Wenig Russisch und viel Schweighöfer

von | 10. April 2012

Mit „Russendisko“ ist aktuell wieder eine Buchverfilmung im Kino erfolgreich. Warum Adaptionen vom Original abweichen dürfen und es für Filmökonomen trotzdem keine Sicherheit gibt.

Mit 150.000 Zuschauern in der ersten Woche debütierte der auf einem Roman basierende Film „Russendisko“ auf Platz vier der Kinocharts. Literaturverfilmungen haben in Deutschland seit Jahren Konjunktur. Doch neben dem wirtschaftlichen Erfolg stehen oft die Leser, die von der Kinoumsetzung enttäuscht wurden.

Zweitvermarktung kein Erfolgsgarant

Die Verwendung eines Stoffes, der beim Publikum schon bekannt ist, heißt „pre-sold properties“. Prof. Dr. Vinzenz Hediger von der Goethe-Universität Frankfurt am Main untersucht unter anderem die Schnittmengen von Film- und Betriebswissenschaft. Er kennt das Problem, denn eine Kino-Adaption ist nicht zwingend ein Kassenschlager: „Da jeder Film sich von seinem Vorgänger unterscheiden muss, herrscht im Markt für Kultur- oder Informationsgüter ein hohes Maß an Unsicherheit.“ Ökonomen bezeichnen dieses Problem als symmetrische Ignoranz: „Das Publikum weiß nicht, ob ihm der Film gefallen wird, und die Produzenten können sich nicht darauf verlassen, was dem Publikum gefällt“, erklärt Prof. Dr. Hediger. Eine sichere Aussicht auf Erfolg gäbe es nicht.

Filmemacher haben viele Freiheiten

Ein Blick in die Liste der erfolgreichsten Filme weltweit zeigt, dass viele Filme auf „pre-sold properties“ basieren. Unter den ersten 20 Plätzen sind elf Filme, die aus der Literatur inspiriert worden sind. „Um die Risiken herabzusetzen, versuchen die Produzenten Filme herzustellen, die Merkmale aufweisen, die das Publikum schon kennt und die ein hohes Maß an Information aufweisen“, erklärt der Experte. „Dabei können sich die Filmproduzenten viele Freiheiten nehmen, weil das Publikum den Stoff ja oft auch nur vom Hörensagen kennt“, so Prof. Dr. Hediger weiter. Filmemacher würden mittlerweile versuchen, ihr Medium nach und nach „von einem ‚Erfahrungsgut‘ zu einem ‚Suchgut‘ umzubauen“. Schließlich seien dem Zuschauer positive Informationen wie Darsteller, Genre und die literarische Vorlage bereits vorher bekannt. Die Erfahrung nach einem Film trete in den Hintergrund, der Eintritt an der Kasse sei schließlich schon bezahlt.

Literaturverfilmung negativ besetzt

Statt des Begriffes „Literaturverfilmung“ benutzen Filmwissenschaftler eher „Adaption“, hat Anja Cermenek von der Universität Wien für ihre Magisterarbeit herausgefunden. Das Wort „Literaturverfilmung“ sei negativ besetzt. „Ein Medienwechsel verlangt ein gewisses Maß an Werktreue um von einer Adaption sprechen zu können“, schreibt Cermenek. Der Regisseur müsse sich mit der Vorlage sehr genau beschäftigen und sich gut überlegen, in welche Richtung er sie verändern möchte. Dabei hat er natürlich die Freiheit das Werk zu interpretieren.

„Russendisko“ ohne Russen

Im Film „Russendisko“ bedient sich Regisseur Oliver Ziegenbalg der literarischen Vorlage von Wladimir Kaminer. Auch hier gibt es Abweichungen vom Original: Während die Hauptfiguren im Buch Russisch sprechen, reden die Film-Akteure akzentfreies Hochdeutsch. Auch Mathias Schweighöfer als Wladimir Kaminer spiele laut diverser Kritiken nur seinen üblichen Typus, bekannt unter anderem aus „Zweiohrküken“ oder „Friendship“. Das dürfte die beteiligten Filmschaffenden aber kaum beleidigen: Regisseur Oliver Ziegenbalg gibt in Interviews offen zu, die Rolle für Schweighöfer geschrieben zu haben. Mit der Textvorlage sei er auch großzügig umgegangen.

<h3>Richard Hardege</h3>

Richard Hardege