Gesundheit

PMDS: Wesensveränderung vor der Periode

von | 27. Januar 2023

Ich war sehr sehr oft krank und überhaupt nicht fähig, arbeiten zu gehen, weil ich gar nicht aufstehen konnte und so starke Schmerzen hatte oder so unzufrieden mit der Welt war, dass ich mich auch niemandem zeigen wollte.

Die Periode kann unangenehm sein, aber wie ist das für Menschen, die extreme Symptome haben?

Was ist eigentlich PMS und PMDS?

Menstruierende Personen haben vor der Periode oftmals Unterleibs- oder Kopfschmerzen, sind traurig und gereizt, fühlen sich allgemein unwohl. Diese Phase nennt man Prämenstruelles Syndrom (PMS). Dabei hat die Betroffene körperliche und psychische Beschwerden, die wenige Tage oder bis zu zwei Wochen vor der Periode einsetzen.

Über die Ursache von PMS ist sich die Wissenschaft nicht sicher, aber es wird vermutet, dass hormonelle Schwankungen während des weiblichen Zyklus dabei eine Rolle spielen. Die meisten Betroffenen nehmen diese Beschwerden nur zum Teil wahr, 20 bis 40 Prozent haben deutlich spürbarere Auswirkungen. Es gibt aber auch Personen, die vor ihrer Periode unaushaltbare Beschwerden haben. Etwa drei bis acht Prozent sind davon betroffen. Bei dieser schweren Form von Beschwerden spricht man von einer prämenstruellen dysphorischen Störung, auch PMDS genannt.

Mögliche Beschwerden bei PMDS

Mögliche Beschwerden bei PMS: Kopf-, Rücken-, Gelenks- oder Muskelschmerzen, Wassereinlagerungen, Schlaf- oder Verdauungsprobleme, Hautunreinheiten, Heißhunger, Konzentrationsprobleme, Stimmungsschwankungen, Erschöpftheit, Unsicherheit, Niedergeschlagenheit, Lustlosigkeit, Gereiztheit und Wut.

PMDS, der große Bruder von PMS

Triggerwarnung: In den nächsten Abschnitten geht es teilweise um psychische Krankheiten, bis zur Erwähnung von Suizidgedanken. 

Ein bis zwei Wochen vor Beginn der Menstruation beginnen die mittelschweren bis schweren psychischen, verhaltensbezogenen und körperlichen Symptome. Viele Betroffene berichten ebenfalls von großer Reizbarkeit, Anspannung und Affektlabilität mit möglichen Wutausbrüchen. Dies führt häufig zu Konflikten mit den Mitmenschen, insbesondere der eigenen Familie, Freunden oder Arbeitskollegen. Ebenfalls können Erkrankungen wie Asthma, Migräne, Epilepsie, Depressionen, Angststörungen sowie Psychosen in dieser Zeit verstärkt auftreten. 

Darüber hat  medienMITTWEIDA mit Daniela Wolf gesprochen, sie gründete den ersten PMDS-Selbsthilfeverein in Deutschland, sowie auch eine Selbsthilfegruppe für PMDS-Betroffene. Als erste deutsche PMDS-Mentorin, -Autorin und -Betroffene hat sie bereits viel Erfahrung in diesem Gebiet gesammelt. Bei Daniela habe alles mit psychischen Symptomen angefangen, also Impulsivität und Aggression. Diese Gefühlsschwankungen habe sie insbesondere als Teenagerin gehabt. Vor allem nach Absetzen der Pille seien die Symptome bei ihr schlimmer geworden. Dies sei aber von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Auch Sabine* berichtet medienMITTWEIDA von ihren Erfahrungen mit dem Syndrom. Sie hat mit schweren körperlichen Problemen zu kämpfen und berichtet, dass ihr als Teenager das Absetzen der Pille geholfen habe. Beide sagen aber, dass sie es zu der Zeit nicht besser wussten. Ihnen wurde gesagt, das sei eben normal bei Frauen und so nahmen sie es auch hin. Vor allem da es in den letzten 30 Jahren weitaus weniger Informationen über den weiblichen Zyklus und dessen Symptomen gab. Als Daniela älter wurde merkte sie aber, dass etwas nicht stimmt. Sie hatte enorme körperliche Beschwerden, extrem lange Zyklen, starke Schmerzen, Wassereinlagerungen, Rückenschmerzen und Migräne. „Ich habe das komplette Paket, was es bei der normalen PMS körperlich gibt, plus die psychischen Beschwerden.” so Daniela.

Der Alltag mit PMDS

Mit den genannten Symptomen ist ein normaler Alltag in der zweiten Hälfte des Menstruationszyklus kaum vorstellbar. Daniela Wolf erzählt von ihren Erfahrungen: Es hat Einfluss auf alle Teile in meinem Leben. Damals war es der Job und die Beziehung. In einer schlechten Phase bist du einfach ganz anders, du bist nicht mehr du selbst. Es sind Streits entstanden, die es sonst so nie gegeben hätte. Man zweifelt an seinem ganzen Leben und an den Personen, mit denen man sich umgibt. Man will alles hinschmeißen. Das hat enorme Auswirkungen.” Wenn Daniela Situationen miteinander vergleicht, würden diese ganz anders ablaufen, als in einer guten Phase. Sie könne schlechter Entscheidungen treffen und reagiere impulsiver auf gewisse Trigger. Mitmenschen von Daniela wunderten sich über solche Reaktionen. Sie war in einer Führungsposition und wäre sehr unfair gegenüber ihren Angestellten. Auch in der Beziehung sind Streits entstanden, die es sonst so nie gegeben hätte. Man zweifelt an seinem ganzen Leben und an den Personen, mit denen man sich umgibt. Man will alles hinschmeißen. Das hat enorme Auswirkungen.” so Daniela. 

Sie ist mittlerweile Mutter, was für sie zusammen mit PMDS noch mehr Stress bedeutet, da sie viel weniger Ruhephasen hat. Dies kann sie manchmal stärker triggern, dadurch ist sie in manchen Situationen schneller gereizt. 

Das wieder von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Viele Betroffene ziehen sich eher zurück und tendieren zu einer depressiven Verstimmung, die zu Suizidgedanken führen kann. 34 Prozent der Betroffenen haben versucht, sich selbst das Leben zu nehmen. Dies geht aus einer der größten Studien in dem Gebiet PMDS hervor und ist damit sehr besorgniserregend. Die körperlichen Beschwerden können ebenfalls einen großen Einfluss auf das Leben der Betroffenen haben. Sabine* hatte zu ihrer Zeit als Teenagerin vermehrt extreme Schmerzen, außergewöhnlich starke Blutung und litt an Erbrechen und Darmbeschwerden. 

Auch Daniela hatte körperliches Leiden und macht nochmal den Unterschied zu PMS deutlich: „Ich war sehr sehr oft krank und überhaupt nicht fähig, arbeiten zu gehen, weil ich gar nicht aufstehen konnte und so starke Schmerzen hatte oder so unzufrieden mit der Welt war, dass ich mich auch niemandem zeigen wollte. Deswegen ist diese Erkrankung auch eben nicht PMS. Mit PMS kannst du am täglichen Leben schon noch teilnehmen. Du hast auch schwere Phasen, die sind aber oft deutlich kürzer als bei PMDS. Und diese enormen Schwankungen in alle Richtungen und auch zum Beispiel diese Suizidgedanken, die viele haben, das ist nicht zu vergleichen mit PMS und dem Einfluss, den es aufs Leben hat.”

Gibt es Hilfe?

