Couchkritik

Viermal Rebellion zum Mitnehmen

von | 29. November 2019

Der Herbst steht im Zeichen der Rebellion und diese Serien werden euch garantiert an die Couch fesseln.

Eine Neuauflage, eine realitätsnahe Liebe, eine Revolution am Puls der Zeit und ein Blick in die Vergangenheit. Der Herbst punktet mit popcornreifen Serien, die eines gemeinsam haben: Rebellion.

Modern Love – Staffel 1 –seit 18. Oktober auf Amazon prime

Liebe hat viele Gesichter. Ein Satz, der gesagt wird, ohne zu begreifen, was er eigentlich bedeutet. Unverschwitzte Sexszenen und perfektes Make-up am Morgen – in Filmen und Serien wird meist eine romantisierte Version erzählt, die als Liebe verkauft wird, aber die Realität meist verfehlt. Doch die Amazon Prime Eigenproduktion Modern Love rebelliert gegen die Norm und ist so schon näher dran, zu verstehen, was Liebe eigentlich bedeutet. Sie erzählt in acht Episoden seit dem 18. Oktober von der Liebe in all ihren Facetten. Dabei orientiert sich die Anthologie-Serie an der berühmten „Modern Love Kolumne der New York Times. Darin werden wöchentlich seit 15 Jahren Essays über Lebens- und Liebesgeschichten veröffentlicht.

Ein Essay zu Papier zu bringen, ist nicht ganz einfach, geschweige denn, ihn zu verfilmen. Doch Modern Love schafft es philosophisch zu sein, ohne abzuheben. Die Liebe in den Geschichten ist nahbar und nachvollziehbar, denn die Serie ist kein Spiegelbild einer perfekten Romanze, die mit Kuss und „Fuß-flipp“ endet. Sie ist das Spiegelbild echter Lebensgeschichten und deshalb absolut sehenswert.

 

Acht Definitionen von Liebe

Die Serie lebt von der Vielfalt, denn sie besteht aus acht unterschiedlichen Geschichten. Eine über Maggie Mitchell (Cristin Milioti), deren engster Vertrauter der Nachtportier ist. Eine über Joshua (Dev Patel) und seine unvergessene Liebe. Eine über Lexie (Anne Hathaway) und ihr Leben auf einer emotionalen Achterbahnfahrt. Mehr Details wird es hier jedoch nicht geben, denn die einzelnen Episoden sind mit 30 Minuten nur eine „Chipstüte“ lang und es gibt keine Ausrede, den Kurzgeschichten keine Chance zu geben.

Allein, weil sich um die filmische Umsetzung kein anderer gekümmert hat, als John Carney, sollte man der Serie eine Chance geben. Once, Can a Song Save Your life und natürlich Sing Street– der Regisseur und Drehbuchautor weiß, wie man Geschichten erzählt. Nun folgt Modern Love und die Serie steht den vorherigen Werken in nichts nach, denn Carney zeigt einmal mehr, mit welcher Präzision und Natürlichkeit er es schafft, Emotionen zu transportieren und Menschen zu porträtieren. Also so viel sei verraten: Modern Love ist unkonventionell, ehrlich und durchaus mehr als ein leichter Snack zwischendurch.

Wir sind die Welle – Staffel 1 – seit 2. November auf Netflix

Ein verhängnisvolles Glas Wasser und ein flammendes Plädoyer. Die neue Netflix-Eigenproduktion Wir sind die Welle verspricht in den ersten fünf Minuten eines: Den Puls der Zeit zu treffen.

Die erste Staffel ist seit 2. November auf Netflix und thematisiert in sechs Folgen eine Revolution, wie sie aktuell auch in der Realität stattfindet. Handlungsträger sind ein Rebell, eine Streberin, ein Psycho, ein Ausländer und ein Freak. Was wie die Konstellation aus dem Klassiker Breakfastclub klingt, ist der ungleiche Kern der Revolution. Eine zugegebenermaßen recht langweilige und vorhersehbare Gruppe an Handlungsträgern: Die Streberin Lea bricht aus ihrem schnöden Tennis-Schule-Tennis-Alltag aus. Der Rebell hat endlich jemanden, der seine Ideologie unterstützt und der Freak wird endlich so gemocht, wie er ist. Eine Rollenbesetzung, die wenig innovativ und aufregend klingt. Und doch funktioniert sie immer wieder.

