Nacho-Time

Bälle, Barren und Motoren

von | 25. November 2022

In der November-Edition unserer Nacho-Time wird es sportlich. Lasst euch vom Charme der Sportfilme verzaubern!

Schnappt euch eine Tüte Popcorn, feurige Nachos und Film ab! Unsere Nacho-Time wird den Sportgeist in euch wecken, denn hier werden Filme ganz unterschiedlicher Sportarten unter die Lupe genommen. Angefangen mit dem Football Film „Blind Side – Die große Chance“ über „A Second Chance: Rivals!“, bei dem ihr euch vom Turnspirit anstecken lassen könnt, bis hin zum großen Finale mit dem Formel 1 Klassiker „Rush – Alles für den Sieg“. Seid gespannt, welche dieser Filme den wahren Sportgeist in sich tragen … 

MIT HERZ UND SEELE

In dem Film „Blind Side – Die große Chance“ geht es darum, wie ein Junge aus Memphis namens Michael, der in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, zum Profi-Footballer wird. Der Film handelt von dem berühmten schwarzen Footballspieler Michael Oher (Quinton Aaron), der von der reichen Familie Tuohy aufgenommen wurde, als diese den 17-Jährigen allein im Regen auf der Straße vorfand. Der große, starke Junge mit dem sanften Gemüt wird schon bald zum willkommenen Familienmitglied. Durch Michaels Beschützerinstinkt wird sein Talent für Football entdeckt, denn als zukünftiger Offensive Tackle sorgt er für die Sicherheit des Quarterbacks. Im Mittelpunkt des Filmes steht der Beginn seiner Football-Karriere und die Unterstützung seiner Adoptivfamilie Tuohy dabei. 

Der Film geht mit einem gelungenen Einstieg los, bei dem Mutter Leigh Anne (Sandra Bullock) die ersten fünf Sekunden eines Football-Spiel-Videos analysiert. Dabei werden die wichtigsten Rollen auf dem Spielfeld geklärt und die Bedeutsamkeit des Offensive Tackles betont. Das gibt auch den nicht Football begeisterten Zuschauern einen guten Überblick und ein gutes Verständnis für den Sport. Leigh Anne fungiert auch am Ende als Erzählerin, wodurch ein schöner Rahmen geschaffen wird. Leider werden die Erwartungen der Zuschauer, dass nach diesem Einstieg noch viel mehr Football-Content folgt, enttäuscht. Erst nach 50 Minuten geht es wirklich um Football und der Sportteil macht nur ungefähr ein Drittel des Filmes aus. 

Zuschauer, die Fan von Emotionen sind, kommen trotzdem auf ihre Kosten, denn die Familiendynamik wird wunderbar abgebildet. Die „Brotherhood“ mit Michaels aberwitzigem kleinen Bruder S..J. (Jae Head) wärmt durch die Geschwisterliebe jedes Herz. Vor allem aber wird die Beziehung zu seiner Ziehmutter Leigh Anne sehr lebhaft skizziert. Mit ihrer direkten und coolen Art hat sie alles im Griff, beweist aber gleichzeitig auch viel Herz. Michael hingegen ist eher zurückhaltend, sehr höflich und aufmerksam. Im Zusammenspiel der beiden Charaktere erlebt der Zuschauer viel wohltuende Harmonie – Leigh Anne tritt Michael durch und durch fürsorglich und liebevoll gegenüber, er wiederum gibt sich durchweg respektvoll und dankbar. Leider verschenkt der Film durch die fehlende Charakterentwicklung auch viel Spannungspotential. Bevor Michael zur Familie Tuohy kam, wuchs er bei seiner drogenabhängigen Mutter in einem armen Wohnviertel in Memphis auf. Diese Szenen aus Michaels Kindheit hätte man dramaturgisch besser in Szene setzen können, um mehr Spannung zu erzeugen. Genauso wie auch den Autounfall samt Folgen, den Michael mit seinem Stiefbruder S..J. hat, als die beiden sich ein neues Videospiel holen wollen. 

