Studium, Nebenjob, eigene Wohnung – Sara jongliert mit allen drei Dingen gleichzeitig. Wie viele junge Menschen kämpft sie nicht nur um gute Noten, sondern auch um ein selbstbestimmtes Leben mit Platz für Freizeitaktivitäten.
Sara steht jeden Morgen um 05:30 Uhr auf und geht zur Arbeit. Je nachdem welcher Wochentag ist, kann sie allerdings nur bis mittags bleiben, da sie danach noch einige Vorlesungen besuchen muss. „Ich bin froh, wenn ich abends um 18:30 Uhr Feierabend habe“, sagt Sara und lacht. Sie sei einerseits sehr glücklich darüber, studieren und arbeiten gehen zu dürfen. Andererseits gebe es bei ihr natürlich auch Tage, an denen ihr die voll geplante Woche sehr viel Energie rauben würde.
Früher Wecker – voller Terminkalender
Sara ist 21 Jahre alt und studiert International Business im zweiten Semester in Dresden als Vollzeitstudium. Nebenbei arbeitet sie als Werkstudentin auf 20-Stunden-Basis in einem Dresdener Start-up-Unternehmen. Diese Möglichkeit habe sich bei ihr zufällig aus einem Praktikum heraus ergeben. Nach diesem habe sie – noch während sie ihr Abitur gemacht habe – in dem Unternehmen einen Minijob angefangen und sei dann zu Beginn ihres Studiums als Werkstudentin übernommen worden.

Arbeitsstunden neben dem Studium; Quelle: Loreen Pohl
„Das war wirklich ein großes Glück für mich, denn dieser Job ermöglicht mir meine Wohnung und generell mein Leben, wie ich es jetzt lebe“, erzählt Sara bei einem persönlichen Interview. Obwohl sie auch BAföG bekommt, könne sie sich keine eigene Wohnung leisten, wenn sie nicht noch zusätzlich arbeiten gehen würde.
Im Oktober 2023 gingen laut dem Bundesamt für Statistik rund 70 Prozent der Studierenden neben dem Studium zusätzlich arbeiten. Der Hauptgrund hierfür ist die finanzielle Belastung, welcher Studierende ausgesetzt sind. Beispielhafte Ausgaben für Studierende sind Dinge wie der Semesterbeitrag, Mietkosten und die Lebenshaltungskosten.
Auch wenn im Grundgesetz kein ausbildungsbezogenes Existenzminimum festgelegt ist, haben viele Studierende Probleme damit, sich ein gutes Leben finanzieren zu können. Die Mietpreise und Lebenshaltungskosten steigen. Die Plätze in den Wohnheimen sind begrenzt und der Wohnungsmarkt wird knapper, weshalb einige Studierende dazu gezwungen sind, auf teurere Wohnungen umzusteigen
Ausbildungsbezogenes Existenzminimum?
Finanzielle Belastungen statt Studentenklischees
Sara ist aufgrund ihres Studiums auch umgezogen. Da sie keinen Platz im Wohnheim gefunden habe, hätte sie sich auf dem privaten Wohnungsmarkt umschauen müssen. Jetzt sitzt sie lachend in ihrer ersten eigenen Ein-Zimmer-Wohnung und berichtet: „Auch hier hatte ich wieder ein bisschen Glück, denn einer meiner Arbeitskollegen konnte mir über eine Freundin eine Wohnung vermitteln. Sie hat nämlich einen Nachmieter gesucht“.
Seitdem Sara allein wohnt, seien Kosten auf sie zugekommen, die sie ohne einen Job gar nicht stemmen könne. Neben den wichtigen Ausgaben wie Miete und Lebenshaltungskosten, möchte sie sich auch in ihrer Freizeit mal etwas kaufen können. Dazu würden für sie Urlaube und Unternehmungen mit Freunden zählen.

Auf Wohnungssuche; Quelle: Loreen Pohl
Der BAföG-Höchstsatz liegt bei 992 Euro monatlich, jedoch muss man die Hälfte des erhaltenen Bafög-Satzes nach seinem Studium wieder zurückzahlen. Die meisten Studierenden, die BAföG bekommen, haben jedoch nicht die Möglichkeit, jeden Monat bereits die Hälfte beiseitezulegen, da sie den gesamten Satz benötigen. Das macht die finanzielle Belastung im Nachhinein noch größer.
Außerdem reicht BAföG allein bei vielen Studierenden nicht aus, um sich alles Nötige leisten zu können. Fast ein Drittel aller Studierenden in Deutschland lebt in Armut, und das trotz BAföG. Eine Auswertung des Moses Mendelssohn Instituts zeigt, dass ein WG-Zimmer – das eine relativ günstige Wohnmöglichkeit ist – im Schnitt 498 Euro kostet.
