Kommentar: Steve Jobs war kein Weltverbesserer

von | 18. Oktober 2011

Emotionalität führt immer zu Verklärung: Wie in einem Nachruf üblich, haben die Medien nach Jobs Tod nur dessen positive Eigenschaften hervorgehoben. Ein Übermensch war der US-Amerikaner aber nicht, schließlich scheinen die Medien die Zustände in einigen "Apple"-Zuliefererbetrieben vergessen zu haben.

„Apple“ ist nicht Steve Jobs. Jobs ist Tod. Doch „Apple“ gibt es noch. „Der Mann, der die Zukunft erfand“, wie ihn der „Spiegel“ nennt, wird in der Berichterstattung immer mehr zum übermenschlichen Wohltäter verklärt. Kurz nach dem Tod Steve Jobs‘ begann das kollektive Trauern. Die omnipräsenten Nachrufe erklärten dem Leser noch einmal, wer da eigentlich gestorben ist: Ein Visionär, der verändert habe wie wir die Welt sehen, zumindest nach US-Präsident Barrack Obama. Von vielen wird Jobs als Weltverbesserer gefeiert. New Yorks Oberbürgermeister Bloomberg verglich ihn gar mit Einstein und Edison. Vor dem „Apple“-Firmensitz in Cupertino und Jobs‘ Haus in Palo Alto wurden Blumen abgelegt. Menschen versammelten sich, um dem Toten zu gedenken. So etwas kommt sonst nur bei berühmten Film- oder Popstars oder religiösen Würdenträgern vor. In eine dieser Kategorien scheint Steve Jobs spätestens seit seinem Tod zu gehören.

Kein iGott oder iPhilosoph

Natürlich ist das Thema Tod schwierig zu verarbeiten. Trauer ist geboten und Erfolge zu würdigen ist durchaus erlaubt. Doch Steve Jobs war trotz aller Lobhudelei Manager eines kommerziellen Unternehmens, dessen Ziel nicht die Weltrettung war, sondern finanzieller Gewinn. „Apple“ ist kein gemeinnütziger Verein, auch wenn das viele Medien inzwischen beinahe so darstellen: Steve Jobs war kein iGott. „Apples“ Produkte und Erfindungen haben vielen Menschen Unterhaltung geboten und Technik einfacher gemacht. Doch um die Welt zu verbessern bedarf es mehr, als Einwohnern der reichen Industrienationen neues, überteuertes Technikspielzeug in die Hand zu drücken.

iSlave: Damit sie schneller und unmenschlicher Kultprodukte herstellen

Die meisten Menschen sind viel zu arm, um sich ein „Apple“-Produkt leisten zu können. Sie träumen höchstens von solchem Luxus. Dem hungernden Tagelöhner in Accra hat die Erfindung des „iPads“ keine besseren Arbeitsbedingungen beschert. Auch den Millionen Wanderarbeitern in China geht es nicht besser. Selbst in „Apples“ Zuliefererfirmen ist nichts von einer besseren Welt zu spüren: Im chinesischen Betrieb „Foxconn“ etwa, der durch eine hohe Selbstmordrate berüchtigt ist, werden Arbeiter noch immer durch Drill zu unbezahlten Überstunden gezwungen. Steve Jobs hat den modernen iSlave erfunden, das haben die Medien vergessen. Er war kein iGott, er hat der Welt keinen größeren Dienst erwiesen als jeder andere erfolgreiche Konzernchef. Dabei stimuliert das Denken an „Apple“ für Fans die gleichen Hirnregionen wie die Religion, fand unlängst eine BBC Dokumentation heraus. Das erklärt immerhin, warum Steve Jobs so übertrieben dargestellt wird. Emotionalität verleitet immer zur Verklärung.

„Apple“ wird auch weiterhin Erfolg haben

Das Unternehmen „Apple“ war und ist mehr als nur sein Chef. Es ist wahr, dass es „Apple“ in den Neunzigern schlecht ging, als Jobs das Unternehmen verlassen musste. Doch die Zeiten sind mittlerweile andere. „Apple“ hat seinen Weg gefunden. Eine starke Marke, frenetische Käuferschichten, hohe Gewinne und innovative Produkte stehen der Firma zur Seite. Das Schicksal des Konzerns untrennbar mit seinem ehemaligen Geschäftsführer zu verknüpfen ist unsinnig. „Apple“ hat genug Ressourcen und kluge Köpfe. Auch zu Jobs Lebzeiten hat und konnte er nicht alles allein machen. Wenn der Apfel-Konzern also tatsächlich wie eine Religion für seine Anhänger wirkt, dann kann der Tod des Propheten der Marke ja nur helfen.

<h3>Jörg Lehmann</h3>

Jörg Lehmann