eSport

Saudi-Arabien plötzlich eSport begeistert?

von | 20. Mai 2022

Die größten eSports-Veranstalter werden vom Saudi-Arabischen Kronprinzen aufgekauft, doch wie kam es dazu und was haben sie damit vor?

In naher Zukunft sollen die beiden eSport Giganten ESL und FACEIT unter einem Dach vereint werden. Den Rahmen für diese Aktion hat ein Arabisches Unternehmen geschaffen, welches beide Organisationen kurzerhand aufkaufte.  Nun ist fraglich, was der Deal für Konsequenzen mit sich bringt. Außerdem gab zu dem Thema der Experte Timo Schöber ein Interview mit medienMittweida. 

Was sind die ESL und FACEIT?

Die ESL (Electronic Sports League) und FACEIT bieten im Kern die gleichen Dienstleistungen an. Sie organisieren und veranstalten kompetitive Online-Ligen. Das Ligen-System funktioniert wie im Fußball, je höher man spielt desto professioneller wird es. Das Gleiche gilt bei der Bezahlung, wobei es hier auch auf die Bekanntheit des Spieles ankommt. Beide Organisationen bieten professionelle Ligen in mehr als einem Dutzend verschiedenen Spielen an und zählen zu den einflussreichsten Unternehmen im eSport. Zu den bekanntesten Spiele gehören: Counter-Strike: Global Offensive, Halo 5, Hearthstone und Tom Clancys Rainbow Six Siege.

Der zweite Teil besteht darin, Live-Events in Form von Turnieren zu veranstalten. Diese können live besucht werden oder wie bei den Ligen von zu Hause aus gestreamt werden. Der bisherige Höhepunkt, war 2019 ein zwei Wochen andauerndes Event in Katowice. Dort wurden über die 2 Wochen verschiedene Turniere in verschiedenen Spiel-Titeln ausgetragen. 174.000 Fans waren vor Ort dabei, 232 Millionen Zuschauer streamten das Event Online. Das Highlight war hier ein Counter Strike-Turnier, welches mit einem Preisgeld von einer Millionen Dollar dotiert war.

Pokalbild aus Katowice (2022)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Foto: Helena Kristiannson                                                                                                         

Wie steht es um den eSport?

Wie man bereits an den Zahlen erkennen kann, ist der eSport kein Nischenphänomen mehr, sondern hat sich in der Gesellschaft etabliert. Im Jahr 2021 hatte der eSport weltweit über 450 Millionen Zuschauer und die Branche einen Umsatz von 1,14 Mrd. Dollar. Und auch in Deutschland besteht ein explizites und immer weiter wachsendes Interesse für den eSport. 19 Prozent, also knapp ein ein Fünftel der Einwohner, gibt an, schon einmal eSport konsumiert zu haben und 12 Prozent verfolgen einen eSport sogar wöchentlich.

Anhand  der hohen Zuschauerzahlen sollte man die Schlussfolgerung ziehen können, dass im eSport auch hohe Umsätze generiert. Daraus sollten in der Regel auch hohe Gewinne folgen. Dies ist jedoch ein schnell gezogener Fehlschluss: Tatsache ist, dass die ESL bis heute rote Zahlen schreibt, so wie wahrscheinlich viele weitere Firmen im eSport. Dieser Fehlschluss basiert auf der Tatsache, dass der eSport und Gaming oft gleichgestellt werden, wobei der eSport nur einen Bruchteil des riesigen Gaming-Markts ausmacht.  Trotzdem wird von externen Sponsoren immer weiter in den eSport investiert, wodurch der Markt am Leben gehalten wird. Schlussfolgernd lässt sich festhalten, dass der eSport sich selbst momentan nicht selbst tragen kann und von externen Geldgebern abhängig ist.

 

Umsatz im eSport

 

In der nachfolgenden Grafik sind die Umsätze im eSport aus den Vorjahren zu sehen, ebenso wie Prognosen.

2019 waren es 957 Millionen Dollar. 2020 waren es 996 Millionen Dollar. 2021 waren es 1,13 Milliarden Dollar.

2022 sollen es 1,38 Milliarden Dollar werden. 2025 sollen es 1,86 Milliarden Dollar werden.

 

Was ist passiert?

Im Januar diesen Jahres wurden die beiden Organisationen, die einen großen Platz auf dem eSport Markt einnehmen, von der Savvy Gaming Group gekauft und sollen unter ihr nun zusammengefügt werden. Laut Medienberichten lag der Verkaufspreis bei rund 1,5 Milliarden Dollar, wobei der Transfer von der ESL allein rund eine Milliarde Dollar gekostet haben soll. Der vorherige Besitzer, ein schwedisches Unternehmen namens Modern Time Group, besaß die ESL seit 2015 und konnte bis heute keine keine Gewinne damit erwirtschaften. „Wirtschaftlich ist das ein ganz normaler Prozess.“ Timo Schöber

Timo Schöber

Timo Schöber ist Autor und verfasste bereits mehre Bücher zum Thema eSport. Darüber hinaus ist er ehemaliger Profispieler und seit 1988 im eSport-Markt aktiv.

Der Käufer?