Außerdem fällt auf, dass der Fokus viel mehr auf Leigh Anne liegt als auf Michael selbst. Nicht das Sporttalent Michael Oher steht im Rampenlicht, sondern sie ist die eigentliche Heldin der Geschichte – eine Frau, die einem armen Jungen ein Zuhause schenkt und ihn als unbiologische Mutter unterstützt, wo immer sie kann. Die Zuschauer bekommen viel mehr Einblicke in Leigh Annes Gefühlswelt als in Michaels Gedanken. 

Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb der echte Michael Oher den Film „Blind Side – Die große Chance“ selbst nie wirklich mochte. Oher fühlte sich jedoch unter seinem Wert verkauft, denn sein sportlicher Eigenerfolg blieb dabei im Schatten der Familie. Vor allem die begriffsstutzige Darstellung seiner selbst kritisierte Oher. Am meisten ärgerte er sich jedoch über die Szenen, in denen Michael die Strategien eines Football-Spiels von seiner Ziehmutter und seinem Bruder beigebracht bekommt. Denn eigentlich studierte der Offensive Tackle dieses bereits als kleiner Junge mit großer Leidenschaft. Alles in allem hat der Film dem Image des Football-Profis eher geschadet. 

Im Film „Blind Side – Die große Chance“ erzählt uns John Lee Hancock mit viel Emotion einen Teil von Michael Ohers Geschichte. Jedoch nimmt er dabei viel mehr Bezug auf die Integration in der neuen Familie als auf seine Football-Erfolge. Durch nur wenige Reibepunkte fehlt es dem Film an Spannung. Trotzdem wird der Zuschauer von den Ereignissen berührt und gerade am Schluss auch noch einmal mit realen Fotos von Michael Oher und der Familie Tuohy emotional abgeholt.

MAXIMALER EINSATZ!

„Drück die Knie durch! Fußspitzen strecken! Und FEST!“ — Ein:e jede:r Turner:in fühlt sich sofort angesprochen, denn ohne Anspannung kann es in dieser Sportart leicht zu Verletzungen kommen. So geht es auch Maddie Cornell (Emily Morris), einer australischen Turnerin, nachdem sie bei der Qualifikation für die Olympischen Spiele einen Sturz am Balken erlitten hat. Nach diesem Trauma braucht Maddie erstmal eine Auszeit, sie macht sich auf den Weg zu Beverly (Carmel Johnson) – einer guten Freundin der Familie, welche gerade ein Mädchenteam für die Landesmeisterschaften trainiert. Nach anfänglicher Zurückhaltung übernimmt Maddie selbst das Training der Mädchen und ist mit Herz und Seele dabei. Sie gibt dem Turnen als Trainerin eine zweite Chance, was sich auch im Titel des Filmes „A Second Chance: Rivals!“ widerspiegelt. Jetzt wird viel Arbeit nötig sein, damit sich die Mädchen vom Land gegen die aus der Stadt behaupten können.

Beim Anschauen des Filmes fällt schnell auf, dass er sich eher an eine jüngere Zielgruppe richtet: Die Handlungen sind sehr einfach gestrickt und dem Storytelling mangelt es leider an Tiefgang und Spannung. Durch den gesamten Film zieht sich eine Art Schleier aus Harmonie. Dadurch, dass Konflikte innerhalb des Filmes sehr schnell und unkompliziert wieder aufgelöst werden, wirkt er etwas realitätsfern. Es scheint, als hätte der Regisseur und Drehbuchautor Clay Glen die „rosarote Brille“ aufgesetzt und dann überall Herzchen und Blümchen verteilt, wo es konfliktintensiver hätte werden können. Das wird auch besonders durch die Sprache der Schauspieler verstärkt, die an eine typische Highschool Musical Produktion erinnert. Das Aufgreifen sozialer Probleme wie Rassismus und Mobbing ist grundsätzlich löblich, aber auch diese werden nur an der Oberfläche angekratzt. Um der jungen Zielgruppe gerecht zu werden, wählte man im Film ein sehr kindliches Design, verspielte Schnitte und Special Effects, die reiferen Zuschauern eher merkwürdig vorkommen. 

