Serien im Wandel – Neues Potenzial oder alter Schinken?

von | 20. Mai 2014

Das Fernsehprogramm muss sich ständig an die Bedürfnisse seiner Zuschauer anpassen. Aber wie zeigt sich der Wandel der Bedürfnisse der Zuschauer beispielsweise an langjährigen deutschen Serien? medienMITTWEIDA hat dazu exklusive Antworten aus […]

Das Fernsehprogramm muss sich ständig an die Bedürfnisse seiner Zuschauer anpassen. Aber wie zeigt sich der Wandel der Bedürfnisse der Zuschauer beispielsweise an langjährigen deutschen Serien? medienMITTWEIDA hat dazu exklusive Antworten aus den Redaktionen von RTL und ARD.

Geschichten erzählen war schon immer interessant, egal auf welchem Medium. Und wo kann das nicht besser umgesetzt werden, als in Serien oder Daily Soaps? Ob Krimi, Lovestory oder der Alltag unter Freunden – im deutschen Fernsehen ist alles vertreten und trotzdem müssen auch neue Formate geschaffen werden. Patrick Möller, Berater für transmediales Storytelling aus Berlin, sagte auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland in Leipzig vor zwei Wochen, wie wichtig Serien in Zukunft für den Markt werden. Seine Prognose: Weniger Filme und mehr Crossmediale Interaktion mit dem Zuschauer. Immerhin sind Serien bekanntlich die Quotenbringer für ARD, RTL und Co. „Tatort“ mit sieben bis zwölf Millionen Zuschauern, „GZSZ“ mit 3,25 Millionen, aber auch neue Konzepte wie „Berlin Tag und Nacht“ von RTL 2 bringen viele Fans immer wieder zurück vor den Fernseher.

Tradition oder Innovation?

Viele Sender punkten immer noch mit traditionellen Formaten. Am Beispiel von zwei gleich alten Serien wird im Folgenden nicht nur die Entwicklung über viele Jahre, sondern auch der Unterschied zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Angebot gezeigt. Die RTL-Krimiserie „Alarm für Cobra 11“ und die ARD-Serie „In aller Freundschaft“ werden beide seit Ende der 90er Jahre produziert und erreichen regelmäßig einen Marktanteil von rund 20% (ab Dreijährigen).

„Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei“ zählt als eine der erfolgreichsten deutschen Actionserien. In den letzten Staffeln lagen die Zuschauerzahlen der 14 – 49-Jährigen laut „Quotenmeter.de“ durchschnittlich bei 2,44 Millionen, das entspricht einem durchschnittlichen Marktanteil von 19 Prozent. Ebenfalls bezeichnend für den Erfolg der Serie ist die internationale Ausstrahlung in über 120 Ländern wie z. B. in Russland oder Japan, sagt RTL.

„Alarm für Cobra 11“ ist heute bekannt als Action-Krimiserie. Wenn man sich jedoch die ersten Staffeln ansieht, erkennt man die Serie nicht wieder. Die Kriminalfälle, mit denen die beiden Partner zu kämpfen hatten, waren von einfacher Natur und auch die Action weniger spektakulär. Heute dagegen retten die beiden Autobahnpolizisten in jeder Folge die Welt vor einem Atomkrieg oder vor einem Zusammenbruch der Weltwirtschaft. Dabei legen sie jedes Mal halb Köln in Schutt und Asche. Schaut man sich Folgen aus verschiedenen Staffeln an, stellt man fest, dass der Realitätsgrad mit steigender Staffelzahl abnimmt, der Action-Anteil und die erzeugte Spannung jedoch zunehmen. Wie sich „Alarm für Cobra 11“ künftig entwickeln wird, verriet uns Claus Richter, leitender Redakteur im Bereich Fiction & Comedy bei „RTL NITRO“:

„Es wird auf jeden Fall in Richtung durchgehende Handlung gehen, sodass episodenübergreifende Geschichten besser erzählt werden können. Die Action wird immer spektakulär bleiben, aber sie ist irgendwann nicht mehr zu toppen. Also müssen die Figuren und Geschichten umso stärker sein.“

Genau wie „Alarm für Cobra 11“ für RTL, ist „In aller Freundschaft“ ein zuverlässiger Quotenbringer für das Erste. Laut „Quotenmeter.de“ lockte in den letzten Jahren die Sendung rund sechs Millionen interessierte Zuschauer Dienstagabend an den Bildschirm. Anders als bei Cobra 11 (19 Prozent), lag der Marktanteil bei der letzten Staffel bei den 14 – 49-Jährigen bei knapp zehn Prozent.

Langfristige Authentizität wichtiger als aktuelle Trends?

