In den letzten Jahren hat sich Thrifting von einer Nischenaktivität zu einem weit verbreiteten Trend entwickelt, der insbesondere durch soziale Medien wie TikTok und Instagram an Popularität gewonnen hat. Was ursprünglich als kostengünstige Möglichkeit zum Erwerb von Kleidung und Alltagsgegenständen genutzt wurde, ist heute ein wichtiger Teil der Mode- und Nachhaltigkeitsbewegung. Weltweit durchstöbern junge Menschen Second-Hand-Läden, auf der Suche nach einzigartigen Fundstücken. Wie lässt sich die Balance zwischen Ästhetik und Nachhaltigkeit halten und welche Auswirkungen hat dieser Trend auf das Bewusstsein und die Verantwortung der Konsumenten?
Was ist Thrifting?
Das Wort „thrift“ stammt aus dem Englischen und bedeutet „Sparsamkeit”. In den USA und Großbritannien werden wohltätige Secondhand-Shops, die bei uns als Sozialkaufhäuser bekannt sind, als „thrift stores“ bezeichnet. Diese Läden verkaufen überwiegend Waren, die von wohlhabenden Menschen an die Geschäfte in ärmeren Gemeinden gespendet wurden. Mit wenig Geld können sich die Menschen dort kaufen, was sie brauchen – und sich dabei auch gute und schöne Sachen leisten. Der Begriff „thrifting“ beschreibt das Einkaufen in solchen wohltätigen Secondhand-Läden. In Deutschland hat sich der eingedeutschte Ausdruck „thriften“ etabliert, der bedeutet, dass man sehr günstig Secondhand einkauft.
„Mädels-Tag“ der Umwelt zuliebe?
Secondhand shoppen kann man nicht nur in den Sozialkaufhäusern, sondern auch auf Flohmärkten. Neben Kunst-, Antik- und Trödelmärkten gibt es heutzutage auch sogenannte „Ladyfashion Flohmärkte”, die sich insbesondere an Frauen richten. Auf diesen Märkten gibt es ein großes Angebot an Kleidung, Schuhen, Handtaschen, Schmuck und weiteren Artikeln für die Frau. Dort ist es möglich, sich selbst einen Standplatz zu mieten und eigene Kleidung und Accessoires zu verkaufen. Damit kann im eigenen Kleiderschrank Platz geschaffen und gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt getan werden. Laut einer Studie der Agentur ABCD produziert Deutschland jährlich 391.752 Tonnen Textilabfall. Dem sollen Flohmärkte entgegenwirken. Doch besuchen Verbraucher Flohmärkte wirklich nur der Umwelt zuliebe? Die Internetseite des Ladyfashion Flohmarktes schreibt selbst: „Dieses ultimative Shopping-Erlebnis lässt das Herz jeder Schnäppchenjägerin höher schlagen“. Der Besuch des Flohmarktes wird als regelrechtes Ereignis beschrieben, bei dem sich Freundinnen treffen können, um einen kostengünstigen Shopping-Nachmittag miteinander zu verbringen. Neben dem eigentlichen Aspekts des Secondhand-Shoppings, wird zudem auch noch mit Häppchen, Essensständen und Latte Macchiato geworben.
Flohmarkt – ein Trend?
Laut der Beratungsgesellschaft PwC soll das Volumen des Secondhand-Modemarktes in Deutschland von rund 3,5 Milliarden Euro 2022 auf fünf bis sechs Milliarden Euro 2025 ansteigen. Doch warum erfreut sich das Secondhand-Shopping in den letzten Jahren an wachsender Beliebtheit? Ein Grund dafür könnte das Bewusstsein für Umwelt- und Klimathemen sein, welches in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes zum Umweltbewusstsein in Deutschland 2022, geben 91 Prozent der Befragten an, sich eine umwelt- und klimafreundliche Wirtschaft in Deutschland zu wünschen. Doch auch das Internet und vor allem Social Media scheinen einen erheblichen Anteil an der wachsenden Beliebtheit des Secondhand-Shoppings zu leisten.
Y2K und Generation Z
Auf YouTube, Instagram, TikTok und Co. gibt es zahlreiche „Thrifting-Hauls“. Das Wort „Haul“ bedeutet so viel wie „Ausbeute” oder „Fang”. Auf den genannten Social-Media-Plattformen zeigen meist junge Frauen, welche Schnäppchen sie in Thrift-Shops oder auf Flohmärkten ergattern konnten. Dabei geht es vor allem um Kleidung, Schuhe und Schmuck. In der letzten Zeit lässt sich dabei beobachten, dass ein gewisser Mode-Trend diese Hauls dominiert – der Y2K-Style. Y steht für year, und 2K für das Jahr 2000. Der Trend spiegelt die Ästhetik der späten 90er-und frühen 2000er Jahre wieder. Wilde und bunte Looks, Low-Waist-Baggy- Jeans und knappe Spaghettiträger-Tops sind wieder modern. Generation Z scheint, auch fashionübergreifend, Gefallen an der Ästhetik der frühen 2000er zu haben – Schallplattenspieler und analoge Kameras sind genauso im Trend wie die Moderichtung. Durch die sozialen Medien etabliert sich ein Modetrend, gerade in der jungen Zielgruppe, ziemlich schnell. Zahlreiche Outfit-Posts von Influencern oder Privatpersonen inspirieren Konsumenten, sich selbst dem Trend anzuschließen und entsprechende Kleidung zu erwerben. Auch namhafte Marken wie H&M, Zara und Bershka haben den Hype um den Y2K-Style mitbekommen und verkaufen selbst Ware, die den Trend widerspiegelt. Doch die Generation Z kauft auch gerne Secondhand, wie es ihnen durch die Thrifting Hauls gezeigt wird.
