Qualitätsmedien als PR-Sklaven?

von | 16. März 2010

Der große Zirkus um Nichts. Während Apples "iPad-Revolution" erniedrigten sich Journalisten bereitwillig zu Werbebotschaftern, der Qualitätsjournalismus rückte in weite Ferne. Ein Kommentar.

Viel Wind um Nichts. Wer in den letzten sechs Monaten sich um seriöse Informationen über neue Tech- und Medientrends bemühte, musste sich hauptsächlich durch allerlei aufgeblasene Werbesprüche und Schaumversprechungen kämpfen. Das Schlimme daran: auch zahlreiche Qualitätsmedien lassen sich zunehmend als PR-Sklaven instrumentalisieren.

Die Sache mit dem Apfel

Mit Sicherheit völlig überzogen war der Medienhype um Apples iPad. Wie SPIEGEL ONLINE und die „Bildzeitung“, nur um einige Beispiele zu nennen, sich dem Trendunternehmen an den Hals warfen, hatte mit Qualitätsjournalismus und tiefere Recherche nichts mehr zu tun. In zahlreichen Ausgaben beschrieb die „Bild“ völlig zu Unrecht das iPad als revolutionäres Produkt, SPIEGEL ONLINE richtete einen lächerlichen LiveBlog ein, in dem jede auch noch so geringe Unwichtigkeit im Sekundentakt veröffentlicht wurde. Doch von welcher Wichtigkeit muss das Lesebrett wohl den Redakteuren der Tagesschau gewesen sein, selbst neben Weltthemen wie dem Krieg in Afghanistan einem Unternehmen soviel Raum zu schaffen, für sein Produkt zu werben. Gelungen beschreibt das Zapp Magazin vom NDR die Problematik:

Zapp-Beitrag: Kostenlos-Werbung für Apple, Lizenz: Creative Commons, BY-NC-ND

Dehnbarer Pressekodex?

Es scheint so, als ob Journalisten beim Umgang mit Apple den Pressekodex nicht ganz so ernst nehmen müssten. Bei dem schicken „Alu-Design“ mit dem angebissenen Apfel darauf, scheinen viele Redakteure Ziffer 7, die „Trennung von Werbung und Redaktion“ etwas gelassener zu sehen. An Kritik über Apples geschlossenes System war in den Wochen während der MacWorld eher weniger zu hören. Doch ernüchternd war nach anfänglicher Euphorie das Fazit auf Blogs – das Touchpad liefert technisch keine Revolution und ist mit seinem angesetzten Preis auch ziemlich überteuert, im Grunde genommen ein übergroßes iPhone – das zeigt eigentlich nur die Lächerlichkeit des von den Medien inszenierten Hypes. Der Ablauf des iPad-Theaters erinnert stark an den schon 1995 geprägten Begriffs des „Hype-Zyklus„, nach anfänglich überschwänglicher Euphorie stürzt das Kartenhaus in das „Tal der Enttäuschungen“ ein.

Googles Welle bricht 

Doch nicht nur Apple setzt vermehrt auf virales Marketing und überzogene Produktanpreisung. Als junges Paradebeispiel kann Google Wave gesehen werden, angepriesen als „das Ende von Email“ und „unsere Kommunikation für immer verändernd“. Ursprünglich musste man alle Kontakte spielen lassen, um eine der wenigen Einladungen zu ergattern, damit das Produkt selbst getestet werden konnte. Mittlerweile fragen sich viele anfängliche Enthusiasten, wozu dieser neue Service überhaupt notwendig ist, die Euphorie-Welle strandete schneller als gedacht. Auch Googles neustes Produkt, Google Buzz, erwies sich als anfänglicher „Twitter-Killer“ datenschutzrechtlich nicht als der große Renner und musste neben großflächiger Kritikwesentliche Einschnitte und Änderungen hinnehmen. Auch das gerade anlaufende Nexus One, Googles Smartphone, wird nicht alle versprochenen Träume war werden lassen.

Geschichten des Scheiterns

Ebenso überzogen war der „Google Killer“ Wolfram Alpha. Letztendlich nur eine Bereicherung für wissenschaftliches Suchen, von Microsoft sein „arbeitsveränderndes“ Windows Vista, oder das „One Laptop per Child“-Projekt, das aufgrund der aufkommenden Netbooks im Sand verlief. Witzig parodierte das Satiremagazin „Onion News“ den Segway, der doch nicht alle Autos ersetzen konnte. Aber die beste Anekdote lieferte Apple 1993 mit dem Newton, dem riesigen PDA, dass nie richtig in der Lage war, die eigene Handschrift zu entziffern und 1998 endgültig von der Produktpalette verschwand.

<h3>Bernhard Schmidt</h3>

Bernhard Schmidt