Facebook, WhatsApp und Co. sind feste Bestandteile des Alltags. Die Inhalte werden dabei immer freizügiger. Auch Nacktbilder sind heute nicht mehr selten. Bleibt die Frage: Wo soll das noch hinführen?
Es ist ein Phänomen, das nicht nur wir an der Hochschule, sondern fast alle junge Menschen derzeit miterleben. Mal ehrlich: Wer hat noch kein Bild von sich versendet, wie er oberkörperfrei, im Bikini oder noch freizügiger posiert, um dem Chatpartner am anderen Endgerät eine mehr oder weniger große Freude zu bereiten? Die meisten haben es selbst bereits getan, wenngleich auch in unterschiedlichem Umfang.
Der Trend nennt sich „Sexting“, stammt aus den USA und verbreitet sich auch stark in Europa.
„Sexting“ beschreibt eine Mischung aus Sex und texting (englisches Wort für SMS-Schreiben). Früher lag die Bedeutung hierbei meist beim sogenannten Dirty Talk, der zur gegenseitigen Erregung dienen sollte. Doch seit der Verfügbarkeit von Instant-Messaging-Anwendungen verwendet man das Wort hauptsächlich für das Versenden von freizügigen Selbstaufnahmen.
Eine Umfrage der Hochschule Merseburg führte schon 2012 zum Ergebnis, dass fast jedes fünfte Mädchen (19 % der 16- bis 18-Jährigen) schon einmal erotische Fotos oder Filme von sich gemacht und versendet hat. Was vor ein paar Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre, gehört heute schon fast zur Normalität. Die Problematik besteht jedoch darin, dass Absender und Empfänger solcher Inhalte immer jünger werden und ein Großteil noch minderjährig ist.
Darum stellen sich folgende Fragen: Warum verbreitet sich „Sexting“ so stark und gibt es eigentlich ein Mindestalter, um Nacktfotos überhaupt verschicken zu dürfen?
Durch mehr Komfort zur geringeren Hemmschwelle
Die Möglichkeiten, sich mit anderen Menschen auszutauschen, werden immer schneller. Ist bei einer SMS oder einer E-Mail das Hinzufügen von Dateien noch mit sehr vielen Klicks verbunden, setzen die heutigen Anbieter auf die Faulheit der Menschen. So werden bei Diensten wie „WhatsApp“ oder „Facebook“ nicht einmal fünf Sekunden benötigt, um ein Bild aufzunehmen und umgehend zu versenden. So schnell wie ein Bild versendet ist, so schnell verschwindet es auch von der Bildfläche. Doch die meisten Chat-Applikationen speichern die Bilder auf den Endgeräten ab.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, kamen zwei Amerikaner Ende 2011 auf die Idee, die Instant-Messaging-App „Snapchat“ auf den Markt zu bringen. Nach dem Versenden wird das Bildmaterial für zehn Sekunden angezeigt und anschließend gelöscht – so verspricht es zumindest der Anbieter. Mittlerweile weiß aber jeder, dass schon ein Screenshot genügt, damit das Bild in den Händen des Empfängers bleibt. Zusätzlich dazu wurden neue Apps speziell dafür programmiert, die empfangenen Bilder zu speichern.
Trotzdem fühlt sich ein Großteil der Menschen sicherer und ist bereit, noch freizügigere Bilder von sich zu versenden. Die „Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine“ befragten zur Thematik Sexting bereits 2010 rund tausend Jugendliche an öffentlichen Schulen in Texas. Ein Drittel gab an, schon einmal ein Nacktfoto von sich versendet zu haben. Auch eine britische Studie aus dem Jahr 2012 ergab, dass dort bereits 25 % aller Jugendlichen entblößte Fotos von sich versendeten. Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest fand mit der „JIM-Studie“ (Jugend, Information und (Multi-)Media) heraus, dass 71 % der 18- bis 19-jährigen Deutschen das Versenden von brutalen Video oder Pornofilmen bereits mitbekommen haben.