Allgemein ist die Krankheit, im Vergleich zu PMS wenig erforscht. Es gibt keinen Labortest, um festzustellen, ob man PMDS hat. Jedoch kann es helfen Tagebuch führen, um Beschwerden zu notieren und Symptome zu vergleichen. Vereinfacht erklärt, gibt es zwei gängige Behandlungsmethoden. Bei Methode Eins bekommen Betroffene serotoninähnliche und in Einzelfällen angsthemmende Substanzen verabreicht.

In der zweiten Methode wird der Eisprung gehemmt. Dennoch ist die Therapie von PMDS weiterhin eine Herausforderung, da immer noch 40 Prozent der behandelten Patientinnen nicht auf die Therapie anspringen.

Daniela Wolf berichtet über ihre Versuche der Behandlung: „Ich habe alles ausprobiert, die Pille, Antidepressiva, verbotene Substanzen, Sporttherapien und dabei viel Geld und Zeit investiert, aber das Wissen und der Kontakt mit anderen hat mir am meisten geholfen. Du fühlst dich nicht mehr allein wie ein Alien, weil es da noch viele andere gibt, die sich genauso fühlen wie du. Ich habe mein Leben komplett umgestellt, Ernährung angepasst, Nährstoffe analysiert und Ausschlussdiagnosen durchgeführt. Dadurch habe ich eine neue Verbindung zu meinem Körper gewonnen. Irgendwo habe ich schon mal geschrieben, dass es wie eine Feindfreundschaft ist und Feinde sollte man sich ja immer nahe halten. Die Erkrankung ist da, sie begleitet meinen Alltag mal mehr, mal weniger. Aber ich habe deutlich weniger Symptome als noch vor vier Jahren.” 

Sie berichtet aber auch, dass ihr nichts von der klassischen medizinischen Behandlung von PMDS geholfen habe. Jedoch hat die Umstellung des Lebensstils, einschließlich Ernährung und Sport, sowie die Berücksichtigung der psychischen Bedürfnisse und das Einlegen von benötigten Pausen habe ihr geholfen.

Dies ist die Abbildung eines Kalenders wie, man ihn persönlich führen kann. Medizinisch korrekt sehen sie so aus. Grafik von Lana Schmidt

Die Menschen, die sich damit auskennen, kannst du an zwei Händen abzählen.“

Die Krankheit ist nicht sonderlich bekannt, auch wenn mehrere Millionen Menschen darunter leiden. „Vor zehn Jahren, als ich meine Diagnose bekommen habe, wusste kaum einer in Deutschland davon. Es gab bestimmt ein paar, die das schon mal gehört haben, aber es gab kaum Literatur auf Deutsch. Ich habe mir alles durch ausländische Literatur zusammen recherchiert.“ so Daniela Wolf.

2002 konnte man in den USA erstmals die Behandlung mit Antidepressivums durchführen. 2013 wurde die Krankheit erstmals als eigenständiges Krankheitsbild mit klar definierten Kriterien aufgenommen.

„Ich habe mir so ein Puzzle zusammengebastelt aus Infos von der ganzen Welt. Es ist unglaublich, dass es in Deutschland gar nichts gab. Ich mein und jetzt, zehn Jahre später, überleg mal. Seit gut anderthalb Jahren kommt PMDS so langsam ins Bewusstsein, aber nur langsam. Obwohl zehn Jahre vergangen sind, sind wir in Deutschland immer noch an der Stelle, wo wir sagen können, die Menschen, die sich damit auskennen, kannst du an zwei Händen abzählen.“ so Daniela.

 

* Auf Wunsch der Interviewten wurde ihr Name geändert.

Falls du selbst über Suizid nachdenkst oder eine Person kennst, die eventuell Hilfe braucht, kannst du rund um die Uhr anonym und kostenfrei die Hotline der TelefonSeelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 anrufen oder per Chat schreiben.

Text, Titelbild Illustration: Lana Schmidt
<h3>Lana Schmidt</h3>

Lana Schmidt

ist 20 Jahre alt und studiert derzeit im dritten Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich als Redakteurin und Assistenz der Bildredaktion seit dem Wintersemester/Sommersemestern 2022.