Echte Turnfans werden dennoch auf ihre Kosten kommen, denn trotz allem hat der Film eine große Stärke: Zwischen den raren Dialogen kommen immer wieder musikunterlegte Passagen, in denen der wahre Turnspirit erstrahlt. Der Film zeigt die Mädchen beim Krafttraining, im Trainingslager und bei ihren Übungen an den Geräten – natürlich immer mit Maddie als Trainerin an ihrer Seite. Es wird das ehrgeizige Mitfiebern der Eltern thematisiert sowie typische Konflikte zwischen Trainern und Kampfrichtern. Die Turnhalle ist der zentrale Ort des Geschehens und man fühlt sich durch die bewussten Schnappschüsse von Startfahne, Punktetabellen und Turngeräten, als wäre man selbst Zuschauer bei einem Turnwettkampf. Abgerundet wird der Turnspirit noch mit dem Teamgeist der Mädchen, der in ihrem Kampfruf „Maximaler Einsatz!“ gipfelt.

„A Second Chance: Rivals!“ erwärmt wohl das Herz einer/eines jeden (ehemaligen) Turnerin/Turners, da er viel Identifikationspotential beinhaltet – vom Wettkampfgefühl über den Umgang mit Konkurrenz bis hin zur Stärke im eigenen Verein. Auch bei mir hat er ein Lächeln auf dem Gesicht hinterlassen, weil er viele Erinnerungen an meine eigenen Turnjahre in mir auslösen konnte. Wer aber einen Sportfilm mit komplexer Handlung, Spannung und Tiefgang erwartet, ist bei diesem Film an der falschen Adresse.

RASENDE RIVALEN

Motor an, Gang rein und ab geht die Fahrt – von 0 auf 100 in 4 Sekunden! Zwischen hämmernden Zylinderkolben und quietschenden Reifen jubeln die Fans ihren Idolen zu. Die Formel 1 ist ein elektrisierender Sport – für Rennfahrer wie auch für Zuschauer und dadurch wunderbares Material für die Filmindustrie. Der Film „Rush – Alles für den Sieg“ erzählt die wahre Geschichte von zwei Formel-1-Rivalen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: dem gutaussehenden Lebemann James Hunt (Chris Hemsworth) und dem rationalen Genie Niki Lauda (Daniel Brühl). Den Höhepunkt des Filmes bildet der schwere Autounfall Laudas am Nürburgring, bei dem er fast eine Minute lang in seinem brennenden Formel-1-Wagen eingeklemmt war.

Um den beiden Hauptcharakteren Lauda und Hunt jeweils eine eigene Stimme zu verleihen, agieren beide abwechselnd als Erzähler. Als Zuschauer taucht man so immer wieder in die Gefühls- und Gedankenwelten der beiden Rennfahrer ein, wodurch deren Verschiedenheit perfekt herausgearbeitet wird. James Hunt erleben wir beim Vergnügen auf Partys, mit vielen Frauen an seiner Seite, kurz gesagt: er genießt sein Leben in vollen Zügen. Im Formel-1-Wagen riskiert er täglich für den Sport sein Leben. Niki hingegen beweist einen starken Überlebenssinn und er ist glücklich verheiratet mit seiner Frau Marlene. Der Zuschauer bewundert seine bemerkenswerte Intelligenz und brutale Ehrlichkeit, ist aber gleichzeitig auch hin und wieder abgeschreckt durch den Mangel an Charisma. 

