Nach dem Facebook-Börsenfiasko im Mai diesen Jahres, „zwitschert“ es nun an der Wall Street: Der Kurznachrichtendienst Twitter geht heute an die Börse. Erfolgreicher Börsenstart oder folgt der nächste Flop?
Gezwitschert wurde im Vorfeld reichlich: Seit Wochen spekulieren Börsenmakler, Investmentbanker, private Anleger und (Fach-)Presse über den Börsengang und insbesondere den Aktienwert des weltweit größten Microblogging-Dienstes Twitter. Potenzielle Käufer sorgen sich vor allem um eine Wiederholung des missglückten Facebook-Börsenstarts im vergangenen Frühjahr. Daher bemüht sich die New Yorker Börse „NYSE“ und vor allem Twitter selbst, das empfundene Risiko für die Investoren mit entsprechenden Maßnahmen zu minimieren: Bereits zwei Wochen vor der Notierung des Unternehmens testeten die „NYSE“-Börsenbetreiber den Twitter-Börsengang mittels erprobter Kauf- bzw. Verkaufsaufträgen. Konkret bedeutet dieses Vorgehen eine Prüfung der „Wall Street“-Stabilität beim Twitter-Börsenstart (IPO, Initial Public Offering), ähnlich einer Generalprobe vor dem Börsenansturm. Mit Erfolg.
Vertrauensgewinn vor Börsengewinn
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Twitter gerade jetzt viele Maßnahmen ergreift, um vor dem Börsengang für einen positiven Imagezuwachs zu sorgen. So soll die Veröffentlichung der Simulation des Twitter-IPO das zukünftige Vertrauen der Investoren in die Twitter-Aktie festigen. Denn dieses Vertrauen in Anleger und Co. braucht Twitter dringend: Schließlich gehört das Unternehmen zum Wachstumsmarkt der internetbasierten Dienstleistungsunternehmen, sogenannter „Dotcom“-Unternehmen, die einerseits hohe Renditen versprechen, aber eben auch branchenbedingt enorme Risiken bereithalten. In diesem Zusammenhang ist vor allem auch die Umsatzentwicklung des Microblogging-Dienstes zu nennen: Denn laut dem Finanzportal „finanzen.net“ hat Twitter in seinem siebenjährigen Bestehen noch keine großen Gewinne einfahren können.
#Werbung
Neben der Tatsache, dass das Geschäftsmodell „Kurznachrichten mit 140-Zeichenlänge“ nicht beliebig erweiterbar ist, spielen hier vor allem die Werbeeinnahmen des Microblogging-Dienstes eine wesentliche Rolle. Das Werbegeschäft des Social Network-Konkurrenten Facebook hingegen boomt regelrecht: Knapp 50 Prozent der Werbeeinnahmen mache − nach „Spiegel-Online“ − das Umsatzgeschäft des sozialen Netzwerks aus. Das Statistik-Portal „Statista“ sagt gar eine Verdopplung der Werbeeinnahmen innerhalb der nächsten sechs Jahre voraus.
Twitter hingegen begann erst im Frühjahr 2010 zögerlich, Werbung zwischen den einzelnen Tweets zu streuen. Doch bisher scheinbar erfolglos: Laut dem Nachrichtenportal „Handelsblatt“ machte der Kurznachrichtendienst allein in den ersten beiden Quartalen des laufenden Jahres einen Verlust von 64,6 Millionen Dollar. Auf Basis der aktuellen Quartalszahlen schätzt das Webmagazin erstaunlicherweise für die Twitter-Aktien dennoch beste Startvoraussetzungen: Schließlich sei ein Teil der Verluste durch die 29 Millionen Euro teuren Vorbereitungen unter „Forschung und Entwicklung“ für einen reibungslosen Börsenstart zu erklären. Auch seien die aktiven Nutzerzahlen − neben dem Umsatz − im vergangenen Quartal gestiegen.
Mit 140 Zeichen an die Wall Street
Nach Handelsblatt-Informationen startete die Twitter-Aktie mit einem Wert von 26 Dollar und könnte somit zwischen 1,89 und 2,09 Milliarden Dollar Umsatz einsammeln.
Doch woher kommen die Zweifel der Investoren, die Twitter eifrig versucht zu bekämpfen? Wie kommt es, dass außerhalb der Finanzmärkte der Einfluss sozialer Netzwerkdienste so enorm ist, während sie an der Börse als Risikogüter eingestuft werden?
Der Grund für starke Zweifel auf dem Finanzmarkt liegt darin, dass der Kauf von „Dotcom“-Aktien, also Online-Dienstleister-Wertpapieren, eine Investition mit hohem Risiko in die Zukunft ist: Aktionäre bauen darauf, dass „Dotcom“-Unternehmen wie Twitter neben steigenden Nutzerzahlen auch einen Weg finden werden, ihre Renditen zu steigern. Diese Hoffnung auf einen wachsenden Wert sind der Grund, warum Twitter darauf angewiesen ist, Sicherheit zu vermitteln: Mit einem doch recht wagemutigen Ausgabekurs, aber weniger gigantischen Ausgangsvolumen als Facebook. Mit einer Simulation des Börsengangs, aber ohne die enormen Gewinne der Konkurrenz. Bleibt nun abzuwarten, wie viele Zeichen auf einem Twitter-Wertpapier am Ende zulässig sind.
Text: Clemens Arnold; Foto: RMajouji, Quelle: Wikipedia; Bearbeitung: Clemens Arnold, Hanna Frantz.