Im Gegensatz zum actiongeladenen Krimi bekämpft man bei „In Aller Freundschaft“ ausschließlich Krankheiten in der fiktiven Sachsenklinik in Leipzig. Anfangs konzentrierte sich die Handlung hauptsächlich auf die drei miteinander befreundeten Hauptcharaktere, heute wird die Handlung durch eine wiederkehrende Stammbesetzung aus 15 bis 18 Krankenhausmitarbeitern getragen. Hauptbestandteil der Handlung ist die Konfliktlösung in medizinischer Form, aber die persönlichen Probleme der Patienten oder zwischen dem Klinikpersonal.

„Jedes medizinische Problem hat eine Lösung, jedes zwischenmenschliche Problem hat eine Lösung und am Ende siegt das Gute, auch wenn der Weg nicht einfach ist.“ So beschreibt Bianca Richter, Referentin für Presse und Information beim Mitteldeutschen Rundfunk, wie nah die Serie am „Erlebniskosmos der Zuschauer“ ist. In Zukunft sollen weiterhin Themen mit aktuellem Bezug oder gesellschaftliche Themen so aufbereitet werden, „dass einerseits eine sanfte kritische Auseinandersetzung darüber stattfindet, aber dann doch auch eine Lösung bzw. ein Lösungsansatz vermittelt wird.“ Zu der Figurengestaltung sagte sie im Interview gegenüber medienMITTWEIDA:

„Natürlich sind wir bestrebt, uns in den Figuren und den Geschichten weiterzuentwickeln. Langfristige Authentizität ist uns dabei wichtiger, als kurzfristigen Trends hinterherzulaufen. Nichtsdestotrotz sehen wir es weiterhin als Aufgabe und Herausforderung für die Zukunft, mehr Abwechslung durch Anspannung und Entspannung – vor allem durch Humor – durch Beschleunigung und Verdichtung in der Erzählweise sowie eine stärkere Differenzierung in den Figuren zu erreichen.“

Vergleichend kann man sagen, dass sich „In aller Freundschaft“ im Gegensatz zu „Alarm für Cobra 11“ in den 16 Jahren weniger stark verändert hat, weder inhaltlich noch von der Produktionsweise. Während bei „Alarm für Cobra 11“ immer mehr Action dazu kam, blieb „In aller Freundschaft“ größtenteils gemütlich.

Wie sieht die Zukunft des Deutschen Fernsehens aus?

Wie oben schon beschrieben, wird die Crossmediale Interaktion mit dem Zuschauer über Social Media den Fernsehmarkt beeinflussen und entwickeln. Bei „Alarm für Cobra 11“ und „In aller Freundschaft“ ist das beispielsweise schon längst Alltag. Über Facebook wird der Zuschauer aufgefordert, an der Entwicklung der Serie mitzuwirken. Nach der Ausstrahlung der einzelnen Folgen wird dann über den Inhalt diskutiert. medienMITTWEIDA hat die für die beiden Beispielserien zuständigen Redakteure dazu befragt, wie die jeweiligen Sender sich der Entwicklung anpassen:

Claus Richter von „RTL NITRO“:

„Da US-Serien im linearen deutschen TV nicht mehr so viele Zuschauer erreichen wie es mal der Fall war in den Hochzeiten von Dr. House und CSI: MIAMI, wollen wir als Sender wieder stärker in Richtung eigenproduzierte Serie gehen. Damit hat ein Sender ein Alleinstellungsmerkmal wie eben RTL mit „Alarm für Cobra 11“, weil man die Serie eben nur dort schauen kann und nicht wie bei US-Serien Monate vorher schon im Original im Internet.“

Silvia Maric, Leiterin im Bereich Presse und Information der ARD:

„Es ist immer wieder eine große Herausforderung, gute Serien ins Fernsehen zu bringen. Fernsehen ist per se nie Stillstand und die Fernsehfilmredaktionen der ARD arbeiten weiter und intensiv an neuen Serienformaten mit aktuellen Bezügen, an innovativen und mit ungewöhnlicher Handschrift erzählten Geschichten für Das Erste. Denn Serien besitzen einfach eine ungebrochene Anziehungskraft – das Publikum liebt länger laufende Geschichten mit sich weiterentwickelnden Figuren.“

Damit zieht Silvia Maric ein gutes Fazit mit Blick in die Zukunft, denn es steht fest: Durch die Zunahme und Verbreitung des Online-Streamings werden sich noch viele Formate ändern. Sie müssen auf sich aufmerksam machen, damit die Zuschauer vor dem Bildschirm bleiben.

Text: Benjamin Lubashevsky. Grafik: Vanessa Schwaar.

<h3>Benjamin Lubashevsky</h3>

Benjamin Lubashevsky

Redakteur bei medienMITTWEIDA Redakteur bei 99drei Radio Mittweida Kontakt: blubashe@hs-mittweida.de zu Hören: Die Leinwand