Freizeit? Nur mit Planung.
Auch Sara erhält BAföG, jedoch reicht dieses nicht für ihr Leben mit eigener Wohnung, Studium und Freizeitaktivitäten. Sie liebe den Lebensstil, wie sie ihn sich bisher aufgebaut hat, doch dieser raube ihr teilweise auch viel Energie. Die Mehrfachbelastung schlage sie auch psychisch nieder.
Laut einer Umfrage des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung gaben über 50 Prozent der Studierenden an, sich durch die Kombination von Studium, Arbeit und finanziellen Sorgen häufig gestresst oder überfordert zu fühlen. Um dies zu umgehen und einen Ausgleich zu finden, versucht Sara, sich gezielt Freiräume zu schaffen. „Ich habe gelernt, auch mal Nein zu sagen“, berichtet sie in Bezug auf ihre Freizeitgestaltung.
Die Vorteile eines passenden Nebenjobs
Trotz der Belastungen sieht Sara auch viele Vorteile in ihrer Situation. Sie sammelt Praxiserfahrung, lernt mit Geld umzugehen und muss dabei nicht auf eine akademische Ausbildung verzichten. Sie habe gelernt, wie man diese Aspekte vereinbaren kann und hofft, dass sich ihre Mühen auch nach dem Studium auszahlen werden. „Ich kann mir vorstellen, dass ich gegenüber ein paar Anderen ohne Praxiserfahrung schon einen gewissen Vorsprung habe. Vielleicht werde ich nach meinem Studium sogar direkt übernommen. Das wäre natürlich super!“ erzählt Sara mit einem hoffnungsvollen Blick.
Dennoch wünscht sie sich bessere Rahmenbedingungen für Studierende: bezahlbare Wohnungen, einen Zugang zu finanzieller Unterstützung und mehr Verständnis in unserer Gesellschaft.
Politik auf Abstand
Armut unter Studierenden ist zwar längst kein gesellschaftliches Geheimnis mehr, dennoch bleibt es ein politisches Randthema. Daher bleibt politische Unterstützung häufig aus und Reformen in Bezug auf den Wohnungsraum für Studierende werden nur langsam angegangen.
2022 waren rund 30 Prozent der Studierenden in Deutschland von Armut betroffen. Dies zeigt eine Expertise der Paritätischen Forschungsstelle. Dabei trifft es sogar vier von fünf alleinlebenden Studierenden. Dies sind Zahlen, über die zu wenig gesprochen und aufgeklärt wird. „Manchmal wirkt es so, als würde man die finanzielle Belastung von uns vergessen“, überlegt Sara in Bezug auf die Situation.
Auch in den sozialen Medien wird heftig über die BAföG-Regelungen diskutiert. Studierende klagen nicht nur über einen zu geringen Bafög-Satz, sondern auch über lange Wartezeiten. Diese Stimmung zeigen auch die Kommentare unter einem Tagesschau-Post auf Instagram.
Kommentare unter einem Instagram-Post der Tagesschau
„Mir wurden 100 Euro Bafög gestrichen, weil meine Mutter eine Gehaltserhöhung bekommen hat von 30 Euro mehr pro Monat. Dann kam der neue Betrag mit der Erhöhung und es ist immer noch weniger als davor.“
„Tja dann müsste das Bafög nur noch bearbeitet werden. Man erhält wochenlang keine Antwort.“
„Und trotzdem wartet man 20 Monate bis es genehmigt wird“
„Ist ja cool mitm Bafög aber die 20€ mehr helfen auch nicht wirklich bei den Mietpreisen mittlerweile…“
BAföG-Regelungen in der Kritik; Quelle: Kommentare unter einem Tagesschau-Post
Saras Alltag steht exemplarisch für das Leben vieler Studierende, welche nicht nur um einen guten Abschluss kämpfen, sondern auch um ein selbstständiges und vor allem selbstbestimmtes Leben. Zwischen Zoom-Meetings, Wohnungsbesichtigungen und Stunden an ihren Arbeitsplätzen, versuchen sie auch noch ein wenig Freizeit zu ergattern – und das mit erstaunlicher Disziplin, aber zu oft auch auf Kosten ihrer mentalen Gesundheit.
Was Studierende wie Sara wirklich brauchen, ist strukturelle Entlastung. Hierfür ist ein Ausbau von bezahlbarem Wohnraum notwendig, sowie eine Abschaffung der Rückzahlungspflicht des BAföGs für diejenigen, die unter dem Existenzminimum leben. Eine Investition in Bildung allein reicht nicht aus, um Lernende zu unterstützen – man benötigt auch finanzielle Unterstützung für ihre Lebensrealität.