Mit der festen Überzeugung, die kleine Eule dieses Mal nicht zu enttäuschen, sitze ich an meinem Schreibtisch und öffne die Sprachlern-App Duolingo. Gerade habe ich mich dazu entschieden, mit dem Lernen einer neuen Sprache zu beginnen und habe mich nach einigen Überlegungen schlussendlich für Schwedisch entschieden. Grund dafür ist, dass ich eine Sprache lernen möchte, die etwas ausgefallener ist und in der ich keine Vorkenntnisse besitze. Ziel meines Selbstversuchs ist es herauszufinden, wie schnell ich die Grundlagen einer neuen Sprache erlernen kann. Dazu werde ich für einen Zeitraum von 18 Tagen täglich 15 Minuten lang die kostenlose Version von Duolingo nutzen.
Die emotionale Verbundenheit zur Fremdsprache
Seitdem ich nicht mehr in die Schule gehe, fehlt mir das Sprachenlernen sehr, auch wenn es in meinem Studium nicht an Aufgaben mangelt. Daher wähle ich in der Duolingo-App die kleine schwedische Flagge aus und stelle fest, dass dieses Lernset nur auf Englisch zur Verfügung steht. Naja, auch egal, dann wird das jetzt eben ein lustiger Fremdsprachen-Mix für mich. Was soll schon schiefgehen? In meiner ersten Schwedisch-Woche lerne ich typische Begrüßungs- und Verabschiedungsfloskeln sowie die Personalpronomen und einige grundlegende Verben und Substantive. Die verschiedenen Lernsets der App sind dabei in sogenannte „Units” eingeteilt, die jeweils verschiedene Themen behandeln und angeben, wie weit der Lernfortschritt ist.
Was mich besonders beim Sprachenlernen motiviert, ist das Wissen, dass ich damit nicht allein bin. Überall um mich herum gibt es Leute, die neue Vokabeln und vielleicht sogar schon eine dritte Fremdsprache lernen. Genauer gesagt, haben elf Prozent der EU-Bürger*innen in einer Umfrage der EU angegeben, dass sie drei oder sogar mehr Fremdsprachen sprechen. Der Großteil, sechsundfünfzig Prozent, hingegen spricht nur eine Fremdsprache und vierundvierzig Prozent der EU-Bürger*innen sprechen außer ihrer Muttersprache keine weitere Sprache. Schon 2002 hat der Europäische Rat daher beschlossen, die Mehrsprachigkeit zu fördern. So soll jedes Kind in der EU zwei Fremdsprachen lernen. Die Motivation zum Fremdsprachenlernen ist unter den EU-Bürger*innen auf jeden Fall vorhanden, denn dreiundachtzig Prozent von ihnen halten Fremdsprachen für wichtig. Viele wollen dabei besonders Sprachen wie Englisch, Deutsch, Spanisch und Russisch lernen, da diese Sprachen durch die Globalisierung wichtig für den Berufsalltag sind. Es wird jedoch davon abgeraten, sich bei der Sprachwahl nur am beruflichen Nutzen zu orientieren, denn die wichtigste Voraussetzung für das Sprachenlernen sei die emotionale Verbundenheit.
Toni, ein Student aus Peru der Hochschule Mittweida, hat beispielsweise eine emotionale Verbundenheit zur deutschen Sprache, denn sein Vater spricht Deutsch. Wie er selbst behauptet, braucht es trotzdem seine Zeit, um mit allen Tücken der Fremdsprache umzugehen: „Vor kurzem habe ich […] mich mit Eliza Doolittle sehr identifiziert gefühlt, als sie das ‚ü‘ nicht richtig aussprechen konnte. Man sagt ja nicht umsonst ‚Deutsche Sprache, schwere Sprache‘. Irgendwann fängt man aber an, auf Deutsch zu denken und ab diesem Punkt geht es viel einfacher. Jetzt kann ich auch sagen: ‚Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen‘.“
Wie an Tonis Beispiel zu erkennen ist, hat auch jeder Erfolgserlebnisse, die zum Weitermachen motivieren und auf die ich persönlich sehr hoffe. Denn weiterzumachen, ist ganz essentiell, um die zahlreichen Vorteile des Sprachenlernens auch ausschöpfen zu können.
Aller Anfang ist schwer. Dennoch habe ich in meiner ersten Woche mit der schwedischen Sprache schon ein paar Vokabeln und Floskeln lernen können. Das ergebnis habe ich in einer Audioaufnahme festgehalten
In der Kürze liegt die Würze?
