierte knapp eintausend Studien, die das Schlagwort „globaler Klimawandel“ enthielten und stellte fest, dass keine dieser Studien einen Zweifel daran äußerten.
Dass die Menschen diese Debatte vor Augen hatten, war das Ziel einiger einflussreicher Akteure der Öl- und Gasindustrie. Bereits im Jahr 1980 hat das American Petrolium Institute begonnen, falsche und irreführende Informationen über den Klimawandel zu verbreiten. Noch Jahre bevor der NASA-Wissenschaftler James Hansen im Jahr 1988 die globale Erwärmung und den Klimawandel als einer der ersten als Realität klarstellte und der breiten Gesellschaft offenbarte. Bis heute sind Desinformationen zum Klimawandel Teil von Debatten. Die Akteure der Gas- und Ölindustrie haben weiterhin ein großes Interesse am Einfluss auf Politik und Gesellschaft.
Lobbyismus
Lobbyisten sind Personen oder Gruppen, die im Auftrag von Interessengruppen politische Entscheidungen und Gesetzgebungsverfahren beeinflussen. Sie nehmen Kontakt zu Abgeordneten, Regierungsbeamten und Parteien auf, um Unterstützung für bestimmte Anliegen zu gewinnen. Dabei nutzen Lobbyisten Methoden wie Gespräche, Stellungnahmen und Medienkampagnen.
Seit Beginn des Jahres 2022 gibt es in Deutschland das Lobbyregister. Es zielt darauf ab, diese Interessenvertretung transparenter zu machen und so das Vertrauen in demokratische Prozesse zu stärken. Interessenvertreter*innen müssen sich im Lobbyregister eintragen, wenn sie Kontakt zu Bundestagsmitgliedern oder der Bundesregierung aufnehmen, um Einfluss zu nehmen. Sie müssen Informationen über ihre Tätigkeit, Interessenbereiche, finanzielle Mittel und beteiligte Personen veröffentlichen.
Die Akteure
Von Staatsoberhäuptern wie Wladimir Putin, dessen Russland als Ressourcenstaat sehr abhängig von Öl und Gas ist, über die größten Öl-Unternehmen wie ExxonMobil, Chevron oder Shell, bis hin zu Ex-Politiker*innen und bezahlten Wissenschaftler*innen. Die Liste der, die weiterhin ein Interesse an der zukünftigen Nutzung von fossilen Energieträger haben, ist lang.
In Deutschland ist Erdgas der wichtigste Energieträger und dementsprechend spielen vor allem die Akteure der Gaslobby hierzulande eine entscheidende Rolle. Für viele Deutsche ist dabei vor allem ein Name bekannt: Gerhard Schröder. Der SPD Alt-Kanzler baute um sich und die niedersächsische SPD ein Netzwerk mit guten Verbindungen nach Russland auf, welche auch als „Moskau-Connection“ bezeichnet wird. Auch Sigmar Gabriel und Heino Wiese gehörten zu diesem Kreis. Schon während Schröders Amtszeit war er Befürworter des Projektes Nord Stream 1, einer Gaspipeline zwischen Deutschland und Russland. Wenige Tage nach der Niederlegung seines Amts als Bundespräsident wurde bekannt, dass Schröder Aufsichtsratschef bei der Nord Stream AG werden würde.
Die zwei Pipelineprojekte Nord Stream 1 und Nord Stream 2 sind durch den mehrheitlich zum russischen Staat gehörenden Konzern Gazprom realisiert worden. Möglich gemacht wurde dies durch die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. Bis zu Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine war die Bundesrepublik Deutschland stark abhängig von Gazprom’s Lieferungen. Rund 50 Prozent des deutschen Erdgases wurde bis Jahresbeginn 2022 vom größten erdgasfördernden Unternehmen der Welt bezogen.
Neben den Prozessen innerhalb dieser Kreise, die für die meisten Bürger*innen kaum zugänglich sind, ist die Außendarstellung der großen Player der Gasbranche gut sichtbar. Über Sponsorings bei verschiedenen Sport-Veranstaltungen und kulturellen Events pflegen die Konzerne ihr öffentliches Ansehen. So ist Gazprom vor allem für die großen Sponsorships bei dem Bundesligaverein FC Schalke 04 und der UEFA Championsleague bekannt. Auch die Europameisterschaft 2024 wäre durch den Gasriesen gesponsert worden, jedoch beendete sowohl die UEFA, als auch Schalke 04 im Februar 2024 die Zusammenarbeit.
Mit Geld zum Ziel
Ahmed al-Dschaben eröffnete im Dezember des vergangenen Jahres die Weltklimakonferenz COP in Dubai. Er ist der Chef des staatlichen Ölunternehmens der Vereinigten Arabischen Emirate und gleichzeitig der Präsident der COP. Bei Umweltorganisationen kommt diese Besetzung nicht gut an. Eine Analyse der Vereinigung „Kick Big Polluters Out“ hat anhand der Teilnehmerliste 2456 Lobbyisten der Öl-, Gas- und Kohleindustrie bei der COP festgestellt. Im Vergleich dazu schickten die zehn am stärksten von Erderwärmung betroffenen Staaten gemeinsam nur 1509 Delegierte nach Dubai. Das verärgert viele Aktivistinnen und Aktivisten, wie Alexia Leclercq von der Initiative Start:Empowerment: „Die vergiftete Präsenz der großen Verschmutzer hat uns jahrelang abgelenkt und daran gehindert, Wege zu finden, damit fossile Energieträger im Boden bleiben“, erklärt sie gegenüber der Tagesschau.
