Tierwohl

Wie steht es um den Tierschutz in Deutschland?

von | 5. Juli 2024

Töten von Tauben per Genickbruch und überfüllte Tierheime. Ein aktueller Stand.

Die Stadt Limburg möchte Tauben durch Genickbruch töten. Deutsche Tierheime sind seit Jahren überfüllt, doch so dramatisch wie aktuell ist die Lage noch nie gewesen. Gleichzeitig konnte die Bundesregierung noch kein verbessertes Tierschutzgesetz verabschieden, dessen Umsetzung sie im Koalitionsvertrag festhielt. Ein Blick auf den Tierschutz in Deutschland.

Die Stadt Limburg und die Tauben

Am 9. Juni 2024 ging es für die Bürger*innen von Limburg nicht nur bezüglich der Europawahl an die Wahlurne. In der hessischen Stadt wurde auch über einen Bürgerentscheid zu den Stadttauben abgestimmt. Der Grund: Ein Entschluss des Stadtparlaments, welcher vorsieht, dass Tauben per Genickbruch getötet werden sollen. Auf diesen reagierte die Initiative „Stoppt das Taubentöten“ und konnte mit ihrem Engagement einen Bürgerentscheid erzielen. Dieser scheiterte jedoch – die Bevölkerung stimmte am 9. Juni für die Tötung von Stadttauben per Genickbruch.

Tierschützende kritisieren das Vorhaben, Tauben auf diese Weise zu töten, und beziehen sich dabei auch auf das Tierschutzgesetz. Dieses erklärt in §1 „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Wie also steht es um den Tierschutz in Deutschland, wenn selbst Behörden das geltende Tierschutzgesetz missachten? Denn auch wenn die Vögel mitunter als unrein wahrgenommen werden, ist das Infektionsrisiko nach Kontakt mit freilebenden Tauben nicht höher einzuschätzen, als nach dem Kontakt mit Zuchttauben, Heim- oder Ziervögeln.

Hinzu kommt, dass es durchaus andere Möglichkeiten gibt, die Anzahl an Stadttauben zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Augsburger Modell“, bei welchem die Vögel gezielt, durch Fütterung, zu Taubenhäusern gelockt werden. Die von ihnen dort abgelegten Eier können durch Attrappen ausgetauscht werden. Diese Methode würde auch eine artgerechte Fütterung der Tiere stärken. Eine tierfreundlichere Alternative – nur leider bringt sie den Tauben in Limburg wohl nichts mehr.

Ein Blick auf das aktuelle Tierschutzgesetz

Geltend ist das deutsche Tierschutzgesetz für alle Tiere – auch Wirbellose. Der Gesetzestext unterscheidet jedoch in seinen Einzelbestimmungen oftmals in Tiere verschiedener Gruppen. Einzelbestimmungen gehen auf konkrete Verhaltensweisen oder Vergehen ein. Hierbei wird sich oft nur auf Wirbeltiere bezogen, zu welchen Hunde und Katzen gehören.

Das deutsche Tierschutzgesetz soll das Leben und Wohlbefinden von Tieren schützen. In diesem ist beispielsweise festgehalten, dass Menschen Wirbeltiere weder ohne vernünftigen Grund töten, noch diesen erheblichen Schmerzen oder Leid zufügen dürfen. Gerichtliche Konsequenzen erwarten jedoch auch jene, die kranken oder verletzten Tieren nicht helfen.

Seit 2002 ist in Deutschland der Tierschutz als „Staatsziel“ im Grundgesetz verankert. Dennoch gibt es in der Bundesrepublik Tierleid, zum Beispiel durch Massentierhaltung und Überzüchtungen. In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, die allermeisten Tierhalter*innen in Deutschland würden ihrer Verantwortung gegenüber Tieren gerecht werden – Defizite gebe es dennoch bei diversen Umgangs- und Haltungsfragen von Tieren. „Den Tierschutz zu verbessern hat für uns eine hohe Priorität, denn wir alle tragen Verantwortung für Tiere als fühlende Mitgeschöpfe“, führt er weiter aus.

Warten auf Verbesserung

Wie im Koalitionsvertrag festgehalten, hat sich die Bundesregierung mit der Novelle des Tierschutzgesetzes befasst. Dies verlief jedoch nur stockend. Mitte März 2024 sinnierte der Deutschlandfunk noch, ob es in dieser Legislaturperiode überhaupt zu einer Gesetzesänderung im Tierschutz kommt. Denn nachdem sich die Parteien erst monatelang nicht einigen konnten, überschatteten die Bauernproteste und das Versprechen, Bürokratie abzubauen, die politische Landschaft.

Zwei Monate später beschloss das Bundeskabinett einen Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Dieser solle vor allem Rechts- und Vollzugslücken im Bereich des Tierschutzes schließen und zielt zum Beispiel auf die Beendigung von Qualzucht, Kontrollen auf Tierbörsen und verpflichtende Videoaufzeichnungen in Schlachthöfen ab. Verkündet werden soll das Gesetz im Dezember 2024, sechs Monate danach trete es in Kraft – erst ab dann würden die geänderten Regelungen gelten.