Aber wie lange dauert es eigentlich, eine neue Sprache zu lernen, um diese dann auch in Gesprächen richtig anwenden zu können? Das hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Beispielsweise davon, wie gut es einem gelingt, diszipliniert neue Routinen umzusetzen und wie viel Zeit man am Tag zum Sprachenlernen investiert. Ausschlaggebend ist dabei auch, ob die neue Sprache der Muttersprache ähnlich oder keinerlei Übertragung möglich ist. Laut dem Magazin der Babbel-Sprach-App können in drei Wochen, mit dem entsprechenden Kurs, die wichtigsten Begriffe zu üblichen Themen, Grundlagen der Grammatik, relevante Ausdrücke für kurze authentische Gespräche und eine solide Aussprache erlernt werden. Dabei sind kleine Lerneinheiten und regelmäßige Wiederholungen ausschlaggebender für den Erfolg als stundenlange Lerneinheiten am Stück. 15 Minuten pro Tag können reichen, um neue Infos aufzunehmen und zu verarbeiten.
Um besser einschätzen zu können, wie lange es dauern kann, eine bestimmte Sprache tiefgründiger zu lernen, lohnt sich auch ein Blick in das amerikanische Diplomatenbuch. Das Foreign Service Institute (FSI) hat eine Übersicht herausgegeben, die einschätzt, wie lange es für Diplomat*innen dauern kann, sich arbeitsrelevante Kompetenzen in bestimmten Sprachen beizubringen. Das FSI unterteilt die verschiedenen Sprachen dabei in vier Kategorien. Es wird dabei von Englisch als Erstsprache ausgegangen. Sprachen der Kategorie I können am schnellsten erlernt werden und die der Kategorie IV brauchen am längsten Zeit. Schwedisch wird mit 24 Wochen Lernzeit der Kategorie I zugeordnet, Deutsch mit 36 Wochen der Kategorie II, in Kategorie III befindet sich mit 44 Wochen unter anderem Russisch und in Kategorie IV Japanisch.
Mit neuen Sprachen den kulturellen Horizont erweitern
Doch warum sollte man eigentlich eine neue Sprache lernen? Ist der ganze Lernprozess nicht ganz schön zeitaufwendig? Ja, das ist er tatsächlich, wenn man wirklich tiefgründig in die neue Sprache eintauchen möchte, aber es lohnt sich. Jede Sprache hat ihre Eigenheiten und die unterschiedlichen Sprachwelten eröffnen unterschiedliche Denkweisen. Dadurch beginnt man, seine Umwelt aus einer neuen Perspektive wahrzunehmen, entwickelt interkulturelle Empathie und versteht durch den neuen Blickwinkel auch seine eigene Kultur besser.
Außerdem kann mit dem Erwerb einer neuen Sprache auch das Phänomen des sogenannten „Deskillings“ vermieden werden. „Deskilling“ ist das Ablegen beziehungsweise Verlernen bestimmter Kompetenzen, weil sie uns von Technologien abgenommen werden. Beispielsweise hat der Taschenrechner breitflächig das komplexe Kopfrechnen abgelöst. Das Gleiche könnte auch mit dem Fremdsprachenerwerb passieren, wenn wir uns nur auf Übersetzungstechnologien verlassen. Weiterhin kann Mehrsprachigkeit den Ausbruch von Alzheimer um bis zu vier Jahre verzögern. Das Gehirn wird durch die Mehrsprachigkeit mit hohen Kompensationsmechanismen ausgestattet, da es gewohnt ist, mit hohen kognitiven Anforderungen umzugehen. Das ist allerdings nur der Fall, wenn beide Sprachen noch gut beherrscht werden. Anders gesagt, ist das Erlernen einer neuen Sprache eine stimulierende und herausfordernde Aktivität. Sie hilft dem Gehirn, ein Leben lang fit zu bleiben.
Neue Vokabeln und Lernfortschritte meiner täglichen Lerneinheiten habe ich mir schriftlich festgehalten. Das hat mir bei der Wiederholung des gelernten Wissens sehr geholfen. Bild: Anna Lisa Kießlich
Schwedische Grammatik auf Englisch lernen – Meine Erfahrungen
In der zweiten Woche meines Schwedisch-Lernkurses lerne ich hauptsächlich Substantive zum Thema Essen, was mir das Überleben in Schweden also schon mal sichern würde. Außerdem habe ich mittlerweile verstanden, dass es im Prinzip drei verschiedene Begriffe für das Wort „Frau“, auf Schwedisch „kvinna“, gibt. „Die Frau“ wird nämlich mit „kvinnan“ ausgedrückt und „kvinnor“ sind „die Frauen“. Ähnlich verhält es sich mit den Wörtern „Mann“, „Mädchen“ und „Junge“. Allerdings mache ich, dadurch, dass ich den Schwedisch-Kurs auf Englisch bestreite, ein paar grammatikalische Fehler, was die Verneinung betrifft. Im Schwedischen kommt die Verneinung wie im Deutschen nach dem Verb, auf Englisch ist es aber genau andersherum. Letztendlich schaffe ich es auch diesen Knoten in meinem Kopf zu lösen und versuche mich an den Hör- und Sprechübungen. Immer wieder kommt es vor, dass sich aus den vorgesprochenen Sätzen in meinem Kopf einfach keine Wörter zusammensetzen wollen, da natürlich einiges anders betont wird als im Deutschen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich oft spät abends übe und meine Konzentration bereits nachlässt. Mit der Zeit fällt mir aber auch das Hören und Nachsprechen von zumindest kurzen Sätzen leichter und Duolingo bietet mir sogar an, eine Lerneinheit zu überspringen.
