Interview Steffi Kriegerstein

„Aufgeben war noch nie eine Option“

von | 25. Juni 2021

Wie man Leistungssport, Studium und eine Corona-Erkrankung meistert. Eine erfolgreiche Kanutin berichtet.

Die 28-Jährige Steffi Kriegerstein ist eine erfolgreiche Kanutin und studiert Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Nach vier Jahren Vorbereitung hat sie sich im August 2016 den Traum vom olympischen Finale erfüllt und sich die Silbermedaille im K4 über 500 Meter erkämpft. Sie gibt medienMITTWEIDA einen spannenden Einblick in ihr Leben, das Leistungssport und Studium an der Hochschule Mittweida vereint.

Deine sportliche Karriere wurde durch deine Familie und Freunde geprägt. Auf deiner Homepage kann man lesen, dass es dein Bruder war, der dich als 7-jähriges Mädchen zum Kanusport mitgenommen hat. Was empfindest du, wenn du an diesen Moment zurückdenkst?

Steffi: Ich verbinde damit überwiegend schöne Erinnerungen! Der Verein bestand damals aus einer eher kleinen Gruppe im Bereich Kanurennsport, da sich dieser noch im Aufbau befand. Eine noch bis heute gute Freundin hat mit dem gleichen Sport kurz nach mir begonnen. Wir waren beide die Küken des Vereins. Im Oktober 1999 habe ich mit dem Kanufahren angefangen. Die Jahreszeit ist allerdings untypisch, da es eine Sommersportart ist. 

An deiner ersten Deutschen Meisterschaft in Köln hast du 2005 teilgenommen. Dein internationaler Durchbruch erfolgte vier Jahre später mit der Junioren-Weltmeisterschaft in Moskau. Dort hast du dir mit Sabrina Hering im K2 über 500 Meter Gold geholt. Wie hat sich das für dich angefühlt?

Steffi: Puh. Das ist schon so lange her. Die Zeit in Moskau war wirklich sehr aufregend und ein riesen Abenteuer. Mit 16 Jahren das erste Mal so weit weg von Zuhause. An das Rennen an sich kann ich mich aber leider nicht mehr erinnern. Ich weiß nur noch, dass es für alle Zuhause eine große Sache war. Ich jedoch habe einfach meinen Sport gemacht, den ich mochte.

Bootsklassen

Im Kanurennsport gibt es Einzel- sowie Mannschaftswettbewerbe. Es können also mehrere Sportler in einem Boot sitzen. Hierbei sind Bestimmungen, wie die Größe und Gewicht der Boote zu beachten, damit die Bedingungen für alle Sportler möglichst gleich und fair sind.

Für die Kajakwettbewerbe gibt es folgende Bootsklassen:

Kajak-Einer (K 1), maximale Länge: 520 cm, minimales Gewicht: 12 kg

Kajak-Zweier (K 2), maximale Länge: 650 cm, minimales Gewicht: 18 kg

Kajak-Vierer (K 4), maximale Länge: 1100 cm, minimales Gewicht: 30 kg

Steffi mit ihrer Goldmedaille 2009

Du bist auf ein Sportgymnasium gegangen und hast dort 2012 dein Abitur absolviert. Wie sahen deine Pläne für die Zukunft zu diesem Zeitpunkt aus?

Steffi: Tatsächlich sahen die Pläne genauso aus, wie jetzt auch. Ich habe keinen Plan (lacht). Fotografie hat mir immer sehr gefallen. Meine erste Kamera hat mir mein Opa geschenkt, eine Mini-Digitalkamera. Die hatte ich immer und überall dabei. Auch das Schreiben hat mir immer gelegen. Mein Schülerpraktikum habe ich damals bei der Jugendzeitschrift namens Spiesser absolviert und 2013 war ich bei der Sächsischen Zeitung für ein weiteres Praktikum. Die Richtung, in die ich gehen möchte, kannte ich also schon, dennoch blieb ein kleiner Zweifel am Journalismus. Mal läuft es gut, dann mal weniger. Zusammenfassend kann man sagen, dass ich mir nach dem Abitur alles offen gehalten habe. Der Sport stand für mich immer an erster Stelle.

Seit 2013 bist du in der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Wie und warum bist du darauf aufmerksam geworden?

