Soll ich auf Social Media verzichten?

von | 4. September 2018

Immer erreichbar sein oder wortwörtlich abschalten: Hier findet ihr Gründe für und gegen eine digitale Auszeit.

Pro & Contra

Soll ich auf Social Media verzichten?

von | 4. September 2018

Eine Auszeit von Social Media: ja oder nein? Foto: Lisa Müller

Ständig leuchtet das Handy-Display auf: Eine wichtige Meldung hier, eine neue Nachricht da. Soziale Plattformen vernetzen uns mit der ganzen Welt, gleichzeitig kann die digitale Nachrichtenflut aber auch erdrückend wirken. Wem die ständige Erreichbarkeit zu viel wird, für den könnte Social-Media-Detox eine Lösung sein. Aber ist digitales Fasten überhaupt sinnvoll?

Pro: Offline gehen, um mehr vom Leben mitzubekommen

Die To-Do-Liste ist vollgepackt mit Dingen, die dringend erledigt werden müssen und der Wille, diese abzuarbeiten ist auch vorhanden. Davor wird allerdings oftmals noch schnell ein obligatorischer Blick aufs Handy geworfen, um zu checken, was in der digitalen Welt so los ist. Zack, da werden aus Minuten plötzlich Stunden. Die geöffneten App-Fenster auf dem Smartphone häufen sich –  von den eigentlichen Aufgaben ist dagegen nichts geschafft. Frustration schleicht sich ein. Dazu kommt die Erkenntnis, dass Social Media unfassbar viel Zeit in unserem Alltag einnimmt und ein effektives Mittel zur Ablenkung darstellt. Um der digitalen Versuchung gar nicht erst widerstehen zu müssen, kann eine Auszeit von Facebook, Instagram& Co sinnvoll sein. Das zwingt dazu, fokussierter zu arbeiten und sich bewusst auf eine Sache zu konzentrieren. Außerdem steigert eine produktive Arbeitsweise die Motivation und zu bewältigende Aufgaben lassen sich schneller abhaken – Glücksgefühle inklusive.

Face-to-Face statt Smartphone-to-Smartphone

Digitale Einflüsse wirken sich auch auf unser Miteinander aus. Aufgrund sozialer Netzwerke basiert die Kommunikation in unserem Alltag zu einem Großteil auf blauen Häkchen bei WhatsApp, Lesebestätigungen bei anderen Messenger-Diensten oder der (Fehl)Interpretation von Emojis. Die Interaktion abseits von Social Media ist dagegen viel persönlicher und individueller, denn ein Telefonat oder Treffen setzt voraus, dass sich gezielt Zeit füreinander genommen wird. Durch den unmittelbaren Kontakt lässt sich deutlich besser wahrnehmen, wie Mitmenschen das Gesagte aufnehmen und bewerten. Gestik, Mimik und Tonfall sind hierfür entscheidende Elemente. Darüber hinaus lassen sich eventuelle Missverständnisse leichter aufklären und richtigstellen. Eine Online-Auszeit hat außerdem zur Folge, dass bei gemeinsamen Unternehmungen nicht mehr jeder wie ferngesteuert und im Minutentakt auf sein Smartphone starrt. Stattdessen konzentriert man sich bewusst auf sein Gegenüber und erlebt dadurch wertvolle Momente zusammen. Wer seinen digitalen Konsum einschränkt, kann somit seine sozialen Beziehungen stärken.

Schluss mit digitalen Idealen!

Neben der Macht der Gewohnheit ist auch die Angst, etwas zu verpassen ein Hauptgrund für den ständigen Griff zum Handy. Deshalb klicken und scrollen wir uns tagtäglich durch sämtliche Apps um immer up to date zu sein. Beim Betrachten von Beiträgen und Bildern aus aller Welt, entsteht schnell folgender Eindruck: Alle anderen sind unfassbar hübsch, leben glücklich im Einklang mit sich selbst und sind dazu auch noch total erfolgreich. Das kratzt schnell am Selbstbewusstsein und Gefühle wie Neid oder Eifersucht kommen auf. Die Tatsache, dass es sich im digitalen Kosmos oft um Illusion, gutes Licht und Bildbearbeitungsprogramme handelt, wird gerne verdrängt. Auch Supermodels haben mal Pickel oder einen schlechten Tag, nur teilen sie das in den seltensten Fällen mit ihrer Online-Community. Anstatt sich also von digitalen Idealen leiten zu lassen, sollte der Fokus auf den eigenen Stärken und Fähigkeiten liegen und ständiges Vergleichen überflüssig machen. Ein Social-Media-Detox schärft das Bewusstsein und lenkt den Blick zurück aufs Wesentliche: Der Wert eines Menschen definiert sich nicht durch Likes, sondern über seine inneren Werte und seine Persönlichkeit. In der Realität wird dies leider manchmal vergessen oder falsch vermittelt.

