Täglich hören wir in den Nachrichten von Flüchtlingen, die nach Europa kommen. Auch Mittweida soll einige von ihnen zugeteilt bekommen. Doch wie tolerant sind Mittweidaer Bürger gegenüber anderen Kulturen? Katerina Krez hat Austauschstudenten und Einheimische nach ihren Erfahrungen gefragt. Ihr Ergebnis: Ernüchternd.
Mein Name ist Katerina Krez und ich bin eine Deutsche mit Migrationshintergrund. Meine Mutter ist gebürtige Ukrainerin und mein Vater ist Russe, der in Kasachstan geboren ist. Mein Großvater ist jedoch Deutscher, der in einem deutschen Dorf in Russland geboren und aufgewachsen ist. Und so weiter.
Ihr seht, sich einen Überblick über meinem Familienstammbaum zu verschaffen, ist gar nicht so einfach. Mit diesem Hintergrund interessiert es mich natürlich, wie es Anderen ergeht, deren Heimat nicht Deutschland ist.
Zwei haben sich meinen Fragen und dem unangenehmen Thema Rassismus gestellt.
„Von den Schülern werde ich nicht akzeptiert“
Max ist seit 2013 in Mittweida und studiert Maschinenbau. Er kommt aus Südostasien und möchte hier nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden – zu groß war die Scham, darüber zu sprechen.
medienMITTWEIDA: Hattest du, bevor du nach Deutschland gekommen bist, Vorurteile gegenüber den Deutschen aufgrund der Nazi-Vergangenheit?
Max: Nein, das war nicht der Fall. Ich mag Deutschland gerne und auch Sachsen. Mir gefällt der sächsische Dialekt.
medienMITTWEIDA: Hast du in Mittweida schon mal negative Erfahrungen aufgrund deiner Herkunft gemacht?
Max: Öfters werde ich an der Straße angesprochen, aber nicht, weil die Menschen ein Gespräch aufbauen wollen, sondern einfach, damit sie meine Aufmerksamkeit erhalten. Ich bekomme blöde Kommentare an den Kopf geschmissen. Einmal wurde ich mit dem N-Wort beschimpft, wobei ich gar nicht schwarz bin. Da ich asiatisch aussehe, grüßen mich viele Bürger aus Mittweida mit „Konnichiwa!“ (japanisch: Hallo) oder ,,nǐ hǎo’’ (chinesisch: Hallo). Die Menschen wissen nicht, woher ich komme und begrüßen mich trotzdem auf chinesisch oder japanisch. Das kann ich nicht nachvollziehen und sie können sich nicht vorstellen, wie es mir dabei geht.
medienMITTWEIDA: Von wem kommen solche Äußerungen?
Max: „Es sind weniger die Studenten oder Einwohner, sondern eher die Schüler, die einem zu schaffen machen. Wenn ich an der Bushaltestelle vorbeigehe und die Schüler auf ihren Bus warten, fangen sie an zu lachen, zu tuscheln und schauen alle auf mich. Ich versuche, mich davon nicht irritieren zu lassen und gehe einfach weiter.“
medienMITTWEIDA: Was hast du für einen Eindruck von Mittweida und deren Bürger?
Max: Ich habe vorher in Leipzig gewohnt und da war ich einer von vielen. Ich war anonym. Leipzig ist eine Großstadt. In Mittweida falle ich auf, da das eine Kleinstadt ist. Ich höre öfters Kommentare, die mich betreffen. Ich weiß ganz genau, dass ich damit gemeint bin. Die Anspielungen sind deutlich genug. Anschließend wird der Blickkontakt vermieden.
Mit den Einwohnern komme ich klar. Viele Menschen, wie mein Vermieter, sind sehr nett und offen. Mein Problem sind die Schüler, von denen ich keine Akzeptanz erhalte. Ich fühle mich trotzdem gut in Mittweida, jedoch will ich nach dem Studium gerne wieder in eine Großstadt.
medienMITTWEIDA: Gibt es Austauschstudenten in deinem Bekanntenkreis, die negative Erfahrungen in Mittweida gemacht haben?
Max: Eine Freundin, die Muslimin ist und dementsprechend ein Kopftuch trägt, wurde von einer Einwohnerin blöd angemacht.
medienMITTWEIDA: Inwiefern blöd angemacht?
Max: Sie war in der Rochlitzer Straße unterwegs und da kam eine Frau ihr entgegen, die sie fragte: ,,Warum trägst du ein Kopftuch? Du bist hier in Deutschland. Das brauchst du nicht.’’ Natürlich hat sich meine Freundin in dem Moment nicht wohl gefühlt. In einer Großstadt wäre sowas wahrscheinlich nicht passiert.
Verfolgungsjagd vom Supermarkt bis zum Studentenwohnheim
Anschließend habe ich mich mit dem BWLer Dima Marchuk aus Weißrussland getroffen und wollte mir seine Geschichte anhören. Er erzählte mir, dass er etwa vor einem Jahr mit seinen Freunden auf dem Weg zu einem Supermarkt war, als sie eine bedrohliche Begegnung machten:
„Vom Studentenwohnheim aus ist es nicht weit. Wir planten eine Geburtstagsparty eines Freundes. Schnell waren zwei Einkaufswagen voll und wir machten uns auf den Weg zurück zum Wohnheim. Um die Einkäufe nicht alle schleppen zu müssen, wollten wir die Wagen mitnehmen und selbstverständlich wieder zurückbringen. Wir waren gut gelaunt und wir waren noch nicht mal vom Parkplatz, da fiel uns ein Typ auf.“
Er beschrieb mir den Mann: Zwei Meter groß, breit gebaut, tätowiert, mit schwarzen Stiefeln und Glatze. Nachdem er Dimas Gruppe gesehen hatte, griff er zu seinem Telefon. Keine zehn Minuten später tauchte ein zweiter Mann mit einem Hund auf. Nach kurzer Zeit kamen auch noch zwei junge Frauen dazu.