Steffi: Finanziell gestaltet es sich in Deutschland etwas schwierig in Bezug auf den Leistungssport. Niemand gibt dir einfach Geld für Sport, zumindest nicht bei einer Randsportart wie Kanurennsport. Es gibt verschiedene Sportförderungskonzepte, beispielsweise von Bundespolizei oder Bundeswehr. Die Angebote der Bundeswehr hatten mich damals überzeugt. Man absolviert gewisse Pflichtlehrgänge und kann nebenbei studieren. Zusätzlich ist man auch unter anderem finanziell und medizinisch abgesichert.

Letztendlich hast du dich 2015 für ein Studium an der Hochschule Mittweida entschieden. Wie bist du auf die Hochschule aufmerksam geworden? Warum hast du dich für das Studienfach Medienmanagement entschieden?

Steffi: Ich habe mich schon immer für Medienstudiengänge interessiert und wollte mich an der TU Dresden einschreiben. Zunächst habe ich mich dort für das Studienfach Regenerative Energiesysteme entschieden. Allerdings habe ich schnell gemerkt, dass ein Ingenieurstudiengang mit Leistungssport im Nacken nicht funktionieren kann, sodass ich mich mehr über Medienstudiengänge informierte. Um ehrlich zu sein war die Hochschule Mittweida schon immer bei mir im Hinterkopf. Ich dachte damals, dass sie kein Konzept anbietet, indem man Studium mit Leistungssport verknüpfen kann. Als ich dann jedoch verschiedenste Konzepte erfolglos ausprobiert hatte, bin ich wieder auf die Hochschule aufmerksam geworden. Ich hatte mich noch mal näher damit auseinandergesetzt und auch schnell Kontakt mit den Verantwortlichen aufgenommen.

Ein Jahr später hast du dich für die olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro qualifiziert und die Silbermedaille ergattert. Dein „I-Tüpfelchen“, wie du selbst schreibst. Hand aufs Herz, wie lange und intensiv trainiert man dafür?

Steffi: Das ist schwierig zusammenzufassen. Ich bin aus der U23-Nationalmannschaft gekommen und hatte 2014 meinen Fuß schon so halb in der A-Mannschaft. 2015 habe ich es im K2 über 1000 Meter auf den ersten Platz geschafft und habe auch Bronze auf 200 Meter gewonnen. Mit dieser Leistung sind die Trainer auf meine K2-Partnerin und mich aufmerksam geworden. Im Jahr 2016 habe ich dann bei den Sichtungen ebenfalls eine solide Leistung erbracht. Überraschenderweise habe ich mich dadurch für Olympia qualifiziert. Wenn ich 2021 an den olympischen Spielen in Tokyo teilgenommen hätte, könnte man sagen, dass vier Jahre immer der Trainingszyklus ist, in dem man sich vorbereitet. Man trainiert drei bis fünf Jahre, um für Olympia in Frage zu kommen. Ich trainiere in der Regel etwa sechs Stunden am Tag und nach zweieinhalb Tagen mache ich dann immer einen Tag Pause.

Steffi bei den olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro 2016

Viele Sportler haben einen strengen Ernährungsplan. Musst du einen einhalten?

Steffi: Ich arbeite mit einer Ernährungsberaterin zusammen und sie gibt mir effiziente Tipps für mein Training. Einen konkreten Plan habe ich allerdings nicht, an den ich mich halte. Dadurch das meine Sportart mit Ausdauer zusammenhängt, kann ich viel essen. Um dennoch gut im Sport zu sein, muss die Ernährung gesund sein. Man sollte die Produkte kennen, die man zu sich nimmt. Wenn ich beispielsweise Krafttraining gemacht habe, ist ein Burger mit Pommes nicht gerade sinnvoll. Ich achte dann eher auf Gemüse sowie Kohlenhydrate, Fleisch oder Eiweißalternativen. Natürlich gönne ich mir auch mal eine Pizza oder einen Burger, wenn ich am Wochenende mit Freunden unterwegs bin.

Letzte Woche warst du noch in einem Trainingslager, nun stehst du für ein weiteres Interview zur Verfügung und erledigst nebenbei noch deine Aufgaben für die Hochschule. Wie bekommst du den Leistungssport und dein Studium unter einen Hut?

Steffi: Corona hat mir gut in die Karten gespielt. Dadurch, dass alles online stattfindet, musste ich nicht mehr von Dresden nach Mittweida pendeln. So konnte ich mich auch wieder auf das Training besser konzentrieren sowie auf die Regeneration, aber auch das Studium.

Durch die Corona Pandemie hat sich viel verändert. Wie hat sich das bei deinem Training bemerkbar gemacht?

Steffi: Es hat sich stark bemerkbar gemacht bei uns. Ich kann mich daran erinnern, dass wir im Trainingslager in Portugal waren und plötzlich hat die Regierung die Grenzen geschlossen. Wir mussten dementsprechend das Trainingslager absagen und sind in einer Nacht-und-Nebel-Aktion wieder zurück nach Deutschland geflogen. Zusätzlich wurden alle Vereine geschlossen. Wir haben unsere unbeheizte Bootshalle im März-April zu einer Umkleide sowie einem Kraftraum umfunktioniert. Zusätzlich war die Trainingsgruppe deutlich minimiert. Ein Training war aber durch ein gutes Hygienekonzept möglich. Dann kam die Olympia Absage 2020 und man fragt sich, für was man gerade trainiert. Wir haben versucht die Situation schnell auszublenden, denn der Sport ist unser Beruf, für den wir auch bezahlt werden. Als die Infektionszahlen fielen, haben wir dann versucht wieder ein regelmäßiges Training stattfinden zu lassen.

Im Portrait vom April 2021 sprichst du über die olympischen Sommerspiele in Tokio, verschoben von 2020 auf 2021. Im März 2021 gabst du via Instagram bekannt, dass du wegen einer Corona Erkrankung nicht teilnehmen wirst. Wie lange hast du mit der Entscheidung gekämpft?

Steffi: Im Dezember war ich an Corona erkrankt und dennoch bin ich Ende Januar mit in das Trainingslager gefahren. Durch meine Infektion habe ich wertvolle Zeit für das Training verloren. Im Trainingslager habe ich gemerkt, dass einige Disziplinen ganz gut verliefen, wie zum Beispiel das Paddeln. Aber das Krafttraining hat mich extrem geschwächt. Ich brauchte deutlich größere Pausenzeiten, als das, was die Ärzte mir geraten hatten. Ich habe gemerkt, dass mein Körper noch ziemlich kraftlos war. Ich arbeite schon länger mit einem Sportpsychologen zusammen. Mit ihm bin ich diese Entscheidung mehrmals durchgegangen. Natürlich habe ich auch mit meiner Familie, meinen Freunden und meinem Heimtrainer geredet. Es war ein Prozess, aber letztlich ging und geht die Gesundheit vor. 

Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, gibt es etwas was du in deiner Karriere oder deinem Werdegang ändern würdest?

Steffi: Nein. In jungen Jahren bin ich durch den Sport viel durch die Welt gereist und dadurch bin ich sehr früh selbstständig geworden. Natürlich gab es Momente, in denen ich intensiver über eine Entscheidung nachdenken musste. Dennoch bereue ich keine dieser Entscheidungen. Allerdings hätte ich gerne Olympia 2016 für mich besser wahrgenommen. Einfach mal den Moment mehr genießen. Ich war aber auch zum ersten Mal dabei und hatte eine Reizüberflutung.

„Aufgeben war noch nie eine Option und wird es auch in Zukunft nicht sein.“ Deine Worte. Wie geht es weiter und welche Ziele hast du dir für die nächsten Monate gesetzt?

Steffi: Das Studium steht für mich momentan an erster Stelle. Ich bin schon eine Weile an der Hochschule Mittweida. Viele Kommilitonen habe ich schon gehen sehen. Nun würde ich auch gerne mal gehen wollen. Wenn alles nach meiner Vorstellung verläuft, kann ich nächsten Sommer schon die Bachelorarbeit schreiben. Zum Sport möchte ich in meinem Tempo zurückfinden. Wie es für mich jetzt sportlich weitergeht, muss ich abwarten. Mein Körper ist aktuell noch dabei, das Virus zu bekämpfen. Ziel ist es erstmal wieder richtig gesund und fit zu werden. Ob ich wieder zurück in den Leistungssport gehe oder dann zum Gesundheitssport wechsel, muss ich mir noch überlegen. Ich möchte nicht so weit in die Zukunft vorgreifen, denn es kann sich alles sehr schnell ändern.

 

Portrait von Steffi Kriegerstein aus dem Modul Grundlagen TV-Produktion“ vom April 2021

Text: Carolin Stella Wiegand Titelbild: Steffi Kriegerstein, Luzie Carola Rietschel

<h3>Carolin Wiegand</h3>

Carolin Wiegand

Ich bin 26 Jahre alt und studiere im 4. Semester Medienmanagment B.A. an der Hochschule Mittweida, University of Applied Sciences.