Ein Film zwischen heiß und kalt
„Ein Märchen für stürmische Zeiten“- Guillermo del Toro. Foto: Photo Courtesy of Fox Searchlight Pictures. © 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved
Elisa Esposito (Sally Hawkins) liegt masturbierend in der Badewanne, während die Eieruhr am Rand des Waschbeckens stetig tickt. Drei Minuten. Sie packt ein Ei und ein Sandwich in eine Butterbrottüte, schlägt den Rand um und geht aus der Tür.
In ihrem Flur blättert die grünlich feuchte Tapete von den Wänden ab und erinnert an die Unterwasserwelt, in die Elisa schon bald eintauchen wird. Doch noch ahnt sie nicht, dass Fantastisches auf sie wartet.
Denn im Film Shape of Water – Das Flüstern des Wassers erleben Elisa und der Zuschauer eine Welt, die voller Kreativität, Lust, Rassismus und Brutalität ist. Das Werk des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro hat schon bei den Oscars für Begeisterung gesorgt. Mit vier gewonnenen Trophäen in den Kategorien bester Film, beste Regie, beste Filmmusik und bestes Szenenbild, galt der Film als Gewinner des Abends. Und das nicht ohne Grund.
Zwischen den Fronten
Shape of Water erzählt die bemerkenswerte Geschichte der stummen Elisa Esposito. Sie arbeitet, zusammen mit ihrer dunkelhäutigen Freundin Zelda (Octavia Spencer), als Putzfrau in einem Militärlabor des CIA in den 60er Jahren. Zwischen Russland und den USA tobt der kalte Krieg. Doch ihr Leben verläuft in geregelten Bahnen, bis im Labor ein neues Versuchsobjekt eintrifft. Das türkis schimmernde Kiemenwesen (Doug Jones) ist einem Menschen nicht unähnlich und Eliza fühlt sich gleich zu ihm hingezogen. Durch die außergewöhnliche Liebe zu diesem Wesen definiert sie „Mensch sein“ völlig neu. Als dem Wesen Gefahr droht, kämpft Elisa zusammen mit Zelda und Giles (Richard Jenkins), dem schrägen, alten Nachbarn, für die Bewahrung von Wärme und Menschlichkeit in einer Zeit von Rassismus und Gewalt.
Ohne Worte
All das schafft Elisa (Sally Hawkins) ohne ein Wort zu sagen. Mit einer natürlichen Leichtigkeit schafft es Sally Hawkins, ihr eine Stimme zu geben. Durch bestechende Gestik und Mimik erreicht sie nicht nur das Wesen im Film mit ihren starken Botschaften, sondern auch den Menschen im Kinosaal. Sich nur auf die Sprache des Körpers verlassen zu können, erfordert Mut und Talent. Sally Hawkins schafft es ihren Körper sprechen zu lassen. Sie ist wie eine Sirene, die den Seemann betört und in das Meer lockt. Unwiderstehlich und man weiß erst, dass man in ihrem Bann ist, wenn es schon zu spät ist.
Aber auch die technische Umsetzung erzeugt eine Atmosphäre, in der die Wirklichkeit mit der fantastischen Welt verschwimmt. Denn die Unaufdringlichkeit des Fantastischen bringt den Zuschauer dazu, an eine Welt voll schuppiger Wassermenschen zu glauben. So lassen sich fantastische Elemente nahtlos in den Fluss des Filmes einfügen, ohne dass der Zuschauer an der Existenz dieser zweifelt.
Beim Baden die richtige Temperatur zwischen heiß und kalt zu finden, ist schwer. Doch mit der richtigen Dosis aus Ernst und Witz, Romantik und Drama sowie Realität und Fantasie hat es Shape of Water geschafft, genau den richtigen Punkt zu treffen.
Text: Julia Scholl, Foto: Photo Courtesy of Fox Searchlight Pictures. © 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved