Mit der vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen entwickelten Software „Cingo“ lässt sich mit Kopfhörern oder den integrierten Stereo-Lautsprecher eines mobilen Endgerätes ein Surround-Sound wie im Kino erleben. Wie das funktioniert und welche Geräte mit dieser Software arbeiten, haben wir Herrn Matthias Rose vom Fraunhofer IIS gefragt.
Schon seit mehr als 25 Jahren beschäftigen sich die Wissenschaftler und Ingenieure im Geschäftsfeld Audio und Multimedia des Fraunhofer IIS in Erlangen mit Audiosignalverarbeitung und -codierung. Große Bekanntheit erlangte die Abteilung durch die Mitentwicklung des Audio-Formats mp3. Das Fraunhofer IIS gehört zur Fraunhofer-Gesellschaft, welche das größte Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Forschung in Europa ist.
Weniger ist mehr
Für einen soliden Surround-Sound werden normalerweise mehrere Lautsprecher, die rund um den Hörer positioniert sind, benötigt. Den Forschern der Abteilung für semantische Audiosignalverarbeitung des Fraunhofer IIS ist es durch eine ausgeklügelte Signalbearbeitung gelungen, eine Software zu entwickeln, welche einen Surround-Sound mit Kopfhörern oder normalen Stereo-Lautsprechern ermöglicht. Die Software trägt den Namen „Cingo„, was für „cinema-on-the-go“ steht. Cingo macht es mobilen Endgeräten möglich, einen überzeugenden Surround-Sound wiederzugeben. Dabei ähnelt das Klangbild der Wiedergabe über ein echtes Surround-System – beispielsweise 5.1 Surround. Es wird keine weitere Hardware benötigt. Alles was Cingo braucht, sind die integrierten Stereo-Lautsprecher des jeweiligen Endgerätes oder angeschlossene Kopfhörer. Selbst Stereoinhalte klingen natürlicher und sind verständlicher.
Wie Cingo funktioniert und welche Geräte damit arbeiten, hat uns Matthias Rose, Pressesprecher für das Geschäftsfeld Audio und Multimedia des Fraunhofer IIS, geschildert.
Simulierter Surround-Sound
Rose erklärt, dass man sich die Funktionsweise von Cingo wie folgt vorstellen muss: „Wenn man Schalleindrücke wahrnimmt, und die Richtung lokalisiert, dann geschieht das dadurch, dass das Audiosignal auf dem Weg von der Schallquelle – also beispielsweise von einem Lautsprecher – durch den Raum verändert wird.“ Je nachdem, wie das Ohr diesen aufgefangenen Schall wahrnimmt, berechnet das Gehirn die Lokalisierung dieser Schallquelle. Wenn man dieses Prinzip kennt und man weiß, wie die Lokalisierung im Gehirn vonstattengeht, kann man durch Bearbeitung des Audiosignals bei der Wiedergabe den selben Eindruck erzeugen, so meint Rose. „Wir nehmen also das Audiosignal – beispielsweise ein 5.1 Surround-Signal – und bereiten es vor der Wiedergabe auf. Das heißt prinzipiell, dass wir es in ein Stereo-Signal umwandeln und die Rauminformationen durch eine geschickte Modifikation hinzufügen. Wenn man dann das Signal direkt am Ohr wiedergibt, entsteht ein Surround-Eindruck.“ Das Neue an der Technologie, so Rose, ist, dass es nicht nur über Kopfhörer funktioniert, sondern auch über die integrierten Stereo-Lautsprecher eines Tablets oder Smartphones.
Cingo und Google Nexus
Auf die Frage, ob es möglich sei, Cingo nachträglich mithilfe einer App auf sein Endgerät zu installieren, gibt Rose zu bedenken, dass das in den Händen der Gerätehersteller und Service-Provider liegt, da das Fraunhofer IIS selbst keine Endanwender-Software anbietet. „Unser Geschäftsmodell als Fraunhofer ist die angewandte Forschung. Das heißt, wir arbeiten eng mit der Industrie zusammen, die unsere Technologien dann in ihren Produkten nutzen, um diese ein Stück weit zu verbessern.“ Cingo wird also entweder direkt vom Hersteller in das Endgerät integriert oder für einen Software-Hersteller lizensiert, welcher Cingo dann in seinen Anwendungen einbindet. Laut Rose ist die Cingo-Technologie bereits in den Geräten der Google Nexus-Serie implementiert und bietet dort dem Nutzer die Möglichkeit, einen mobilen Surround-Sound zu erleben. Des Weiteren nutzt der südkoreanischen IPTV Anbieter „SK-Broadband“ diese Technologie für eigene Apps.
Interaktive Audiosignale
Uns hat interessiert, wie ein weiterentwickeltes Cingo – also ein Cingo 2.0 – aussehen könnte. Dazu Rose: „Zukünftigen Soundsysteme zielen insbesondere auf mehr Interaktivität ab, dass also der Benutzer mehr Möglichkeiten hat, das Audiosignal interaktiv zu gestalten und auf seine Bedürfnisse anzupassen.“ Rose beschreibt die Interaktivität in Soundsystem so, dass dem Nutzer beispielsweise die Möglichkeit gegeben wird, die Dialoglautstärke in einem Fernsehsystem anzupassen, um Dialoge besser verstehen zu können. Ein weiteres Ziel ist es, die Forschung in der dreidimensionalen Sound-Wiedergabe voranzutreiben. „Woran wir im Moment sehr stark arbeiten, ist das Thema 3D-Audio. Da geht es darum, einen einhüllenden Sound zu generieren, der dann im Kino, im Fernsehen oder auch beim Streaming Anwendung finden kann. Es wäre denkbar, dass solche Techniken in mobilen Endgeräten zum Einsatz kommen und demzufolge Features eines weiterentwickelten Cingos sein können.“
Es bleibt spannend, mit was uns das Fraunhofer IIS zukünftig verblüffen wird. Schon jetzt ist Cingo eine außerordentlich innovative Software, die etwas ermöglicht, was vor ein paar Jahren noch nach reiner Fiktion klang.
Text: Peter Bauch. Grafik: Fraunhofer IIS.