Die Stimmen hinter Emma Watson und Kevin Spacey

von | 26. Januar 2017

Während des Medienforums 2016 gaben Gabrielle Pietermann und Till Hagen einen Einblick in den Beruf als Synchronschauspieler.

„Mein Name ist Lester Burnham. Das ist mein Stadtviertel. Das ist meine Straße. Das ist mein Leben. (…)“ – Das sind Kevin Spaceys erste Sätze in „American Beauty“, die wir dank deutscher Synchronschauspieler in unserer Muttersprache hören können. Doch wie genau werden aus englischen Sätzen in der Originalfassung deutsche Formulierungen, die auf die Lippenbewegungen passen? Wie sieht der Arbeitsalltag eines Synchronschauspielers aus? Diese und noch viele weitere Fragen haben Till Hagen, Synchronstimme u.a. von Kevin Spacey und Gabrielle Pietermann, u.a. Synchronstimme von Emma Watson während ihres Workshops im Rahmen Medienforums Mittweida 2016 beantwortet.
Studierende beim Synchron-Workshop mit Gabrielle Pietermann und Till Hagen. Medienforum Mittweida 2016. (Fotos:  Magda Lehnert)
Der Weg zum Synchronschauspieler

Für den Beruf als Synchronsprecher gibt es keine richtige Ausbildung, daher fällt der Weg zu den ersten Aufträgen sehr unterschiedlich aus. 

So absolvierte Till Hagen eine Schauspielausbildung, war anschließend an verschiedenen Theatern in Deutschland aktiv und übernahm nach seinem Studium eine Sprecherrolle beim Deutschen Welle-Fernsehen. Die dadurch gesammelte Erfahrung und Bekanntheit brachte ihm seine ersten Rollen. So erinnert er sich beispielsweise bis heute an seinen ersten Satz: “Bitte ein Bier.” Danach folgten weitere Sätze, Szenen und größere Rollen bis hin zum Sprecher für Kevin Spacey in House of Cards oder Billy Bob Thornton in Armageddon. Dazwischen erinnert Till sich immer gern an Zoowärter Karl aus Benjamin Blümchen.

“Als Kind wirst du gekitzelt, wenn du lachen musst.”, verrät uns Gabrielle Pietermann, die schon seit Kindertagen Sprechrollen übernimmt. Mit acht Jahren erhält sie Sprachunterricht am Theater in München und sammelt ebenfalls erste Schauspielerfahrungen auf der Bühne. Im Jahr 2001 übernimmt sie dann mit 13 Jahren die Sprechrolle für Emma Watson im ersten Harry Potter Film. Inzwischen sitzt sie auch hinter der Glasscheibe und gibt Regieanweisungen. Wie viel Hermine allerdings jetzt noch in ihr steckt und was sie an Daenerys Targaryen beneidet, gesteht sie uns.
Schließlich verraten uns beide, dass die selbstständige Tätigkeit als Synchronsprecher durch Konkurrenzkampf und Namedropping ( = ein anderer Sprecher, als der “Stammsprecher” wird für den Schauspieler ausgewählt ) geprägt ist. Selbst etablierte Synchronsprecher/innen, wie Gabrielle Pietermann und Till Hagen, sind von den Launen des Regisseurs und ihrem Stimm-Image in der Branche abhängig und müssen sich immer wieder neu beweisen, Castings besuchen, zeigen, dass mehr als eine zickige Hermine oder ein zorniger Frank Underwood in ihnen steckt.
Vom Dialogbuch zum fertigen Take

Bevor die Sprecher das Aufnahmestudio betreten, werden die Dialogbücher ausgearbeitet. Diese beinhalten die Übersetzungen der Originalsätze. Fachbegriffe und Wortwitz überführen die von den Studios beauftragten Übersetzer in der Regel eher sinngemäß und so, dass die Lippenbewegungen der Schauspieler mit der Länge des Sprecher-Textes übereinstimmen. Dass dieser Vorgang leichter klingt, als er getan ist, beweist Till Hagen mit dem einfachen Beispiel des englischen Ausspruchs „Well.“: Auf die Lippenbewegung passt der deutsche Ausspruch „Tja.“, den so aber keiner verwendet: “Tja, das ist schön.” (“Well, that’s nice.”)