Ab und an mal bewusst auf Social Media zu verzichten, befreit uns vom allgegenwärtigen Einfluss des Smartphones in unserem Alltag. Das Leben sollte nicht überwiegend durch einen Handy-Bildschirm wahrgenommen werden, sondern ganz bewusst analog: mit allen Sinnen, live und in Farbe – zumindest hin und wieder.

Contra: Ohne Social Media haben wir es schwer

Wie erkläre ich, dass man für eine gewisse Zeit nur noch über einen persönlichen Anruf oder per SMS zu erreichen ist? Ein Blick in die Kontaktliste und man stellt fest, dass kaum einer noch SMS schreibt. Mit den meisten wird über einen kostenlosen Messenger-Dienst wie der Facebook Messengeroder WhatsAppkommuniziert – sei es mit Familie, Freunde, Arbeitskollegen oder Kommilitonen. Alle diese Personen müssen vor der Durchführung des Detoxes darüber informiert werden, dass man nun nicht mehr über diese Kanäle erreicht werden kann.

Gerade über Whatsappsind die meisten fast 24 Stunden zu erreichen. Immer wieder blickt man erwartungsvoll auf sein Handy und checkt, ob es eine neue Nachricht gibt. Man antwortet unmittelbar, sodass der Gegenüber so schnell wie möglich eine Antwort bekommt. Wie soll das ohne Messenger-Dienste funktionieren? Nur die wenigsten machen sich heutzutage noch die Mühe, eine SMS zu schreiben oder sogar anzurufen. Neuigkeiten und Erlebnisse werden sofort ausgetauscht. Wenn man diese Nachrichten nicht mehr mitbekommt entsteht häufig die Angst, etwas zu verpassen. Oder man fühlt sich einsam, da keiner mehr schreibt. Es wahrscheinlich, dass eine Isolation von Freunden während des Detoxes hervorgerufen wird, da der Anschluss verloren geht.

Zudem verbindet uns Social Media miteinander, ganz egal, wo wir uns gerade auf der Welt befinden.

Der Verzicht auf Social Media schränkt jedoch nicht nur den Kontakt zu Familie und Freunden ein, sondern auch aktuelle Nachrichten könnten verpasst werden, sofern keine Zeitung gelesen oder Radio gehört werden. Über das Smartphone bekommt man sofort und schnell die wichtigsten Nachrichten und Informationen, was auf der Welt geschieht. Viele Medienportale sind auch mit Profilen in den sozialen Netzwerken vertreten, zum Beispiel die Tagesschau auf Instagram und Promiflash auf Facebook. Hier werden täglich die wichtigsten Ereignisse kurz und knapp angezeigt. Sobald irgendwo auf der Welt etwas passiert, ist es schneller online, bevor es in den Printmedien veröffentlicht werden kann. Wenn nun jetzt die Nachrichten einen später erreichen, kann man bei täglichen Diskussionen, sei es mit Freunden oder in der Uni, nicht immer mitreden und das Gefühl etwas verpasst zu haben wird verstärkt.

Auch die Zeit nach dem Detox wird anstrengend. Da mittlerweile alles durch Backups gespeichert wird, ist man nie wirklich offline gewesen. Wenn nun alle Apps wieder installiert werden, ergießt sich eine Nachrichtenflut und die vermeintliche Erholung von Sozialen Netzwerken ist in wenigen Sekunden verflogen. Es kann sogar eher in Stress und Frustration über die Masse der Nachrichten umschlagen. Außerdem kann es passieren, dass man entgegen seiner Erwartung gar nicht so viel verpasst hat. Ein Gefühl von Enttäuschung und „Nicht-Vermisst-Worden-Seins“ macht sich breit. So wird die gute Absicht schnell zum schlechten Gefühl.

Ein solcher digitale Entzug ist in der heutigen Zeit zwar machbar, aber man fühlt sich möglicherweise die gesamte Zeit einsam, unruhig, uninformiert und gestresst, da so gut wie jeder in den sozialen Netzwerken unterwegs ist. Selber bekommt man nur noch weniger mit und die Angst, sich von allem abzuspalten wird durch einem Social Media Detox verstärkt

Text: Lisa Müller, Verena Sack; Titelbild Foto: Lisa Müller

<h3>Verena Sack</h3>

Verena Sack

ist 23 Jahre alt, gebürtige Münchnerin, studiert Medienmanagement im fünften Semester in der Vertiefungsrichtung Media and Sports. Bei medienMITTWEIDA ist sie in der Bildredaktion tätig