„Gratiskultur“- ein Schlagwort aus Berichten Anfang der 2000er und ein umstrittenes Thema. Beschrieben wird das Phänomen, dass das Internet ein großes kostenloses Angebot in den Bereichen Journalismus, Musik, Film und Video zur Verfügung stellt und bei dem Medienrezipienten nach und nach eine Ablehnung gegen Paid Content entsteht. Der größte Vorteil des Internets, ein schneller und kostenfreier Zugang zu Informationen, wird somit zum Verhängnis für Medienmacher. Besonders Journalisten sind auf die Zahlungsbereitschaft ihrer Leser angewiesen.
Ironischerweise waren es die Zeitungen, die ab den 90ern kostenlose Beiträge ins Internet stellten. Damals waren Internetzugänge weniger verbreitet und somit standen die Online-Ausgaben nicht in Konkurrenz zu den Print-Ausgaben. Was anfangs als nettes Zusatzangebot verfügbar war, wurde später nicht nur zur Gefahr für den Printbereich, sondern für alle Medienanbieter. Die CDs im Regal wurden durch YouTube und Streaming-Dienste ersetzt. Auch Bücher und Filme sind mittlerweile digital verfügbar. Platzsparend, jederzeit verfügbar und in vielen Fällen unbezahlt.
Dass die Zahlungsbereitschaft für Medieninhalte in Deutschland sich langsam erholt, bewies zuletzt eine Umfrage des Hamburger DCI Institute in Zusammenarbeit mit der Hochschule Fresenius. Grund für den Zuwachs sind die Erfolge der Streaming Dienste Amazon Prime Video und Netflix und die damit verbundene Akzeptanz von Abo-Modellen im Internet. Der Journalismus hat jedoch in Sachen Zahlungsbereitschaft das Nachsehen. Laut dem Digital News Report 2018 von Reuters haben nur acht Prozent der Deutschen 2018 Geld für digitale News-Inhalte ausgegeben. Das sind gerade mal ein Prozent mehr als im Vorjahr. Aber warum ist die Zahlungsbereitschaft ausgerechnet für das Zeitungsgeschäft im Internet so niedrig?
1. Das Nutzerverhalten im Internet
Im Internet wird schneller und weniger linear konsumiert. Die Folge ist, dass der Verbraucher viele Informationen aufnimmt und schnell überreizt ist. Was konsumiert wird, ist egal. Hauptsache es belastet nicht den Geldbeutel. Doch lässt man die Gratismentalität außen vor, ziehen es in Deutschland immerhin noch 40 Prozent in Erwägung, für Nachrichten im Internet zu bezahlen. Das sind etwa 32 Millionen Menschen. Potential ist also vorhanden. Es gibt somit noch weitere Gründe, die unabhängig von der finanziellen Situation der Leser sind.
2. Die Konkurrenz
„Warum sollte ich bezahlen, wenn jemand anderes das Gleiche umsonst anbietet?“, fragt sich der Kunde berechtigt. Hier gilt der Vorsatz „Content ist King“. Netflix produziert eigene Serien – ein ähnliches Alleinstellungsmerkmal müssten die Zeitungen aufbringen, um mit der kostenlosen Konkurrenz mithalten zu können. Auch können viele nicht einschätzen, ob es sich “lohnt” ein Abo abzuschließen, da sie nicht wie am Kiosk in eine Zeitung hineinlesen können. Ein Lösungsansatz wäre hier zum Beispiel die „Metered Paywall“, welche mithilfe von Cookies im Internet eine gewisse Anzahl an gratis Artikeln zulässt. So kann man beim Economist beispielsweise zwei bis drei Artikel pro Woche lesen, ohne zu bezahlen. Bei der Welt beschränken sich die gratis Artikel auf 20 im Monat.
3. Das Bezahlmodell
Paywall ist nicht gleich Paywall. Jeder Leser hat andere Vorlieben: Der eine bindet sich gern und schließt direkt ein Zwölf-Monats-Abo ab, der andere ist eher spontan und bezahlt nur für den Artikel, den er gerade lesen will. Es allen recht zu machen, ist also schwierig. Die Lösung: alternative Bezahlmodelle. Die TAZ fordert zu freiwilligen Spenden beim Lesen auf und in Österreich bietet der Standard eine kostenfreie Nutzung bei der Deaktivierung von Adblockern an. Norwegen, Schweden und Finnland sind in Sachen Paywalls Vorreiter. Hier ist besonders eine Mischform beliebt, bei der monatliche Abonnements mit extra Premium Content kombiniert werden. Es gibt also eine Vielzahl an Möglichkeiten, um das Bezahlen für den Leser einfacher oder attraktiver zu gestalten.
4. Die konservative Denkweise der Verlage
Dass analoge und digitale Medien in Konkurrenz zueinander stehen, ist ohne Frage. Wichtig jedoch: Die Printmedien und das Online-Geschäft sind keine Gegensätze. Bei beiden ist es der Inhalt, der zählt. Und Qualitätsjournalismus ist besonders in Zeiten des Internets gefragt. Für viele Verlage scheint es dennoch eine Hürde zu sein, in digitale Geschäfte zu investieren. Investitionen bedeuten schließlich Risiken und im Internet herrscht ein großer Konkurrenzkampf und somit viel Druck. Dass es eine Chance sein kann, bewies Axel Springer. Das Verlagshaus setzte auf Online-Plattformen, digitale Werbung, aber auch Pay-to-View Artikel und verdient mittlerweile über 65 Prozent seiner Umsätze im digitalen Geschäft. Es bedarf viel unternehmerisches Geschick und den Mut, neue Wege zu gehen.
Fazit
Trotz einer schwachen Zahlungsbereitschaft in Deutschland, spricht vieles für die Nutzung von Paywalls. Die Zahlen der Internetnutzer steigen weiterhin, während die Printmedien zurückgehen. Dabei ist der Bedarf an Informationen so groß wie nie zuvor. Die überregionale schwedische Tageszeitung Dagens Nyheter hat aktuell 120.000 zahlende Leser im Netz. Übertragen auf die Einwohnerzahl in Deutschland, wären das mehr als eine Millionen Abonnenten. Das Besondere daran ist, dass ihre digitalen Leser im Durchschnitt 20 Jahre jünger sind als die Leser der Printausgabe. Dahinter stecken nicht nur ansprechende Inhalte und gutes Marketing, sondern auch ein ausgeklügelter Algorithmus, welcher potentielle Neukunden erfasst und Abwanderungsraten minimiert. In Deutschland ist das noch Zukunftsmusik. Fest steht nur: Die Zukunft des Journalismus liegt in der Hand der Digitalisierung.