Wenn die Sätze im Dialogbuch festgehalten sind, beginnt die Arbeit der Synchronschauspieler. Dann werden sie für wenige Minuten bis hin zu mehreren Stunden – je nachdem ob beispielsweise ein Werbespot oder ein Film vertont werden muss  ins Studio bestellt. Sie erhalten eine kurze Einführung in die Story und sehen dann die Originalfassung. Dabei müssen sie innerhalb weniger Sekunden Emotion, Umgebung, Tonation, Atmung und die Handlung erfassen.

Das Dialogbuch enthält Hinweise wie: „aus dem Off“, „Conter“ oder „ins Off“. Dies beschreibt, wann eine Figur zu sprechen beginnt. Dass dabei getrickst wird, gesteht Till: “Synchron ist Schummeln. Aber gut Schummeln.” Denn hin und wieder hört man beispielsweise eine Person in der synchronisierten Version sprechen, obwohl sie noch nicht im Bild zu sehen ist: Das bietet die Möglichkeit längere Sätze einzufügen, als in der Originalfassung.

Danach beginnt die Anzählung des Takes. Balken und Zahlen symbolisieren den Einsatz für die Sprecher. „Deine Schrecksekunde sind die Balken. Danach hast du keine mehr.“, verrät Till den Workshop-Teilnehmern. Denn Zeit spielt eine große Rolle in diesem Beruf: Ein geübter Sprecher arbeitet im Zehntel-Sekunden-Bereich und schafft ca. 240 Takes, also ungefähr 20 Minuten Material am Tag – natürlich abhängig vom Medium. Den Unterschied zwischen Kino und TV erklärt Till folgendermaßen:

Till Hagen über die Unterschiede in Kino und TV

Beim Einsprechen muss der Synchronschauspieler weiterhin auch auf die Hinweise von Regisseur, Cutter und Tontechniker eingehen, damit die Aufnahmen möglichst perfekt passen. Zwischen den einzelnen Takes bleiben dem Sprecher weniger als 20 Sekunden, um sich auf die neue Szene einzustellen: Tonation, Atmung, Emotion …, dann beginnt der nächste Take.
Die Vorbereitung vor dem Einsprechen

Die Vorbereitung für die Sprechrollen fällt sehr individuell aus. Hier zählen die richtige Kleidung, das Aufwärmen der Stimme und auch Lockerungsübungen für den Körper. Gabrielle verrät uns beispielsweise ihre Lieblingsübung.

Gabrielle Pietermann über Vorbereitungs-Routinen

Beim Einsprechen gilt es, möglichst alle Störgeräusche wie Hemdenrascheln oder Schmuckgeklapper auszuschalten. Gabrielle gesteht: „Ich zieh immer meine Schuhe aus.“, um Qietschgeräusche zu vermeiden.

Außerdem, da sind sich die beiden Sprecher einig, “Stimme ist Haltungssache”: Eine selbstbewusste Person steht und redet anders als eine unterdrückte, schüchterne Person. Daher hilft es der Stimme, sich entsprechend zu bewegen.

Weiterhin erzählen die Zwei, dass Emotionen wie Wut, wo Druck aufgebaut werden muss, sich besser sprechen lassen, wenn man sich nebenbei an etwas festhält. Die Kunst dabei besteht darin, die Gefühle zum Zuschauer zu transportieren, aber selbst die Fassung zu wahren, verrät uns Till.

Till Hagen über Emotionen beim Synchronsprechen

Schließlich bleibt die Erkenntnis: Synchronschauspielen ist harte Arbeit. Der Sprecher muss sich immer wieder neue Sätze merken, die Anweisungen der Crew schnell verarbeiten, Details des  jeweiligen Takes beachten – Tonation, Emotion, Rhythmus – und das in möglichst kurzer Zeit. „Euphorie entsteht, wenn es so ein Hammerding war.“, antwortet Till auf unsere Frage, ob er sich freut, wenn ein Take gleich beim ersten Mal gelingt und schließt damit den Workshop.
Nicole Bader & Magda Lehnert [Audioschnitt: Nicole Bader | Fotos: Magda Lehnert]
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