 

Wir waren wie ein Feuer, das ausbrechen wollte und er (Tristan) hat den Funken entfacht.

Lea (Luise Befort)

 

Tristan, der frisch als Freigänger auf das Gymnasium kommt, um sein Abi zu machen, ist der Initiator der Geschichte. Auch wenn nicht ganz klar ist, ob man ihm für seinen Einfluss danken sollte oder lieber nicht, denn auch wie in dem Film Die Welle von Dennis Gansel verlieren die fünf Rebellen schnell die Kontrolle über die Aktionen und über die wachsende Gruppe an Anhängern. Die Revolution spaltet sich in Lager. Fragen stehen im Raum. Wie weit darf Rebellion gehen? Welche Verbrechen dürfen mit Moral und Ethik gerechtfertigt werden? Sind Sätze wie „wir sind gegen den Klimawandel“ und „nieder mit dem Kapitalismus“ heute Freifahrtscheine für kriminelle Handlungen? Die Serie drängt diese Fragen auf, ohne sie verbal zu thematisieren oder eindeutig Stellung zu beziehen, denn das soll jeder für sich entscheiden.

Optisch gesehen bezieht die Serie jedoch eindeutig Stellung. Sie fährt den Stil eines apokalyptischen, modernen Settings und der Look erinnert stark an Serien wie The Rain – kühl und farbintensiv. Was also wie ein Mashup verschiedener Filme und Serien klingt, ist auch genau das. Wir sind die Welle überzeugt mit schönen Schnittbildern, interessanten Dialogen und einem zeitgemäßen Thema. Eine Empfehlung!

Die neue Zeit – Staffel 1 – seit 30. August auf arte

Wie ein Egoshooter stolpert der Zuschauer durch die Gräben an der Front. Eine Druckwelle breitet sich aus und hinterlässt in den Ohren nur ein dumpfes Dröhnen. Kameraden schwanken, fallen und bleiben reglos liegen. Die neue Zeit startet mit einem Rückblick in die Vergangenheit. In die Vergangenheit von Walter Gropius.

Walter Gropius

Walter Gropius

wurde 1919 zum Direktor der Großherzoglich-Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst in Weimar ernannt und gab der Schule den neuen Namen „Staatliches Bauhaus in Weimar“. Gropius Ziel war die Errichtung des „Baus der Zukunft“ als Gesamtkunstwerk. Er stellte die bisherige Lehre am Bauhaus in Frage und stieß mit seinen neuen Ideen nicht nur auf Zustimmung und Unterstützung.

„Ich stehe und kämpfe für die radikale Kunst.“ – Walter Gropius

Walter Gropius leitete das Bauhaus bis zum Jahr 1928. Im Jahr 1937 emigrierte er in die USA nach Cambridge. Dort unterrichtete er an der Harvard University, als Professor für Architektur. Er starb 1969 in Boston.

 

Die neue Zeit ist eine Zero One Film Production in Kooperation mit dem ZDF und arte. Sie erzählt in sechs Folgen vom Leben und Wirken des Walter Gropius am Bauhaus in Weimar. Zeitlich und inhaltlich fokussiert sich die Serie hierbei auf seine Zeit als Direktor, also von 1919 bis 1928. Eine unruhige Zeit, geprägt von gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen. Denn Weimar war nach dem Krieg nicht nur politischer Nabel Deutschlands, sondern setzte mit der neuen Ausrichtung des Bauhauses auch den Grundstein einer neuen Kunst. Doch die erste Folge startet lange nach Gropius (August Diehl) Zeit am Bauhaus, denn wir befinden uns im Jahr 1963. Walter Gropius, jetzt alt und grau, wird in einem Interview mit seiner Zeit am Bauhaus konfrontiert und mit der Frage, ob die Frauen am Bauhaus unterdrückt wurden. Mit dieser Frage als Leitfaden hangelt man sich im Laufe der Serie mit Gropius als Erzähler an der Vergangenheit des Bauhauses entlang.