Das Lobbyverhalten in Deutschland wird seit der Einführung des Lobbyregistergesetzes 2022 verstärkt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die fünf größten deutschen Gasunternehmen haben laut Eintrag im Lobbyregister aus 2022 mehr als zwölf Millionen Euro für Lobbyarbeit ausgegeben und 70 Lobbyist*innen engagiert. Zu den „Big Five“ gehören die Unternehmen Eon, Uniper, RWE, EnBW und Wintershall DEA. Jedoch sind weder Gazprom noch die deutsche Tochtergesellschaft Gazprom Germania im Lobbyregister eingetragen gewesen, wodurch die Ausgaben nicht nachvollziehbar sind.
Die Macht des Zweifels
Schon sehr früh erkannten wichtige Akteure der US-amerikanischen Ölindustrie, allen voran das heutige ExxonMobil, dass ihnen der Klimawandel erheblich im Wege steht. Damit dies jedoch keine finanziellen Schäden mit sich bringt, wurde reichlich in die Leugnung des Klimawandels investiert und innerhalb der Gesellschaft Zweifel verbreitet. Mit der Gründung der Global Climate Coalition im Jahr 1989 sollte eine der ersten Kampagnen gestartet werden, um Zweifel am menschengemachten Klimawandel zu verbreiten. Mit einem Jahresbudget von 500.000 Dollar wurde nach einer geeigneten Agentur gesucht und E. Bruce Harrison setzte sich bei einem Pitch durch. Sein Ziel: Über eine große umfassende Medienkampagne die Probleme neu zu formulieren und die negativen Auswirkungen auf Handel, Preise und Arbeitsplätze, ganz im Sinne der GCC, hervorzuheben.
Als 1993 der Druck auf die Klimadebatte durch Klimaaktivistinnen und Aktivisten stieg, entschied sich Harrisons Agentur, die Kampagne auf Stimmen aus der Wissenschaft auszuweiten. Man beschloss nach Wissenschaftler*innen zu suchen, die abseits des Mainstreams keinen Grund zur Sorge in Bezug zum Klimawandel sahen und bezahlte diesen circa 1500 Dollar pro Artikel. Die Presse freute sich, so Don Rheem, ehemaliger Mitarbeiter von Harrison gegenüber der BBC: „Die Journalisten suchten tatsächlich aktiv nach den Andersdenkenden. Das hat einen Hunger gestillt, der bereits vorhanden war“.
Auch beim Öl-Gigant ExxonMobil gehörten Zahlungen an Wissenschaftler*innen zur Praxis. Der Astrophysiker Wei-Hook Soon des Harvard Smithsonian Center for Astrophysics veröffentlichte über Jahre hinweg Studien, die den menschengemachten Kohlenstoffdioxid-Ausstoß als unerheblich darstellten und den Grund der Erwärmung der Erdatmosphäre in der Sonnenaktivität begründeten. Damit hielt er unter anderem auch Reden vor dem US-Senat, bis sich im Jahr 2015 herausstellte, dass Soon in den vergangenen zehn Jahren rund 1,2 Millionen Dollar von Energiekonzernen erhalten hat.
Die Folgen sind noch heute sichtbar. In einer Umfrage des PEW Research Centers aus dem Jahr 2022 wird bei einer Vielzahl von Industrieländern der Klimawandel als größte Bedrohung gesehen, während er in den USA den letzten Platz belegt. Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore sagte zu den Blockierungsversuchen der Ölunternehmen: „I think it´s a equivalent of a war crime“.
Einseitige Interessen gegen die Demokratie
Lobbyismus ist in einer Demokratie ein stärkendes und wichtiges Element, denn somit fließt Expertise in demokratische Prozesse ein und es werden im besten Fall gesellschaftliche Interessen besser vertreten. Jedoch besteht die Gefahr, dass ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Lobbyparteien entsteht. Dabei gibt es die Kritik, dass wirtschaftlich starke Lobbygruppen aufgrund der finanziellen Mittel verstärkt Einfluss ausüben und demokratische Prozesse einseitig beeinflussen. „Wenn einseitiger Lobbyismus erfolgreich ist, dienen die politischen Entscheidungen nicht dem Gemeinwohl. Spüren das die Menschen, ist das ein massiver Vertrauensverlust in die Politik, aber auch in die Demokratie“, erklärt Dr. Christina Deckwirth von Lobbycontrol im Interview mit medienMITTWEIDA. Jedoch ist es durch gesellschaftlichen Druck gelungen, dass NGO´s und zivilgesellschaftliche Organisationen mehr Lobbyeinfluss erlangten. So haben Protestbewegungen wie „Fridays for Future“ die Klimaschutz-Lobby gestärkt. Ein wichtiger Schritt für mehr Transparenz sei das Lobbyregistergesetz, welches dieses Jahr verschärft wurde und nun auch die Angabe von Einflussnahmen der Lobbyisten auf Gesetze vorschreibt. Trotzdem fordert sie in Bezug auf die Politik sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: „Beim Thema Interessenskonflikte braucht es Transparenzregeln, aber zum Teil auch Verbote, die besagen: Bei Befangenheit kann nicht in Gremien mitgearbeitet oder an bestimmten Abstimmungen teilgenommen werden“.
Text: Paul Frommann, Titelbild: Pixabay