Kommentar
Wann beginnt das große Umdenken?
Viele große Modekonzerne haben heutzutage nachhaltige Kollektionen. Doch so grün wie ihr Anstrich sind die Kampagnen nur selten. Foto: H&M Group
Fast Fashion gibt es in jeder Innenstadt, nachhaltige Labels und Secondhandshops kennen und nutzen nur die Wenigsten. Doch immer mehr Verbraucher in Deutschland interessieren sich für Nachhaltigkeit. Laut einer Befragung, die erst Anfang letzten Jahres stattfand, beschäftigen sich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung mit bewussterem Konsum. Die logische Konsequenz für große Marken: Auf den Trend aufspringen und nachhaltigere Kollektionen anbieten.
Von der Bring-It-Kampagne über die „Conscious Exclusive“-Kollektion bis hin zum eigenen nachhaltigen Store „Arket“: Nach außen hin wirkt es, als würde sich beispielsweise H&M für bessere Mode einsetzen. Sogar in der Fashion Revolution Week, die sich weltweit für bessere Standards in der Textilindustrie einsetzt, ist der schwedische Moderiese präsent. Auch andere Labels haben mittlerweile Konzepte und Strategien entwickelt, wie unmenschliche Arbeitsbedingungen und Ressourcenverschwendung bald der Vergangenheit angehören sollen. Es stellt sich dennoch die Frage, wie nachhaltig diese Strategien wirklich sind und ob sie überhaupt umgesetzt werden können.
Es ist zweifelsohne wichtig, dass sich große Labels wie H&M mit seinen zahlreichen Aktionen oder Adidas mit Sneakern aus Plastikmüll in der Öffentlichkeit für Nachhaltigkeit einsetzen. Denn Firmen wie diese haben das Geld und vor allem die nötige Reichweite, um etwas in der Branche zu bewegen. Kaum vorzustellen, was sich ändern würde, wenn der gesamte Textil-Einzelhandel mit seinen 65 Milliarden Euro Umsatz in Deutschland (2017) schlagartig nur noch GOTS-zertifizierte Baumwolle verwenden und alle Zulieferer zur Einhaltung von Mindestlöhnen verpflichten würde. Kleine Fair-Fashion-Labels haben zwar oft die besseren und ganzheitlicheren Ansätze, erreichen aber niemals so viele Menschen mit ihrer Botschaft und können dadurch auch nicht das große Umdenken in der Gesellschaft anstoßen.
Marken formulieren oft nicht konkret genug
Beschäftigt man sich genauer mit den Aktionen der großen Firmen, wird schnell klar, dass ihnen dann doch nicht so viel an der Nachhaltigkeit liegt. Auf den Websites findet man selten konkrete Ziele oder Angaben zu bereits erreichten Meilensteinen. So heißt es zum Beispiel auf der Seite von Adidas: „Wir arbeiten daran, in unseren Produkten keinen unrecycelten Kunststoff mehr zu verarbeiten.“ – Kein Datum, keine Zahlen, keine Strategien. Die Teile der Conscious-Kollektion bei H&M? In den meisten Fällen nur zum Teil aus nachhaltigen Materialien. Angaben zu den Produktionsbedingungen der Teile fehlen bei beiden Beispielen komplett.
In der Fachsprache wird dieses Phänomen Greenwashing genannt. Ein Produkt wird dem Kunden als ökologisch verkauft, ist es aber gar nicht wirklich. Marken bessern damit vor allem ihr Image auf, das laut dem Lexikon für Nachhaltigkeit zu fast der Hälfte aus dem ökologischen und sozialen Engagement besteht. „Grüne“ Produkte verkaufen sich darüber hinaus besser und sprechen andere Zielgruppen an. Viele Kunden denken dann, sie würden mit ihrem Kauf eine nachhaltigere Wirtschaft unterstützen, tun es in Wahrheit aber gar nicht – Sie werden von den Unternehmen bewusst getäuscht. Dadurch wird es natürlich für den Einzelnen schwerer, eine gute und vor allem faire Wahl beim Kleidungskauf zu tätigen.
Immerhin, Adidas hat für das Jahr 2020 einige Ziele festgehalten. Der Sportartikelhersteller möchte Wasser sowie Strom einsparen, mehr innovative Materialien verwenden und will sich für die Weiterbildung und Gesundheit seiner Mitarbeiter einsetzen. So sollte bis 2018 beispielsweise komplett auf nachhaltige Baumwolle umgestellt werden, bis 2017 wurden zumindest 93 Prozent erreicht. Man sieht also: Es ist prinzipiell möglich, Mode besser zu produzieren.
Außen vor: Die Produktionsbedingungen
Für den interessierten Verbraucher scheint es trotzdem, als würden sich die Unternehmen zwar für eine nachhaltigere Produktion an sich einsetzen, jedoch weniger für kompliziertere Themen wie den fairen Umgang mit den Arbeiterinnen und Arbeitern in den Produktionsländern der Zulieferer. Diese sind für die Marken schwieriger zu überprüfen und nagen außerdem am Kerngeschäft der Fast Fashion: Schnell und günstig immer die neueste Mode auf den Markt zu bringen. H&M spricht auf seiner Website zwar davon, existenzsichernde Löhne zahlen zu wollen (auf Englisch: „Living Wages“), doch in der Presse las man zuletzt davon, dass das Ziel, diese Mindestlöhne im Jahr 2018 zu garantieren, gescheitert sei. Also auch hier wieder ein klarer Fall von Greenwashing.
Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?
Natürlich ist es löblich, dass Bewegung in die milliardenschwere Textilindustrie kommt, doch geschieht dies viel zu langsam. Logischerweise braucht es Zeit, bis sich in einem großen Unternehmen neue Vorgehensweisen etabliert haben oder die Preisstruktur verändert werden kann. In einigen Bereichen, wie zum Beispiel auf dem Gebiet der Materialien oder dem Einsatz verschiedener Giftstoffe wurden definitiv auch schon Fortschritte gemacht. Doch es gilt immer zu bedenken: Für die, die in den Herkunftsländern den Preis für unsere billige Mode zahlen, zählt jeder Tag, um ihre Lebenssituation zu verbessern. Und wenn mehr Verbraucher öfter in den Geschäften nachfragen würden, wie nachhaltig ein Teil wirklich produziert worden ist, könnte dieser Prozess vielleicht beschleunigt werden.
Text: Lisa Marie Pigulla | Foto: H&M Group