Während sich der NIUS-Rezipient von nebenan noch über den vermeintlichen Wärmepumpenzwang beschwert, lacht sich der Herr hinter dem Medium ins Fäustchen. Er hat es wieder einmal geschafft, seine Positionen prominent medial unterzubringen und alle nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
Ich kauf mir die Welt, wie sie mir gefällt
Der Mann, von dem die Rede ist, ist Frank Gotthard. Der CompuGroup Medical-Milliardär platziert mit seiner VIUS SE seine Views und Positionen in den News alias dem Onlineportal NIUS. Dort betreiben Journalisten, wie der aussortierte BILD-Chef Julian Reichelt, Fundamentalopposition zur Regierung und dem relativ weit gefassten Mainstream. Das Ganze wird sehr aufmerksamkeitsstark ausgespielt und kommt dank populistischer Methodik gut an.
Was ist NIUS?
NIUS ist ein Onlinemedium, das primär als Ausspielweg für Julian Reichelts Politikformat “Achtung, Reichelt!” bekannt wurde. Gegründet wurde es 2023 durch den Milliardär Frank Gotthard und seiner Medienholdung VIUS SE. Reichelt publiziert dort mit Ralf Schuler, Giovanna Winterfeldt und weiteren Journalist*innen stark meinungslastige politische Shows und Dokuformate. Inzwischen ist die Muttergesellschaft des Medienportals auch an der österreichischen Online-Boulevardzeitung exxpress beteiligt. Sowohl diese als auch NIUS standen in ihrer kurzen Vergangenheit mehrfach wegen fehlerhafter Berichterstattung in der Kritik. So wurde NIUS beispielsweise wegen der mutmaßlich unwahren Behauptung, das ZDF Magazin Royale habe eine Sendung unter Beteiligung des Bundesinnenministerium produziert, verurteilt.
Ohne die Finanzierung des Superreichen wäre das zweifellos auch erfolgreich – trotzdem muss sich die Redaktion, die mit dem Untertitel „Die Stimme der Mehrheit“ ihr Narrativ recht gut selbst beschreibt, sicherlich wenig finanzielle Gedanken machen.
Doch nicht nur Gotthard gönnt sich seine eigenen Schreiberlinge. Der Trend kommt natürlich aus dem englischsprachigen Raum, wo Jeff Bezos 2013 die drittauflagenstärkste Tageszeitung der USA, die Washington Post, übernommen hat. Auch dem australischen Medienunternehmer Rupert Murdoch wird seit Jahrzehnten vorgeworfen, die Monopolstellung seiner Publikationen für Einflussnahme auf die öffentliche Meinung zu nutzen.
Ungleichgewicht in der Meinungsmacht
Nun ist Sinn und Zweck eines demokratischen Staates, dass die Stimme jedes Bürgers und jeder Bürgerin gleich viel wert ist. Wenn Superreiche aber ihre Ansichten finanzstark über Medienunternehmen verbreiten, führt das zu einem Missverhältnis der Meinungsmacht in einer Gesellschaft. Denn gerade Finanzstärke geht mit Verantwortung einher, schließlich kann nicht jeder seine Positionen durch einen Verstärker jagen. Dieser Missbrauch darf gesellschaftlich nicht geduldet werden.
Eins muss dabei klar sein: Auch wenn der stopfleberkonsumierende Teil der Gesellschaft theoretisch Zeitungen und Fernsehsender als normale Geschäftsmodelle gründen und finanzieren könnte, ist das in der Praxis eher nicht so. Die Erzeugnisse derlei Medienunternehmen werden oft durch hohe Ausspielquantität und finanzstarker Bewerbung in die Feeds der Allgemeinheit gespült – ob rentabel oder nicht. Symbolisch dafür steht der britische Fernsehsender GB News. Das rechtspopulistische Medium, das zu einem nicht unwesentlichen Teil dem Multimillionär Paul Marshall gehört, fährt seit seiner Gründung Verluste ein und expandiert trotzdem weiter. Ein Indiz dafür, dass es den Eigentümern wohl primär um langfristige Meinungsverrückungen gehen dürfte. Das kann man sich nur leisten, wenn das Depot aus allen Nähten platzt.
Was ist GB News?
GB News ist ein 2021 gegründeter meinungslastiger britischer Fernsehsender, der primär Nachrichtenprogramm sendet. Moderiert wurden die Panels dabei zu Beginn unter anderem vom langjährigen BBC-Moderator Andrew Neil und vom Vorsitzenden der rechtspopulistischen Partei “Reform UK” Nigel Farage. Das Programm ist nationalistisch-konservativ ausgerichtet. Ein Jahr später ging mit TalkTV von Rupert Murdochs News Corp. und dem bekannten Moderator Piers Morgan ein weiterer Sender mit dem gleichen Sendekonzept on air. Beide Sender konnten bisher weder finanziell noch quotenmäßig Erfolge erzielen und verloren ihre Moderator*innen teils schnell.
Diese Meinungsverrückungen funktionieren so: NIUS, GB News und Co. sind allesamt populistisch ausgerichtet. Es zählt erst einmal die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit für die dort verbreiteten Thesen, die sonst wahrscheinlich weniger Beachtung bekommen hätten. Nach und nach lassen sich so Erzählungen normalisieren, die dem bzw. der Eigentümer*in wichtig sind.
Eine kleine Ausnahme ist dabei die Washington Post. Der Zeitung, die ironischerweise seit 2017 den Claim „Democracy Dies in Darkness” führt, sind bisher immerhin nur selten Fälle der Einflussnahme oder gar der Verrückung der Blattlinie unterstellt worden – noch betreibt sie nennenswerten Populismus. Trotzdem unterstützt Bezos mit dem Erwerb einer Zeitung auch deren Ausrichtung stärker, als es die Zeitung anhand der Nachfrage könnte. Und er hat so jederzeit die Möglichkeit, in das Redaktionsgeschehen einzugreifen.
In welche Hände gehören nun die Medienproduktionsmittel?
Mal ehrlich: In die Hände derer, die ansonsten keine besitzen. Die vierte Gewalt des Staates ist keine Branche wie jede andere. Sie ist eine, der eine besondere Verantwortung zuteil wird.
Journalistische Medien sollten deshalb in einer Demokratie nicht den Vermögenden gehören. Ihre Aufgabe ist es eben, Mächtige zu kontrollieren. Zu diesen gehören aber nun mal auch die Reichen – also in diesem Fall die Eigentümer – selbst. Im Falle der deutschen Zeitungsverleger kam dieser Reichtum oft durch das Verlegertum. Das bringt seine eigenen Probleme mit sich, die aber an anderer Stelle diskutiert werden sollten.
Mit positivem Beispiel voran, gehen hierzulande Der Spiegel und die taz. Ersterer ist mehrheitlich in Besitz seiner eigenen Mitarbeitenden, sodass deren Interessen im Unternehmen Vorrang haben. Zweitere gehört, wie eine Reihe anderer linksgerichteter Zeitungen, einer Leser*innengenossenschaft – also einem Zusammenschluss derer, die ohnehin am Produkt interessiert sind. Damit wird die demokratische Idee auf das Unternehmen übertragen und Einflussnahme Einzelner verhindert.
Und genau darum geht es: Medienmacht so gerecht und repräsentativ wie möglich zu verteilen, ohne Medienfreiheit oder Finanzierungskonzepte einzuschränken. Ich möchte euch, liebe Leser*innen, nun also bitten, keine Zeitung zu kaufen, solltet ihr einmal zu viel Geld in der Portokasse haben. Also zumindest nicht mehr als eine Ausgabe.
Text, Illustration: Loris Oberländer