Online-Bauern bestellen echte Felder

von | 17. Mai 2011

"Landlust", "Bauer sucht Frau" oder "Ausflug mit Kuttner" - mit der Illusion von idyllischem Landleben lässt sich in den Medien Geld verdienen. Auch Online-Spiele wie "Farmville" erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Das Internetprojekt "MyFarm" versetzt nun alle Landwirtschafts-Enthusiasten in die Lage, einen echten Bauernhof zu leiten: 10.000 User kümmern sich hier um eine Farm, der Betrieb soll demokratisch geleitet werden.

Im weltweit bekannten Online-Spiel „Farmville“ gibt es 30 Millionen virtuelle Bauernhöfe – in „MyFarm“ nur einen, dieser ist jedoch real. „MyFarm“ ist eine Online-Community, die Offline-Entscheidungen trifft. Die Gemeinschaft der Nutzer kann dabei entscheidende Entschlüsse treffen, die die Entwicklung des Bauernhofes maßgeblich beeinflussen. Sie beraten zum Beispiel, welche Nutztiere gehalten und welche Maschinen eingesetzt werden sollen. Vorerst soll es nur eine große Entscheidung pro Monat geben, über die diskutiert und schließlich abgestimmt wird. So berät sich die Community derzeit, welche Pflanzen überhaupt angebaut werden sollen.

Die Farm, das Wimpole Estate, liegt im englischen Cambridgeshire und ist 280 Hektar groß. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Größe eines deutschen Agrarbetriebes beträgt nur 45,3 Hektar. Bis zu 10.000 Farmer werden über die Zukunft des online geplanten Bauernhofs entscheiden. Um an dem Spiel teilzunehmen, müssen sie jedoch knapp 34 Euro im Jahr investieren. Die Planung des Projekts, inklusive der Vorbereitung des Bauernhofs, dauerte zwei Jahre. Umgesetzt wurde es durch die Agentur „Publiczone“, deren Kunden hauptsächlich gemeinnützige Einrichtungen sind.

Modellprojekt für mehr Mitbestimmung

Der „National Trust“ betreibt sowohl Farm als auch das Online-Projekt. Die englische Organisation beschäftigt sich vor allem mit Denkmalpflege und ökologischen Konzepten. Jeanette Heard, Pressesprecherin des „National Trust“, erläuterte das Projekt gegenüber medienMITTWEIDA. Das Hauptziel sei es, Menschen daran zu erinnern, woher ihre Lebensmittel stammen und sie wieder mit Landwirtschaft in Kontakt zu bringen.

Heard schwärmt: „Es wäre großartig, wenn wir es schaffen, mehr Menschen zu animieren, sich für Lebensmittel zu interessieren und mehr Mitspracherecht bei der Produktion haben zu wollen. Zudem wäre es gut, wenn wir ihnen ein besseres Verständnis für den Aufwand in der Landwirtschaft geben könnten.“ Schließlich hat kaum einer der bis zu 10.000 Hobby-Bauern Erfahrungen im Bauernalltag. Doch wie Jeanette Heard berichtet, werden diese auch nicht allein gelassen: „Wir haben ein Team von Experten, die ihre Meinung zu verschiedenen Diskussionen abgeben werden.“ Die Abstimmungen der Community werden für die Zukunft der Farm maßgebend sein.

Landwirtschaftliches Planspiel

Das Projekt finanziert sich zwar aus den Einzahlungen der Teilnehmer, „die Farm muss dennoch als Betrieb agieren und Nutzer werden sehen, welche Auswirkung ihre Entscheidungen auf die Rentabilität des Guts haben“, erläutert Heard. Sogar die Gebühren können die Nutzer ändern. Wenn die Hobby-Bauern zum Beispiel größere Investitionen tätigen wollen, die Mittel der Farm aber nicht ausreichen, sei über eine Gebührenerhöhung nachzudenken. Im Gegenzug könnten diese aber auch sinken. Falls das Projekt erfolgreich ist, will der „National Trust“ es auch auf andere Bauernhöfe übertragen.

<h3>Jörg Lehmann</h3>

Jörg Lehmann