Der Hashtag #LSR ist bei den deutschen Twitter-Trends in den Top-Ten, scheinbar jedes Medium debattiert mit. Der Bundestag beschäftigte sich in einer ersten Lesung mit dem Gesetzentwurf. Das Leistungsschutzrecht ist stark umstritten. Unsere mm.de-Umfrage zum #LSR finden Sie hier: http://bit.ly/113OG6p
„Warum hören Sie nicht auf die jungen Leute in Ihren Parteien?”, fragte Lars Klingbeil, SPD-Bundestagsabgeordneter, in der Bundestagsdebatte am Donnerstag, den 29. November, zum Thema Leistungsschutzrecht. Schließlich haben sich die Jugendorganisationen aller Parteien zusammengeschlossen, um sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen das Leistungsschutzrecht auszusprechen.
„Verteidige dein Netz!“, fordert auch Google seine Nutzer seit Dienstag, den 27. November, auf. Sie sollen sich gegen ein geplantes Gesetz zur Erweiterung des Urheberrechtsgesetzes aussprechen. Die Aktion liefert umfassende Informationen zum Thema Leistungsschutzrecht und bietet eine Karte mit Kontaktmöglichkeiten der für die Region zuständigen Abgeordneten im Bundestag.
Lobbyverbände unterstützen Leistungsschutzrecht
Der Gesetzentwurf sieht eine Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet vor. „Mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage wird diesen das ausschließliche Recht eingeräumt, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen“, heißt es. Konkret bedeutet das den Schutz der Verlage vor Suchmaschinen. Diese verlinken entsprechend der gesuchten Schlagworte und teasern die Links mit kurzen Textausschnitten an. Diese Teaser werden auch „Snippets“ genannt und sollen durch die geplante Gesetzesänderung in Zukunft nicht mehr möglich sein, ohne dass die Suchmaschine Gebühren an die Presse entrichtet.
Unterstützt wird das Leistungsschutzrecht vor allem durch die Branchenverbänden VDZ und BDZV. Sie fordern das „Eigentumsrecht an den Früchten ihrer Arbeit“ und reagierten entsetzt auf die Protestaktion von Google. In einem offenen Brief appellierten Helmut Heinen, Präsident des BDZV, und Professor Dr. Hubert Burda, VDZ-Präsident, an die Mitglieder des Bundestages: „Das größte Medienunternehmen der Welt und die das Internet beherrschende Suchmaschine im Internet mischt sich mit einer Kampagne direkt in deutsche Politik ein.“ Deshalb baten sie um eine „hart aber fair“ geführte Debatte im Bundestag.
Suchmaschinen bekommen prominente Unterstützung
Als Gegner des Gesetzes steht Google allerdings nicht allein da. Viele Experten, Medien und Verbände richten sich ebenfalls gegen das Leistungsschutzrecht. Steffen Niggemeier, Journalist und Blogger, wirft den Presseverlagen beispielsweise in einem Blogeintrag Zensur vor. Das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter– und Wettbewerbsrecht, der Fachausschuss Urheber- und Medienrecht der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) sowie zahlreiche weitere Wissenschaftler übten in einer Stellungnahme vernichtende Kritik an dem Gesetzesentwurf. „Die führenden deutschen Zeitungen haben ihren Lesern die Existenz dieser Kritik namhafter Fachleute an dem geplanten Gesetz bis heute verschwiegen“, prangert Niggemeier an. Die Professoren stellten fest: „Es fehlt jede Grundlage dafür, die vorgeschlagene Regelung zu verabschieden.“ Der Bedarf für das Gesetz sei einfach nicht nachgewiesen.
Social Media-Experte Bastian Koch wundert sich, warum eine Anzeige in den Suchergebnissen bei Google nicht als kostenlose Werbung gesehen wird. Gegenüber medienMITTWEIDA erklärt er: „Hier in Deutschland wollen die Medien, angeführt von Axel Springer, Google dazu verdonnern, dass angezeigte Inhalte, die auf Ihre Website verlinken, auch entsprechend entlohnt werden.“ Der Rechtsstreit sei also verdreht. Auch Nico Lumma, Co-Vorsitzender von „D64“, äußert sich auf der Vereinswebseite: „Das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist purer Unsinn. Es wird den Verlagen keine neuen Einnahmequellen bescheren, weil die Verlinkungen zu Verlagsangeboten zurückgehen werden.”
Disput in den Medien
„Empörend finde ich manchen Artikel, der dieser Tage in Printmedien erscheint. Einfach, weil Google natürlich für sich als Wirtschaftsunternehmen spricht, ich von Journalisten aber Anderes erwarte. Da werden Artikel veröffentlicht, bei denen deutlich der Hinweis ‚Kommentar‘ fehlt“, bewertet Wibke Ladwig, Leiterin der Kommunikationswerkstatt „Sinn und Verstand“, die Debatte in den Medien.
Tatsächlich liefern sich die gegnerischen Parteien eine heftige Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit. Der Kampagne von Google setzen die Verlage eine umfassende Berichterstattung entgegen. In zahlreichen Kommentaren, Glossen und Hintergrundberichten wird das Thema aufgegriffen. Für den Leser ist es allerdings schwer an objektive Informationen zu gelangen. Schließlich verfolgen die meisten Verlage bei diesem Thema ebenso eigene Interessen, wie die Suchmaschinen.
Überblick verschafft? Dann jetzt abstimmen bei unserer medienMITTWEIDA-Umfrage: http://bit.ly/113OG6p
Text: Elisabeth Stiehler, Video: D64 Zentrum für digitalen Fortschritt.