Aber wer ist nun der Käufer? Hinter dem Kauf steht die Savvy Gaming Group. Medienberichten nach steht allerdings hinter der Savy Group ein saudi-arabischer Staatsfond und dieser Staatsfond untersteht der Monarchie in Saudi-Arabien. Zurzeit ist der Kronprinz Mohammed bin Salman der regierende Monarch. Somit hat der Staat Saudi-Arabien den Kauf getätigt. 

Was könnte sie dazu motiviert haben? Auf diese Frage gibt es keine genaue Antwort, doch es liegt nahe, dass sie versuchen könnten, ihr Investment in Wachstumsmärkte zu integrieren, um sich so auch in Zukunft Wohlstand sichern zu können. Dieses Potential sehen auch viele andere Investoren. Des Weiteren könnte der Aspekt des Sport-Washing eine Rolle spielen. Beim Sport-Washing wird versucht, das Image vom Sport und die positive Stimmung auf das eigene Land zu übertragen. Ein aktuelles Beispiel dafür wäre Qatar, welches die WM als Mittel zum Zweck bei sich ausrichtet.

Viele halten Saudi-Arabien für einen Staat der Möglichkeiten. Aber ist dem so?

Nach der Übernahme wurde ebenfalls verkündet, dass man weiteres Geld investieren wollen würde. Dieses Vorhaben eröffnet viele Chancen und Möglichkeiten, die es so vorher für die ESL und FACEIT noch nicht gab. 

Mit dem Geld könnte man das ganze ökonomische System professionalisieren und den vielleicht den eSport dazu bringen sich selbst zu tragen anstatt über Investoren, vermutet der Experte Timo Schöber.

Darüber hinaus könnte die ESL und FACEIT natürlich auch größere und neue, kreative Projekte umsetzen oder alte wieder aufleben lassen, wie zum Beispiel Franchise-Ligen.  

Mit dem einfließenden Geld kommen jedoch nicht nur positive Möglichkeiten, wie bereits erwähnt, ist der eSport Markt beziehungsweise die ESL nicht rentabel, das heißt, es werden keine Gewinne erwirtschaftet. Daraus folgt, dass, die Investoren mit ihren Investments ebenfalls keine Gewinne erzielen. Jedoch wird immer mehr investiert wobei man sich nun den eSport als einen Ballon vorstellen könnte, der immer weiter mit Geld gefüllt wird. Der Punkt, an dem dieser platzen könnte, ist wenn, die Investoren nicht mehr bereit dazu sind Geld zu investieren und sie sich aus dem eSport zurückziehen. Dies könnte, zu einem kompletten Kollaps für den eSport führen. „Wenn das ökonomische System nicht gesundet, wird es irgendwann platzen.“ Timo Schöber 

Die moralische Frage?

Saudi-Arabien ist eine absolutistisch theokratische Monarchie und orientiert sich bei der Rechtsprechung an dem Koran. Hierbei ist besonders markant, dass auf Homosexualität im schlimmsten Fall die Todesstrafe folgt und Frauen immer noch stark unterdrückt werden. Dazu im Kontrast steht die eSport- beziehungsweise die Gaming-Community, bei der weder Sexualität noch Religion noch Herkunft eine Rolle spielt. Des Weiteren steht der Kronprinz von Saudi-Arabien laut Medien unter Verdacht, einen Mord an einem Journalisten in Auftrag gegeben zu haben. Dies kann man als Versuch der Einschränkung der Pressefreiheit verstehen. „Geld wird hier über Moral gestellt.“ Timo Schöber

Trotz dieser grundlegend verschiedenen Werte gab es aus der eSport Szene jedoch keine großen Beschwerden wie in der Vergangenheit bei Neom. Neom ist ein Mega-Stadt Projekt von Saudi-Arabien, welches der Partner von der damals laufenden League of Legends Liga werden wollte. Jedoch gab es auf Grund der unterschiedlichen Werte einen Aufschrei, worauf Mitarbeiter kündigten und Fans streikten. Im Anschluss wurden die Partnerverträge wieder aufgelöst.

Der Experte Timo Schöber vermutet als Ursache dafür einen grundlegenden Unterschied der verschiedenen Gaming-Communitys und dass eher das Potential und das Geld anstatt die Risiken gesehen werden.

Mögliche Ereignisse in der Zukunft?

Es gab noch keinen großen Aufschrei aus der Community, jedoch ist damit nicht gesagt, dass es gar nicht mehr passiert. Möglich ist das sowohl die ESL als auch FACEIT mit einem Imageschaden aus dem Deal hervorgehen ähnlich wie League of Legends bei dem Neom-Skandal. Bisher hat der Investor weder große Personalveränderungen kommuniziert, noch wurden laufende Kampagnen(wie GG for all) eingestellt. Aktuell sind die beiden Unternehmen ESL und FACEIT noch nicht zusammengeführt worden, dies soll jedoch noch offiziell 2022 laut ESL stattfinden. 

Text: Maximilian Sickert    Bilder: ESL Logo, FACEIT Logo, ESL Pokalbild, ESL Header

<h3>Maximilian Sickert</h3>

Maximilian Sickert

ist 21 Jahre alt und studiert derzeit im 4. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida.