Einstieg in die Berufswelt

Studium geschafft, aber nicht bereit für die Arbeitswelt?

von | 18. November 2022

Erster Arbeitsvertrag nach dem Bachelor - aber werde ich nur ausgebeutet? Was kann man tun, um das zu verhindern?

Auf dem Weg zur ersten Arbeitsstelle gibt es so einige Hürden. Das fängt schon mit der Suche nach dem richtigen Arbeitgeber an. Auch bei der Bewerbung kann man viel falsch machen. Es gibt nämlich Fragen, die du eigentlich gar nicht beantworten musst. Der größte Stolperstein ist aber der erste große Arbeitsvertrag. Was kann ich als Bachelorabsolvent*in verlangen? Hier Klartext zu reden ist das A und O. Wie man diese Hürden überwindet, erklärt Hans Jurdeczka. Der Jura-Student engagiert sich beim Deutschen Gewerkschaftsbund im Campus-Office in Leipzig. Außerdem erzählt der ehemalige Medienmanagement-Student Marco Gilly im Interview gegenüber medienMITTWEIDA, wie es für ihn nach dem Studium in Mittweida weiterging und wie er mit 24 Jahren zum Marketingchef einer deutschlandweiten Videoproduktionsagentur geworden ist.

Hürde Nr. 1: Den richtigen Arbeitgeber für mich finden

Wo fange ich mit meiner Suche an?

Als Erstes denkt man wahrscheinlich an Portale wie StepStone, Indeed oder ähnliche. Das ist an sich auch in Ordnung. In der Medienwelt sind aber vor allem Vernetzungen über Portale wie Linkedin oder XING wichtig. So ging es auch Marco Gilly. Der mittlerweile 26-Jährige hat damals an der Hochschule Mittweida Medienmanagement studiert. „Ich habe dann auf LinkedIn eine Benachrichtigung für eine Stelle bei KG-Media-Factory bekommen“, erzählt er. „Die Plattformen suchen anhand deiner Qualifikationen Stellen raus. Ich habe mich dann auf der Karriere-Website der KG für ein Volontariat gemeldet und wurde auch direkt als Sportredakteur für zwei Jahre genommen.“

Für HSMW-Studierende

HSMW Studierende können zudem über das CareerNET Stellenangebote finden. Dies ist ein, von der Hochschule Mittweida angebotenes Job-Portal, dass ausschließlich für HSMW-Studierende eingerichtet wurde.

 

Lieber groß oder klein anfangen?

Da gibt es kein Richtig oder Falsch. Eine größere Firma biete zum Start mehr Vernetzungen, auch meist größere Kunden und auch etwas mehr Gehalt, sagt Tino Schulz, Junior Producer für Scholz & Friends, beim Medienforum Mittweida 2022 Side-Event What‘s Next. Bei einem kleinen Unternehmen oder einer Agentur hast du dafür mehr Mitspracherecht, da alles in einem engeren Raum abgehalten wird. Hier kennt meistens jeder jeden im Team besser, als es in einem größeren Unternehmen der Fall ist. In einem kleineren Team kannst du dich selbst auch viel besser frei entfalten. Verantwortung übernimmst du aber in jedem Fall, egal welche Größe das Unternehmen dann hat.

Pflichtpraktika nutzen

Wenn dein Studiengang Pflichtpraktika vorsieht, solltest du diese nicht nur machen, damit du deinen Abschluss bekommst. Vor allem ergibt sich für viele Studierende im Nachgang die Möglichkeit, übernommen zu werden. Genau so war es bei Tino: „Ich habe mich dort ziemlich wohlgefühlt und einfach keinen Grund gesehen, woanders hinzugehen“, erzählt Tino Schulz.

 

Hürde Nr. 2: Mein Bewerbungsschreiben – weniger ist manchmal mehr

Schön und bunt oder lieber einheitlich und strukturiert?

Eine schön gestaltete Bewerbung ist auf den ersten Blick zwar ganz hübsch, aber das beeindruckt die Personalabteilung nicht. Da diese nicht ewig Zeit für jede einzelne Bewerbung haben, solltest du alles übersichtlich strukturieren, klare Angaben machen und das Wichtigste sichtbar hervorheben.

Worauf kann ich sonst im Lebenslauf verzichten?

Deinen neuen Arbeitgeber interessiert es nicht, wo du in die Grundschule gegangen bist, oder dass du vor 10 Jahren ein Praktikum in einer völlig anderen Branche gemacht hast. Schreibe am besten nur deine weiterführende Schule, beziehungsweise deinen höchsten Abschluss rein. Praktika oder Berufserfahrungen sollten nicht mehrere Jahre zurückliegen, für deine künftige Arbeit unwichtige Stellen kannst du auch weglassen. Unwichtig sind auch tiefergehende persönliche Angaben. Dazu zählen Religion, Herkunft, der Familienstand oder Ähnliches. Diese gehen den Arbeitgeber übrigens auch gar nichts an, auch nicht im Bewerbungsgespräch. Zu guter Letzt können auch Hobbys eingespart werden. Es sei denn, sie haben einen Bezug auf deine kommende Arbeitsstelle. Hobbys können auch genutzt werden, um auf eigene Soft- oder Hard Skills zu verweisen.

Soft- und Hard Skills

Soft Skills sind persönliche, soziale und methodische Kompetenzen, wie Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Zeitmanagement oder Kritikfähigkeit. Hard Skills dagegen sind direkt nachweisbare Fähigkeiten, wie EDV-Kenntnisse, Fremdsprachenkenntnisse oder gar direkte Berufserfahrung.

Was darf aber im Lebenslauf nicht fehlen?

Dein Lebenslauf sollte nicht mehr als zwei Seiten umfassen. Am besten wäre sogar nur eine Seite, was nicht bedeutet, dass du wichtige Informationen rauslassen solltest. Achte aber vor allem auf eine gute Struktur und die richtige Reihenfolge. Grundsätzliche persönliche Angaben, also Adresse und Kontaktinformationen kommen als erstes. Danach kannst du schon deine Berufserfahrungen zeigen. Um Lücken im Lebenslauf zu verhindern, solltest du zeitliche Angaben immer auf den Monat genau präzisieren. Schreib also beispielsweise „06/2020 – 09/2022 Marketing bei Firma XY“ und beginne mit der aktuellsten Stelle. Zu guter Letzt dürfen Hard Skills nicht fehlen. Das sind beispielsweise deine EDV-Kenntnisse (Word, Excel etc.). Beherrschst du eine oder mehrere Fremdsprachen, solltest du diese unbedingt erwähnen. Bleib aber ehrlich, wenn du eine zweite Fremdsprache gelernt hast, diese aber nicht fließend kannst, musst du das auch so kennzeichnen.

Muss ein Bild von mir in den Lebenslauf?

Nein, ist die eigentlich richtige Antwort. „Grundsätzlich darf kein Bild verlangt werden“, sagt Hans Jurdeczka vom DGB-Campus-Office Leipzig. „Viele lassen sich leider, auch unbewusst, vom äußeren Erscheinungsbild beeinflussen.“ Wirklich viel hilft die nicht vorhandene Pflicht aber leider trotzdem nicht. „Wenn man ein Bild beilegt, hat man meistens schon einen kleinen Vorteil gegenüber anderen Bewerbern ohne, auch wenn es leider überhaupt nicht fair ist.“

Was muss auf jeden Fall in deine Bewerbung rein?

Auch wenn sie im Lebenslauf zu finden sind, deine Kontaktdaten und auch den Adressaten solltest du hier ganz oben angeben. Das Datum kannst du auch oben mit einbinden. Bevor du nun loslegst, zeige genau auf welche Stelle du dich bewerben willst, da viele Firmen gleichzeitig mehrere Stellen anbieten. Einleiten solltest du deinen Text mit einer persönlichen Anrede. Such also am besten, bei wem dein Schreiben landet. So umgehst du ein standardmäßiges “Sehr geehrte Damen und Herren” und hebst dich direkt ab. Fackel danach nicht lang und komm direkt zum Punkt. Zeig, wie du dem Unternehmen helfen kannst. Wenn in der Stellenausschreibung bestimmte Fähigkeiten genannt werden, dann gehe auch besonders auf diese ein. Danach redest du ein wenig über dich. Wie ist dein beruflicher Stand? Oder wann hast du deinen Abschluss und kannst im Unternehmen anfangen. Bringe auch gern eigene Interessen, Hobbys und natürlich Vorerfahrungen ein, die gut zum Unternehmen passen. Untermale diese am besten immer mit konkreten Beispielen. Zum Abschluss solltest du nochmal „deine Trumpfkarte“ ausspielen und anhand deiner Stärken erklären, wie du dem Unternehmen weiterhelfen kannst. Sage dann zum Abschluss, dass du dich darauf freust, in einem persönlichen Gespräch von dir zu überzeugen.

Hürde Nr. 3: Das Bewerbungsgespräch – Du darfst lügen, aber bleib dir treu

Sei du selbst, achte auf Förmlichkeiten, aber beantworte nichts, was du nicht musst. Bild: Lukas Neumann

Wie sollte ich mich anziehen?

Mach dir darum keinen allzu großen Kopf. Wichtig ist, dass die Kleidung gepflegt ist und du dich darin wohlfühlst. Ein selbstbewusstes Auftreten ist das A und O. Bleib deinem Stil also ruhig treu. Jogginghose und Kuschelpullover sollten trotzdem nicht unbedingt die erste Wahl sein. Sich ein wenig schicker zu machen ist nicht notwendig, kann aber nie schaden. Ein einfaches Hemd oder Sakko gehen immer. Falls du dir nicht sicher bist, schau, wie sich das Unternehmen selbst darstellt. 

Gibt es Fragen, die ich nicht beantworten muss? Darf ich sogar lügen?

Wie schon im Bewerbungsschreiben musst du auch hier keinerlei private Angaben machen. „Die gehen den Arbeitgeber genauso wenig an, wie chronische Krankheiten oder Behinderungen, soweit der Arbeitsplatz nicht darauf angepasst werden muss“, sagt Jurdeczka. „Ob du einer Gewerkschaft angehörst, musst du auch nicht verraten.“ Bei Frauen kommt es öfter vor, dass der Arbeitgeber nach deiner Familienplanung fragt. „Wenn dein Gegenüber fragt, ob du bereits schwanger bist oder eine Schwangerschaft anstrebst, darfst du sogar lügen.“ Tatsächlich ist das auch gesetzlich festgelegt. Das gilt ebenfalls für die anderen genannten Themen. Unterlassen solltest du Lügen hingegen bei Lücken im Lebenslauf, die sich nicht auf familiäre oder gesundheitliche Gründe zurückführen lassen, ergänzt Jurdeczka. Das könnte dich direkt zu Beginn das Vertrauen deines möglichen Arbeitgebers kosten.

Gehalt – Ein Tabuthema?

„Im Berufsleben herrscht ein grundsätzlicher Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber“, erklärt Hans Jurdeczka. „Der Arbeitnehmer möchte möglichst viel Gehalt, der Arbeitgeber aber möglichst viel Gewinn. Dem sollte man sich einfach bewusstwerden und das auch respektieren.“ Grundsätzlich gilt aber: keine Scheu, über Geld zu reden! „Ich würde bei Gehaltsverhandlungen aber keine Spannen nennen, sonst redet man ganz schnell nur noch über die untere Grenze.“

Hürde Nr. 4: Der Arbeitsvertrag – auf welche Tücken du besonders achtgeben musst

Lass dich nicht abziehen, aber denke daran, dass der Arbeitgeber auch was verdienen will. Bild: Benjamin Pohl, Lukas Neumann

Was kann ich als Einsteiger verlangen?

Natürlich kann man das pauschal nicht für jede Arbeitsstelle festlegen“, erklärt Tino Schulz beim Side-Event des Medienforum Mittweida 2022. Er und Marco Gilly schätzen aber, dass in der Medienbranche im ersten Jahr anderthalb- bis dreieinhalbtausend Euro netto möglich sind. Das hängt vor allem davon ab, ob man mit einem Volontariat startet oder fester Mitarbeiter wird. In den folgenden Jahren kann man mit steigender Verantwortung dann auch ein höheres Gehalt verlangen.

Welche Punkte sind besonders wichtig? Worauf muss ich achten?

Es gibt einige Punkte, bei denen man vor allem auf schwammige oder unpräzise Angaben achten muss. Hans Jurdezcka hat aufgelistet, bei welchen Punkten man besonders achtgeben sollte:

  • PROBEZEIT

Die ist überhaupt nicht notwendig. Das gibt nur dem Arbeitgeber den Vorteil, dass er dich auch einfach fristlos kündigen kann. Auch ein zu niedriges Gehalt kann hier die Folge sein.

  • ARBEITSZEITEN

Die sollten klar festgehalten sein. Natürlich arbeitet man auch mal länger. Man sollte trotzdem darauf achten, dass keine Klausel für unbezahlte Überstunden enthalten ist. Wer regelmäßig länger arbeitet, sollte das auch entlohnt bekommen. Nebenbei orientiert sich auch dein Urlaubs- und Krankengeld daran.

  • URLAUBSTAGE

Achte hier besonders auf die Formulierung „laut Tarifvertrag“. Der Tarifvertrag gilt eigentlich nur für Gewerkschaftsmitglieder. Lasst euch lieber eine konkrete Zahl geben.

  • BETRIEBSORTE

Das ist unfassbar wichtig, wenn du einen festen Wohnsitz hast. Hast du keinen festgelegten Betriebsort, kann dich dein Arbeitgeber auch einfach von Köln nach München schieben, weil er dort gerade Personal braucht.

  • GEHALT

Selbstverständlich muss auch das eine festgelegte Zahl sein. Achte auch auf mögliche Boni.

  • FEHLER

sind menschlich. Manchmal passieren vielleicht auch Fehler beim Schreiben des Vertrages. Weise deinen Arbeitgeber darauf hin.

Wie überprüfe ich den Vertrag am besten? Wer kann mir helfen?

Selber genau durchlesen, aber auch andere einmal drüberschauen lassen. Jurdeczka weist darauf hin, dass man „als Gewerkschaftsmitglied auch Profis drüberschauen lassen kann“.

Für HSMW-Studierende

Studierende der HSMW können auch die kostenlose Rechtsberatung der Hochschule nutzen.

Wie kann ich mich sonst noch auf das Berufsleben vorbereiten?

Da gibt es mehrere Möglichkeiten

Ob du nach dem Bachelor direkt in die Arbeitswelt gehst, ist dir selbst überlassen. Viele Bachelor-Studiengänge ermöglichen dir ein darauffolgendes Master-Studium. Du könntest aber auch ein Jahr Auszeit nehmen und dich selbst besser kennenlernen. Oder vielleicht erste Berufserfahrungen im Volontariat sammeln? Welche Optionen es gibt und welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringen stellen wir dir in einem anderen Beitrag auf medienMITTWEIDA vor.

Es gibt nicht den einen richtigen Weg

Es haben schon viele vor dir diesen Weg geschafft und die waren auch nur selten sofort perfekt in ihrem Tun. In den ersten Jahren muss man einfach Erfahrung sammeln. „Einer meiner Kollegen hat direkt nach dem Abitur mit der Arbeit angefangen. Der war viel weiter als ich, obwohl ich ja studiert habe“, erzählt Marco Gilly. Aber auch ein längeres Studium kann von Vorteil sein. „Kein Arbeitgeber wird dich nicht nehmen, nur weil du einen Master hast“, witzelt Marco Gilly. Wichtig ist, dass man sich genügend Zeit zum Nachdenken gibt, welcher Weg für einen selbst der richtige ist. Und auch da sollte man nicht zu verbissen sein. „Anfangs im Volontariat war ich Sportredakteur, wie ich es mir auch eigentlich vorgestellt hatte“, erzählt Marco Gilly. „Dann musste ich aber immer wieder im Marketing arbeiten. Plötzlich haben uns dann der Geschäftsführer und der Chef der Marketingabteilung verlassen. Da hat mich mein Chef gefragt, ob ich das nicht machen möchte“, erzählt er und muss dabei schmunzeln. „Ich habe natürlich zugesagt. Aber ich glaube, mein ganzes Leben mache ich das nicht. Mal sehen, wie es in fünf Jahren steht, das weiß man vorher nie.“

Text: Benjamin Pohl, Bild: Benjamin Pohl, Lukas Neumann, Model: Vanessa Groß

<h3>Benjamin Pohl</h3>

Benjamin Pohl

ist 21 Jahre alt und studiert derzeit im 5. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Seit dem Wintersemester 2023/2024 engagiert er sich wieder als Redakteur und Lektor bei medienMITTWEIDA.