Der Spannungsaufbau – ausgelöst durch das Skizzieren der Hauptcharaktere, regelmäßige Twists, wenige Ruhephasen und das Gefühl, immer mittendrin im Geschehen zu sein – ist kaum zu übertreffen. Letzteres wird besonders durch die durchdachte Kameraführung erzeugt: Die Zuschauer sehen Kameraaufnahmen direkt im Rennwagen beim Schalten, das Auf- und Abbewegen der Zylinder, aus dem Auspuff kommende Abgase, sind in Augenhöhe mit den Reifen auf der Straße und das alles in Verbindung mit den Geräuschen der Motoren. Sie sind ganz nah am Unfall dran, der Rennwagen rast förmlich auf die Zuschauer zu und sie sind auch die Leitplanke, an die das Auto knallt, als es in Flammen aufgeht. Im Krankenhaus lassen einem die Detailaufnahmen der Verbrennungen und Verletzungen einen Schauer über den Rücken laufen. Man bekommt eine Gänsehaut, als das Blut aus Nikis Lunge gesaugt wird und er sich den Fahrerhelm unter großen Schmerzen über den Kopf zwingt. 

Neben all diesen Spannungselementen wird die Geschichte von Niki Lauda und James Hunt als ein Spiegel des Lebens mit viel Witz, Ernsthaftigkeit und Emotionalität erzählt. Beim Zuschauer werden Gefühle ausgelöst – von Freude über Angst bis hin zu Trauer und Rührung. Auch die Entwicklung der Charaktere innerhalb des Filmes zeugt von grandiosem Storytelling, wie auch der Sportgeist der Formel 1, der wundervoll abgebildet wird. Gerade auch die Originalaufnahmen in Form von Videos während der Rennen und Fotos von Lauda und Hunt am Filmende schaffen Authentizität und berühren die Zuschauer.

„Rush – Alles für den Sieg“ ist ein außergewöhnlicher Film mit viel Liebe zum Detail, angefangen beim Storytelling über die Kameraführung, bis hin zum Sounddesign – bei dem man immer wieder denkt: „Wow und das ist so wirklich passiert?“ Er vereint die Faszination für den Formel-1-Rennsport mit den Themen Rivalität, Freundschaft, Liebe, Kampf und Leidenschaft – untermalt mit großartigen Schauspielern. Ein wahres Meisterwerk, das Drehbuchautor Peter Morgan und Regisseur Ron Howard da gezaubert haben! Kaum ein Film hat mich so berührt wie dieser.

Peter Morgan und Ron Howard

Peter Morgan ist ein in den 60ern geborener britischer Drehbuchautor, der bereits zwei Mal für den Oscar nominiert wurde mit den Drehbüchern “Die Queen” und “Frost/Nixon”. Der Engländer hat deutsche Eltern und war bis 2014 mit einer Österreicherin verheiratet. Seine Frau inspirierte ihn auch dazu, über die Rivalitätsgeschichte zwischen einem Österreicher und einem Engländer zu schreiben, wie es auch in seinem eigenen Haus eine gibt.

Der 1954 geborene Ron Howard wurde mit Mitte zwanzig vom Kinderschauspieler zum berühmten Hollywood-Regisseur. Gemeinsam mit Brian Gazer gründete er die Produktionsfirma „Imagine Entertainment”. Er ist neben vielen anderen preisgekrönten Produktionen bekannt für „Apollo 13” und den Film „A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“, für den er zwei Oscars bekam. Zudem arbeitete er häufig mit Schauspielern wie Tom Hanks, Gary Sinise und Russell Crowe zusammen.

In einem spannenden Interview spricht Arthur Awanesjan, der Chefredakteur von „Filmfutter”, mit Peter Morgan und Ron Howard über „Rush – Alles für den Sieg”.

Text, Titelbild : Annika Junghänel, Videos: YouTube/Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz, YouTube/Amazon Prime Video

<h3>Annika Junghänel</h3>

Annika Junghänel

Redakteurin bei medienMITTWEIDA