Aktuelle Regelung
Bisher ist die gewerbliche Tätigkeit der Sicherheitsbranche in der Gewerbeverordnung und Bewachungsverordnung geregelt. Wenn man unternehmerisch das Leben oder das Eigentum fremder Personen schützen möchte, benötigt man zusätzlich eine Erlaubnis der lokalen Behörden. Um diese zu erhalten, werden die Landeskriminalämter und der Verfassungsschutz über Vorstrafen und politische Einstellung abgefragt. Sollten die Behörden Bedenken haben, wird die Zuverlässigkeit nicht erteilt. Im Jahr 2019 wurde ein zentrales Bewacherregister für Mitarbeitende von Sicherheitsfirmen eingeführt. Mitarbeitende werden erst nach einer Überprüfung durch Sicherheitsbehörden und durch das erfolgreiche Bestehenden der Sachkundeprüfung nach §34a Gewerbeordnung erlaubt zu arbeiten. Diese Maßnahme geschah als Reaktion auf gehäufte Vorfälle von Machtmissbrauch und rassistischen Übergriffen in Asylunterkünften. Seitdem werden Sicherheitsmitarbeiter von verschiedenen Behörden durchleuchtet und es soll die Kontrollen vor Ort erleichtern. Aber selbst die wenigen Regeln werden selten kontrolliert, weil den Behörden schlichtweg das Personal fehle, sagt der Bundesverband BdSW. Im Jahr 2022 gab es in ganz Chemnitz nur vier Kontrollen bei Events durch das Ordnungsamt. Durch die fehlenden Kontrollen werden bestehende Standards und Anforderungen unterwandert, erläutert der BdSW.
Probleme in der Branche
Ein großer Zwiespalt in der Sicherheitsbranche ist einerseits das hohe Anforderungsprofil durch die persönliche Belastung, zum Beispiel durch körperliche Auseinandersetzungen und andererseits die geringe Bezahlung, die die meisten Kunden bereit sind, für Sicherheitsdienstleistungen zu bezahlen. Selbst staatliche Einrichtungen entscheiden oft schlicht nach dem Preis, welchen Anbieter sie sich für ihre Sicherheit anstellen. Dabei fallen wichtige Qualitätsstandards unter den Tisch. Laut Tarifvertrag liegt der durchschnittliche Stundensatz bei 13,30 Euro und befindet sich damit im unteren Bereich. Somit kann laut dem BdSW erfahrenes, qualifiziertes Personal nicht gehalten werden und es wird mehr Wert auf günstiges statt qualifizierte Personals gelegt.
Ausblick Gesetzesentwurf
Das neue eigenständige Gesetz sollte schon in der letzten Legislaturperiode unter der Großen Koalition umgesetzt werden. Die Bundesregierung begründete den Aufschub mit der Bekämpfung der Covid-Pandemie. Die Ampelregierung knüpft an dem Vorhaben an und plant für den Sommer 2023 einen ersten Gesetzesentwurf. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die Parteien auf die Etablierung von „verbindlichen Standards und die Regulierung der privaten Sicherheitsdienste“ geeinigt. Eine weitere Motivation der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sind die gehäuften schweren Straftaten und Überfälle im Zusammenhang mit Tipps aus der Branche.
Unbegrenzte Sicherheit
Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BdSW) argumentiert, dass die privaten Sicherheitsdienstleister einen „unverzichtbaren Beitrag” für die Sicherheit in Deutschland leisten. Sie möchten, dass private Sicherheitsdienstleister als systemrelevant eingestuft werden und somit mehr Befugnisse erhalten. In dem neuen Sicherheitsdienstleistungsgesetz soll laut dem BdSW die „Anforderungen an die Qualifikationen und die Systemrelevanz der Sicherheitskräfte“ gesetzlich festgehalten werden. Darüber hinaus werden auch mehr Hürden und Regeln für Streiks bei kritischer Infrastruktur gefordert, da diese Streiks „unkalkulierbare Risiken“ haben könnten. Mit diesen Forderungen möchte der BdSW das Streikrecht so limitieren, dass die Produktion von Waren nicht für Arbeiterrechte eingeschränkt werden kann. In ihrem Eckpunktepapier schreiben sie: „Für die Stabilität der Volkswirtschaft sind jedoch eine gesicherte Energieversorgung, eine gesicherte Mobilität sowie eine störungsfreie Bargeldversorgung von besonderer Bedeutung.“ Dafür sollen kurzfristige Warnstreiks unterbunden werden und neue Regelungen in Kraft treten.
Es regt sich Widerstand
Ein Bündnis aus Flüchtlingsgruppen, Streetwork-, Bürgerrechts- und Anwält*innenorganisationen kritisieren die weitreichenden Forderungen der BdSW. Sie erklären, dass besonders gefährdete Gruppen wie Migranten, Jugendliche und Wohnungslose betroffen von Übergriffen und Gewalt durch privaten Sicherheitskräfte seien. „Wir sehen und hören leider immer wieder von Übergriffen kommerzieller Sicherheitsdienste gegen die von uns betreuten Menschen. Wenn ausgerechnet die nun auch noch das Recht zur Personalien-Kontrolle und zur Erteilung von Platzverweisen bekommen sollen – und dass bei deren niedrigen Qualifikationsniveaus –, dann vernachlässigt der Staat seine Fürsorgepflicht endgültig”, beschreibt Andreas Abel von der Straßensozialarbeitorganisation “Gangway” die Auswirkungen der Forderungen. Zusätzlich „bedenklich ist, dass das kommerzielle Sicherheitsgewerbe hoheitliche Rechte fordert, also Rechte, die nach dem Grundgesetz regelhaft nur Staatsbediensteten zustehen”, so Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV und Teil des Bündnisses. Damit könnte man in bestimmten Fällen das Streikrecht aushebeln und damit die Arbeitsrechte erheblich einschränken. Laut Jörg Zitzmann (Akademie für Sicherheit) will die Branche mit dem neuen Gesetz „näher an die Polizei rücken“ und als systemrelevant anerkannt werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Bundesregierung die Wünsche der Branche berücksichtigt.
Text & Titelbild – Emin Aiche