Gesetzliche Richtlinien für Sexting
Sexting ist insbesondere in Bezug auf Minderjährige ein heikles Thema, was das zu Rate ziehen eines Anwalts nicht selten macht. Schnell kommen Fragen zum Jugendschutz oder einem Mindestalter auf. Und was gilt es beim „Sexten” zu beachten?
Aufgrund dieser Fragen wendeten wir uns an den Rechtsanwalt Thilo Zachow aus Chemnitz. In seiner Kanzlei „Audacious Admonish“ spezialisiert er sich insbesondere auf Urheberrecht, IT-Recht, Jugendschutzrecht, Internet und Neue Medien.
Ist das Senden solcher Bilder in jeglichem Rahmen erlaubt?
T. Zachow: „Es kommt darauf an… Habe ich selber ein Bild von mir gemacht, könnte ich grundsätzlich dieses Bild auch versenden. Aber es könnte sein, dass der Empfänger sich hierdurch belästigt fühlt. Zivilrechtliche Ansprüche aus Unterlassung und strafrechtliche, bspw. wegen Nachstellens, 238 StGB, sind möglich. Ich müsste mir also das Einverständnis des Empfängers einholen. Habe ich ein Lichtbild von mir machen lassen, müsste ich den Urheber (Fotograf) darum bitten, mir die entsprechenden räumlichen, zeitlichen und sachlichen Nutzungsrechte einzuräumen. Sonst gibt es Ärger mit dem Urheber. Will ein Dritter ein Bild versenden, benötigt der die Zustimmung des Abgebildeten und des Urhebers.“
Das Thema Sexting ist vor allem bei Minderjährigen derzeit weit verbreitet. Spielt das Alter des Senders oder Empfängers eine Rolle dabei, wie freizügig das Bild sein darf?
T. Zachow: „Bei unter 14-Jährigen sind pornographische Lichtbildwerke nicht zulässig. Der Empfänger solcher Werke, insbesondere wenn er volljährig ist, macht sich eventuell schon strafbar (einzelfallabhängig), der Versender in jedem Fall. Ab 14 Jahren bis 17 Jahren ist die Einwilligung der abgebildeten Personen erforderlich und es muss sich um eine tatsächliche Handlung handeln, also kein Film oder Lichtbild nach Drehbuch.“
Strafbar bzw. rechtswidrig wird es meistens, wenn der Empfänger das Bild auch anderen zeigt. Wann genau macht sich der Empfänger solcher Bilder strafbar und in welchem Rahmen?
T. Zachow: „Ich sehe es nicht so, dass es auf das Zeigen der Bilder ankommt. Die gängigen Normen sind §§ 184b (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften) und 184c StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften). Der Besitz reicht aus und dies kann schon mit dem Empfang beginnen. Wer das Lichtbild sofort löscht und dem Versender mitteilt, dass er künftig solche Bilder nicht erhalten möchte, hat keinen Vorsatz. Wer aber schreibt, mehr davon haben zu wollen und das Lichtbild behält, ist künftig mit den §§ 184b ff StGB dabei. Weiter sind strafbare Urheberrechtsverletzungen (§§ 16, 17, 19a, 72 ,106 UrhG) und die Verletzungen der Rechte am persönlichen Bild nach § 22 KunstUrhG möglich.“
Ob es tatsächlich Programme oder Apps gibt, die absolut sicher sind, bleibt zweifelhaft. So sollte jedem bewusst sein, dass im Internet Daten nicht gänzlich unzugänglich sind. Daher gibt es grundsätzlich nur Eines zu beachten: Schon vor dem Versenden von Nachrichten, Bildern oder Videos sollte sich der Verfasser im Klaren darüber sein, dass es ausreichend Möglichkeiten gibt, um seine Daten zu speichern, weiterzugeben und online zu stellen.