Die globale Tierschutzorganisation VIER PFOTEN sieht in dem Gesetzentwurf zahlreiche Mängel. Der Director Policy and Advocacy von VIER PFOTEN Deutschland, Rüdiger Jürgensen, fordert: „Der Fokus darf nicht auf den wirtschaftlichen Bedenken der Industrie liegen, sondern muss den bestmöglichen Schutz der uns anvertrauten Tiere zum Ziel haben“. Viele Aspekte der geplanten Gesetzesänderung schätzt die Tierschutzorganisation als unzureichend ein. Darunter zählt beispielsweise die geplante Identitätsangabe auf Online-Plattformen, um den kriminellen Tierhandel zu bekämpfen. Eine Kennzeichnungs- und Registrierpflicht der Tiere nennt sie beispielhaft als eine Grundlage für effektiveren Tierschutz im Online-Handel.

Überlastete Tierheime

Tierheime dienen als Anlaufstelle für Tierhalter*innen und Behörden. Letztere wenden sich zum Beispiel an die Einrichtungen, wenn sie Tiere aus schlechter Haltung beschlagnahmen. Doch auch Fundtiere werden in Heimen untergebracht und versorgt.

Eine Umfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland von Anfang 2024 zeigt, dass viele deutsche Tierheime zunehmend an ihre Belastungsgrenze geraten. Befragt wurden bundesweit 85 Einrichtungen. Drei von vier der Heime gaben ihre Auslastung als mindestens hoch an. 17 Prozent hätten überhaupt keine Kapazität mehr. Auch die Einschränkung der Aufnahme von Tieren von Privatpersonen scheint unter den Einrichtungen verbreitet. Hunde aus Privathand würden von 80 Prozent der Tierheime nicht mehr – oder nur noch eingeschränkt über Wartelisten – aufgenommen werden. Mehr als die Hälfte der Einrichtungen hätten eine solche Aufnahmeeinschränkung auch bei Katzen.

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzverbandes, erklärt gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Tatsächlich ist die Lage der Tierheime so dramatisch wie nie zuvor“. An ihrer Belastungsgrenze seien sowohl Einrichtungen als auch ihr Personal. Zu den Gründen für diese Lage in den Tierheimen zählt, nach Angaben der tagesschau, auch der Spontankauf von Tieren. Ein verpflichtender Sachkundenachweis könnte helfen, finanzielle Fragen bereits vor der Anschaffung eines Tieres zu klären. Ein Beispiel: Ob und wie tiermedizinische Kosten von den neuen Halter*innen gedeckt werden können.

Kann ich selbst etwas tun?

Die Stadt Limburg stimmt dafür, Tauben per Genickbruch zu töten, die neue Gesetzgebung zum Tierschutz in Deutschland verläuft schleppend und bundesweit geraten Tierheime an ihre Belastungsgrenze. Ein bedrückendes Bild, welches sich abzeichnet. Doch zum Tierschutz in Deutschland gehört auch individueller Einsatz – und dieser bietet ganz vielfältige Chancen.

Vielfältige Möglichkeiten für Jede*n

Der Fall in Limburg zeigt, dass mit einer Unterschrift ein Zeichen für den Tierschutz gesetzt werden kann. Sei diese unter einem Bürgerbegehren oder einer Petition – jede Stimme zählt, um dem Tierschutz Gehör zu verschaffen und zukünftig Tierleid in Deutschland nachhaltig zu bekämpfen. Zumindest besteht dazu die Chance…

Spenden sind ebenso eine Möglichkeit, Tierschutzorganisationen zu unterstützen. Um sicherzugehen, dass die Spende auch an der angegebenen Stelle ankommt und tatsächlich etwas im Tierschutz bewegt, kann die Checkliste von Stiftung Warentest helfen. Zudem gibt es gelegentlich Spendenaktionen für Futter.

Zeug*innen von Tierquälerei können diese melden, um die Lebensqualität der Tiere zu verbessern und den Tod von Tieren zu verhindern. Dies geht auch anonym. Zu den Meldestellen gehören das zuständige Veterinäramt und die Polizei. Des Weiteren nehmen auch Tierheime, örtliche Tierschutzvereine oder PETA Deutschland Meldungen zur Tierquälerei entgegen.

Viele Tierheime suchen zudem aufgrund knapper Gelder und zu kleiner Teams nach ehrenamtlichen Helfer*innen. Diese können zum Beispiel dabei unterstützen, sich um die Tiere (auch über die Grundversorgung hinaus) zu kümmern. Dazu zählt unter anderem die Reinigung der Gehege, das Füttern von Tieren und Auslaufrunden mit Hunden.

 

Die Aufführung von Möglichkeiten, sich im Tierschutz zu engagieren, könnte noch ins Unendliche weitergehen – vielleicht ist das das positive Zeichen zum Tierschutz in Deutschland. 

Text und Titelbild: Alba Heidel

<h3>Alba Heidel</h3>

Alba Heidel

ist 23 Jahre alt und studiert derzeit im 5. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich als Chefredakteurin seit dem Sommersemester 2024.