Auch wenn die Aussprache der einzelnen schwedischen Vokabeln noch nicht bei jedem Wort stimmt, habe ich auch in der zweiten Woche meines Sprachexperiments viel gelernt.
Die sprachliche Offenheit und warum wir sie verlernen
Wenn wir sprachlich aktiv sind, dann wird vorrangig die linke Hälfte des Gehirns beansprucht. Dabei sind besonders zwei Areale sehr wichtig: das Wernicke- und das Broca-Areal. Während das Wernicke-Areal für grundlegende Informationen, wie die Bedeutung eines Wortes, zuständig ist, kümmert sich das Broca-Areal unter anderem um kompliziertere Sprachgebilde. Schon bevor wir überhaupt auf die Welt kommen, ist das Wernicke-Areal aktiv, denn der Erwerb der Muttersprache beginnt bereits im Mutterleib. Das Kind verfügt hier schon über ein gewisses Hörvermögen und kann so Umgebungsgeräusche und grundlegende Sprachmuster erkennen. Erst ab dem dritten Lebensjahr nimmt das Broca-Areal die Arbeit auf.
Interessant ist, dass Toni, wie er selbst beschreibt, schon als Kleinkind in Kontakt mit Deutsch gekommen ist: „Offiziell lerne ich Deutsch seit 2006. Meine Familie hat mir erzählt, dass mein Papa, seitdem ich geboren wurde, immer zu mir auf Deutsch gesprochen hat, und als Kleinkind konnte ich das schon verstehen. Daran kann ich mich aber nicht mehr erinnern.“
Babys werden laut Katharina Zahner, Mitarbeiterin am Baby-Sprachlabor der Uni Konstanz, mit einer sprachlichen Offenheit geboren. Sie können fast alle 800 existierenden Sprachlaute unterscheiden. Das können Erwachsene nicht mehr, denn mit der Zeit sortiert das Gehirn die Lautunterschiede aus, die es für die eigene Muttersprache nicht benötigt. Dies könnte ein Grund dafür sein, warum man sich im Alter schwerer mit dem Sprachenlernen tut. Daher ist es auch einfacher, eine Sprache zu lernen, die der Muttersprache ähnelt. Das Gehirn kann in diesem Fall auf die gewohnte Grammatik zurückgreifen. Unterscheidet sich allerdings die Wortstellung der neuen Sprache mit jener der Muttersprache, so muss das Gehirn erst ein neues grammatikalisches Repertoire erstellen.
Das Broca- und Wernicke-Areal sind durch ein Bündel aus Nervensträngen (Fasciculus arcuatus) miteinander verbunden. Diese Nervenstränge sind so nur beim Menschen vorhanden, was ein Grund für unser komplexes Sprachsystem sein könnte. Grafik: Arian Kerkhoff
Wie ein Kind lernen
Um die Motivation beim Lernen einer Sprache nicht zu verlieren, ist ein guter Grund notwendig, wieso es gerade diese Sprache sein soll. Nur um mit der jeweiligen Sprache zu beeindrucken, wird nicht ausreichen, um wirklich am Ball zu bleiben. Ein Auslandsaufenthalt oder das Kennenlernen eines Muttersprachlers sieht da als Grund schon besser aus. Außerdem sollte man sich ein bestimmtes Sprachniveau als Ziel setzen. Anschließend ist es wichtig, die neue Sprache wirklich jeden Tag zu nutzen. Kreative Aufgaben, wie zum Beispiel das Schreiben und Aufnehmen einer Radiosendung oder das Zeichnen eines Comics, machen es leichter, die Motivation zu halten.
Zudem ist es von Anfang an wichtig, so viel wie möglich in der neuen Sprache zu sprechen. Das geht beispielsweise gut, wenn man einen Lernpartner findet oder indem man ein Restaurant besucht, das dem Land der neuen Sprache entspricht und versucht, in dieser Sprache zu bestellen. Dabei ist es besonders wichtig, keine Angst vor Fehlern zu haben, denn aus diesen lernen wir. Beim Lernen einer Sprache sollten wir also am besten so hemmungslos wie ein kleines Kind vor uns her brabbeln.