Ästhetik vs. Nachhaltigkeit
Doch wie lässt sich ein Fashion Trend mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit vereinbaren? Ein Trend kann eine kurzfristige Erscheinung oder auch ein langfristiger Wandel sein. Doch vor allem in der Modewelt scheint eine gewisse Schnelllebigkeit eine große Rolle zu spielen. Was vor 5 Jahren noch modern war, ist jetzt nicht mehr zeitgemäß – ein Modetrend ist oft dann vorbei, wenn er von einem anderen abgelöst wird. Was ist, wenn der Y2K-Style in ein paar Jahren nicht mehr modern ist? Was ist, wenn die momentan sehr beliebten und viel gekauften Kleidungsstücke auf Flohmärkten dann doch im Müll landen, weil sie nicht mehr gefragt sind?
Eine Besucherin des Ladyfashion Flohmarktes in Dresden sagt:
„Ich liebe den Y2K-Style. Ich weiß, dass das ein Trend ist, der vor allem durch Social Media bekannt wurde. Ich finde den Stil einfach total modern und abwechslungsreich, und die besten Teile gibt es einfach auf dem Flohmarkt. Ich habe mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn der Trend vorbei ist. Jetzt finde ich die Sachen schön und fühle mich wohl darin, weiter denke ich nicht.“
Eine andere Besucherin argumentiert:
„Ich gehe erst seit ungefähr einem Jahr regelmäßig auf den Flohmarkt. Dazu gebracht hat mich tatsächlich Social Media. Klar, auf Instagram wird das alles total romantisiert dargestellt, aber die Hauptsache ist doch, dass die Menschen was für die Umwelt machen, egal mit welchem Motiv. Ich finde einfach, das ist eine klasse Idee, junge Leute für Themen wie Nachhaltigkeit zu begeistern. Zudem ist speziell der Y2K-Style total zeitlos und ich denke, dass die Kleidung immer getragen werden kann und nicht irgendwann im Mülleimer landet.“
Shopping heißt Verantwortung
Secondhand shoppen ist so modern wie noch nie. Neben Flohmärkten und thrift stores kauft ein Großteil auch gerne online ein. Vor allem die Plattform Vinted erfreut sich großer Beliebtheit. Im Jahr 2023 stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 61 Prozent – von 370,2 Millionen Euro auf 596,3 Millionen Euro. Dort können Nutzer Fotos von selbst getragener Kleidung hochladen und einen Preis festlegen, für den sie gerne verkaufen würden. Interessenten können dann das Kleidungsstück anfragen und es erwerben. Per Post wird die Kleidung dann versandt. Laut einer Kundenumfrage von ubup, Deutschlands größtem Secondhand-Onlineshop, haben 56 Prozent der Deutschen schon einmal Secondhand-Kleidung gekauft. Unter den knapp 5000 befragten Teilnehmern geben zudem 86 Prozent an, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit der Hauptgrund sei, warum sie Secondhand shoppen würden. Egal ob auf Flohmärkten, in Sozialkaufhäusern oder online – gebrauchte Kleidung zu kaufen ist ein größeres Thema denn je. Vor allem in der jungen Zielgruppe, der Generation Z, scheint der Y2K-Style momentan ein Anreiz, sich mit Secondhand-Shopping zu beschäftigen. Das zeigen zahlreiche Posts, Reels und Videos auf Instagram, YouTube und Co. Welcher Trend sich in der Modeszene als nächstes einen Namen macht, wird sich zeigen. Das zunehmende Bewusstsein der Menschen für Nachhaltigkeit und Umweltschutz hat einen großen Einfluss auf die Modewelt. Der Kauf von Secondhand-Kleidung ist momentan ein Trend und es wird sich zeigen, ob er sich zur Normalität entwickelt – oder nicht.
Kurzkommentar der Autorin
Thrifting verbindet auf einzigartige Weise Individualität und Nachhaltigkeit und hat das Potenzial, die Modewelt grundlegend zu verändern. Es ist ermutigend zu sehen, wie die Generation Z begeistert auf Flohmärkte und in Second-Hand-Läden strömt, um modische Schätze zu finden. Doch der wahre Gewinn liegt nicht nur in den einzigartigen Stücken, die sie ergattern, sondern auch in dem Bewusstsein, das sie dabei entwickeln. Sie lernen, dass Mode nicht immer neu sein muss, um geschmackvoll zu sein, und dass sich Nachhaltigkeit und guter Stil nicht ausschließen. Natürlich können auch Thrifting-Trends kommen und gehen. Aber wenn die junge Generation Secondhand-Shopping als dauerhafte Praxis und nicht nur als vorübergehenden Modegag begreift, könnte dies zu einer langfristigen Veränderung der Konsumkultur führen. Thrifting sollte vom Trend zur Normalität werden – nicht nur, weil es gerade „in“ ist, sondern weil es der richtige Weg zu einer nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Zukunft ist.