„Sie folgten uns bis zum Wohnheim und fingen an, uns hinterherzurufen.
Wir waren bereits fast beim Wohnheim, da kamen sie zu uns und fingen an, mit uns zu diskutieren.“, berichtet Dima.
Die Gruppe verlangte von den Studenten, dass sie den Einkaufswagen sofort leeren und zurückbringen sollten. Dima und seine Freunde versuchten den beiden glatzköpfigen Männern und der dazugehörigen Begleitung zu erklären, dass sie nur die Einkäufe wegbringen und den Wagen wieder an seinen rechtmäßigen Platz bringen, aber es half nichts:
„Die Diskussion wurde immer lauter und aggressiver. Wir packten unsere Einkäufe beim Wohnheim aus und ein Freund machte sich auf den Weg, den Wagen wieder zurückzubringen. Ich bin gleich hinter meinem Freund losgegangen, da ich gesehen habe, dass die Männer ihm wieder zurück zum Supermarkt folgten.“
Ich fragte ihn, was denn der Grund für diesen Aufstand war.
„Es ging nicht um irgendeinen Einkaufswagen. Sie wollten uns bewusst provozieren und einen Grund für einen Konflikt herbeirufen“,
erklärte mir Dima.
„Lag es daran, dass ihr euch auf russisch unterhalten habt?“, fragte ich Dima. „Ich weiß es nicht. Es kann sein, dass das der Grund war. Das kann ich jedoch nicht mit Sicherheit sagen.“
Ich hakte weiter nach: „Kannst du sagen, dass die jungen Männern und Frauen, die ihr beim Supermarkt getroffen habt, Anhänger einer rechtsextremen Bewegung waren?“
„Natürlich ist es schwierig, das so zu beurteilen. Vom Kleidungsstil und Verhalten würde ich ja sagen“, sagte er.
Irgendjemand hatte währenddessen die Polizei zum Wohnheim gerufen, jedoch war es schon zu spät: Die Studenten waren längst im Wohnheim und die vierköpfige Gruppe mit ihrem glatzköpfigen Anführer hatte sich aus dem Staub gemacht.
Ein bitterer Beigeschmack
Dima und ich hatten ein langes Gespräch über das Thema Rassismus in Deutschland. Es war interessant, das Ganze aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Dima sind Dinge aufgefallen, die mir bereits alltäglich erscheinen.
Es hatte mich auch interessiert, was er für einen Eindruck von den Mittweidaer Einwohnern hat. „Allgemein muss ich sagen, dass ich kein Problem mit den Einwohnern und Studenten habe, jedoch fällt es auf, dass in Sachsen sehr viele NPD-Plakate während den einzelnen Wahlen hängen“, so Dima. Und fügt hinzu: „Das Ganze hat einen bitteren Beigeschmack.“ Er erklärte mir, dass er keine Vorurteile gegenüber Deutschland als Land hatte, bevor er hierher kam. „Ich hatte mich auf die Nazi-Vergangenheit nie fokussiert. Ich habe nie extrem drauf geachtet. Wie ich bereits erwähnt habe, fallen halt in Sachsen die NPD- Plakate sehr auf. Jedoch denke ich, dass das nicht meine Sache ist. Die Politik toleriert in gewissermaßen die Partei, sonst würde sie offiziell gar nicht mehr existieren. Ich werde mir darüber kein Urteil erlauben, da ich hier zu Gast bin. Das Thema Rassismus existiert weltweit. Menschen mit Verstand würden solche Parteien nicht unterstützen.“
Deutschland beschrieb er mit drei Worten: Freiheit, Stabilität und Bürokratie. Nach dem Diplom will er trotzdem zurück in sein Heimatland Weißrussland.
„Ich habe nichts gegen Ausländer, aber….“
Nach den beiden Interviews habe ich versucht, Einwohner Mittweidas zum Thema „Ausländer“ und Rassismus zu befragen, jedoch gelang es mir nicht: Sobald ich mit Block und Stift vor jemanden stand, wollte sich niemand äußern. Nachdem ich aber frustriert meine Sachen eingepackt hatte, waren alle wie im Redefluss. Am häufigsten kam: „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber….“ – in den unterschiedlichsten Variationen. Ich durfte mir so manches anhören, was ich lieber nicht veröffentliche.
Dass sich niemand von ihnen für diesen Artikel äußern wollte, spricht für sich. Auch wenn angeblich keiner ein Problem mit „Ausländern“ hat, merkt man doch an den Reaktionen der Leute, dass da irgendetwas dahintersteckt.
Ich selber habe mich übrigens in Deutschland nie fremd gefühlt, bis ich nach Mittweida kam. Meistens sind es Kleinigkeiten, die einen daran erinnern lassen, dass man eine andere Herkunft hat. Jedoch bin ich hier aufgewachsen und zähle Deutschland als einen Teil meiner Heimat.
Text: Katerina Krez. Fotos/Bearbeitung: Louisa Bandura.