Muttersprachler beim Sprechen und der Lautbildung genau zu beobachten, kann zusätzlich sehr hilfreich sein. Verschiedene Sprachen haben auch unterschiedliche Anforderungen an Zunge, Lippen und Rachen. Somit ist das Erlernen einer Sprache sowohl ein körperliches wie ein geistiges Phänomen. Das Beobachten von Muttersprachlern klappt übrigens auch beim Schauen einer Serie oder eines Films. Die Untertitel sollten dabei aber immer in der Originalsprache eingestellt sein, da es kaum Lerneffekte gibt, wenn die Muttersprache parallel mitläuft.
Auch Toni hat ein paar Tipps, wie eine neue Sprache gut erlernt werden kann und bezieht sich dabei auf seine Erfahrungen mit dem Deutschlernen: „Vor Ort zu sein, hilft sehr. Hier kann ich immer auf Deutsch reden und jeden Tag üben. Als Darsteller bei der Hochschulbühne mitzuwirken, hat mir auch viel geholfen. Außerdem die Pop-Kultur: Filme, Serien, Musik, Bücher und so viel wie möglich Deutsch zu hören und zu sprechen. Heutzutage schaue ich nur Filme und Serien auf Deutsch, obwohl mir immer lieber ist, die in Originalsprache (OV) zu schauen. Musik kann ich leider nicht nur auf Deutsch hören; dafür ist meine Liebe zur Música Latina zu groß.“
Beim Lernen einer neuen Sprache sollten außerdem keine Nebenprojekte gestartet werden, da dies zu Überforderung und Frustration führen kann. Zum Lernen sollte dann nur ein bestimmtes Programm genutzt werden und nicht mehrere parallel. Sollte es möglich sein, Wörter zu finden, die in der Muttersprache ähnlich klingen und dasselbe bedeuten, hilft das beim Einprägen der neuen Vokabeln besonders gut. Des Weiteren sollten Vokabeln mit Gegenständen aus dem Alltag verknüpft werden. Im besten Fall kann man die Vokabeln immer dann abrufen, wenn man auf den bestimmten Gegenstand trifft. Ein nützlicher Tipp ist zudem, die Wörter „können“, „sollen“, „müssen“, „möchten“ und „mögen“ frühzeitig in der ersten und zweiten Person Singular zu lernen, denn so kann man einfache Sätze bilden, ohne sich den Kopf über Zeitformen und Konjugationen zerbrechen zu müssen. Zur besseren Sprachvernetzung und Anwendung der Grammatik ist es hilfreich, die Vokabeln in Wortkombinationen zu lernen. Und falls doch mal Fehler in der Grammatik passieren, ist das nicht schlimm, denn diese sind nicht besonders störend für die Kommunikation.
Auf der Zielgeraden meines Sprachexperiments
Zum Abschluss meines Schwedisch-Lernexperiments habe ich vor allem Vokabeln zu Tieren gelernt und mich dabei besonders über das Wort „älg“ gefreut. Es bedeutet „Elch“ und wird „elli“ ausgesprochen. Die Sätze in meinen Lerneinheiten wurden immer länger und während der „hard exercise“ musste ich Wortgruppen aufschreiben, die mir vorgesprochen wurden, ohne dass mir vorgegebene Wörter zur Verfügung standen, die ich anklicken konnte. Das hat mir, besonders bei Lerneinheiten um 22:30 Uhr, ein paar Schwierigkeiten bereitet. Ich habe nun das Gefühl, kurze Sätze bilden zu können, die in einem Gespräch jedoch noch sehr monoton klingen würden. Auch was die Aussprache betrifft, mache ich noch Fehler, beziehungsweise habe ich mir bei einigen Wörtern noch nicht alle Laute eingeprägt. Und auch wenn meine Sprachfähigkeiten noch nicht für einen Sprachtest gereicht haben, bin ich doch sehr stolz, es in zweieinhalb Wochen bis zur Unit 3 geschafft zu haben. Dennoch bin ich zu dem Schluss gekommen, dass man sich zum Sprachen lernen auf jeden Fall Zeit nehmen sollte. Die kleine Eule kann, denke ich, mit mir zufrieden sein.
In meiner dritten und letzten Lernwoche stand einerseits viel Wiederholung an und andererseits wurde ich durch die neuen Vokabeln tiefer ins Tierreich eingeführt.
Text, Titelbild und Foto: Anna Lisa Kießlich
Grafik: Arian Kerkhoff