 

Kunst ohne Etat

Doch der rekonstruierende Charakter der Serie spiegelt sich nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch wider, denn durch das Zusammenspiel von Bildern und Video erinnert Die neue Zeit an eine historische Dokumentation. Eine Erzählstrategie, die nicht alltäglich ist. Aber auch das Setting und die Kostüme gliedern sich, wie zu erwarten war, sehr gut in die Zeit und in das Genre ein. Obwohl man sagen muss, dass die Maske beim 80-jährigen Walter Gropius eine katastrophale Arbeit geleistet hat, da hätte etwas CGI (Computer Generated Imagery) wirklich geholfen. Aber zumindest der Rest erfüllt alle Erwartungen, denn historische Dramen können die öffentlich-rechtlichen einfach aus dem FF. Wer sich also für eine Serie mit dokumentarischem Charakter und für die deutsche Kunstgeschichte interessiert, ist hier genau richtig. Die neue Zeit ist definitiv nicht für jeden etwas, aber auf jeden Fall einen Blick wert, denn viele der Themen, die damals relevant waren, sind keinesfalls eingestaubt – sie sind aktueller wie nie.

 

His Dark Materials – Staffel 1 – seit 25. November auf Sky

Dämonen und Menschen gehören zusammen.

His Dark Materials

Wie genau diese Verbindung aussieht, erzählt Folge für Folge His Dark Materials. Die Serie läuft seit dem 25. November auf Sky und ist eine neue Interpretation der Buch-Erfolgsreihe „His Dark Materials” von Philip Pullmann, wahrscheinlich besser bekannt unter dem Namen „Der goldene Kompass“, denn New Line Cinema hat 2017 das erste Buch unter genau diesem Titel verfilmt, jedoch wurde nie ein zweiter Teil gedreht. Jetzt hat sich BBC One an eine Adaption der Bücher gewagt und erzählt die spannende Geschichte von der zwölfjährigen Lyra (Dafne Keen).

Lyra ist ein Waisenkind, das in der Obhut von Wissenschaftlern aufgewachsen ist. Sie lebt umgeben von Magie, denn jeder Mensch in ihrer Welt hat einen tierischen Begleiter, ein Dämon, als Ausdruck der eigenen Seele zur Seite gestellt bekommen. Spannend ist, dass sowohl die Serie als auch die Buchvorlage Welten vermischt. Von wissenschaftlichen Erkenntnissen über Religion bis zu Schamanismus. Alles hat seinen Platz und wird in Zusammenhang gebracht. Obwohl nicht als Kirche bezeichnet, steht Lyras Welt definitiv unter dem Druck des sogenannten Magisterium.

Was das Ganze zu bedeuten hat und wie sich die Serie weiterentwickelt, erfahren wir leider nur nach und nach, denn His Dark Materials wird Folge für Folge veröffentlicht. Deshalb ist es schwer, abzuschätzen, ob die Neuverfilmung den Büchern gerecht wird. Doch der namhafte Cast könnte ein Indiz dafür sein, dass hier ein neues Fantasy Must-Have schlummert, denn Schauspieler wie James McAvoy gelten schon fast als Garant für Erfolg. Zudem wird schon in der ersten Folge deutlich, dass man mit Lyra eine starrköpfige und unbeugsame Heldin hat, die die Geschichte durchaus tragen kann. 

Die Serie handelt vom Erwachsenwerden, von Verantwortung und Erkenntnis. Das Ziel sei es gewesen, so nah an Pullmanns Büchern zu bleiben wie möglich. Und zumindest die kirchenfeindliche Haltung merkt man deutlich, denn die Obrigkeit der Kirche (Magisterium) wird in Frage gestellt. His Dark Materials ist ein Aufruf zur Kritik und zur Rebellion. 

 

Text: Julia Scholl, Fotos: Netflix/Bernd Spauke | © Home Box Office, Inc. All rights reserved |  ZDF/Julia Terjung | © 2019 Amazon.com Inc., or its affiliates, Montage: Julia Scholl

<h3>Julia Scholl</h3>

Julia Scholl

ist 22 Jahre alt und studiert im 5.Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Sie arbeitetet als Redakteurin bei medienMITTWEIDA. Parallel zum Studium absolviert sie ein Volontariat und arbeitet beim Social-Media-Nachrichtenportal Light up News.