Von gewalttätigen Vorfällen bis hin zu Begegnungen mit Prominenten – ein Türsteher hat mehr zu erzählen, als man denkt. In einem exklusiven Interview öffnet uns ein Dresdner Securitymann die Tür zu seiner Welt und gibt uns spannende Einblicke in seine Erfahrungen und Erlebnisse hinter den Kulissen des Nachtlebens der sächsischen Landeshauptstadt.
Der interviewte Türsteher ist 35 Jahre alt und arbeitet seit 17 Jahren als Securitymann in den Dresdner Clubs. Er möchte anonym bleiben. Von erschreckenden Auseinandersetzungen bis hin zu brutalen Schlägereien mit nachfolgenden Verletzungen hat er alles erlebt. Hier im Interview steht er uns Rede und Antwort.
Was sind die größten Herausforderungen, denen du als Türsteher in der Dresdner Clubszene begegnest?
„Puh, vor allem die Verständigung mit verschiedenen Nationen, also der Umgang mit Fremdsprachen. Ansonsten ist es, glaube ich, wichtig, immer einen Weg zu der Person zu finden, mit der ich gerade spreche. Es gibt halt oft Verständigungsprobleme, was zum Konflikt führt. Ich versuche halt immer, einen Draht zu den Leuten zu finden. Meiner Meinung nach ist es einfach wichtig, sich selbst, gerade in der Dresdner Branche, nicht zu ernst zu nehmen. Ich versuche immer mit allen Gästen auf Augenhöhe zu kommunizieren, um Konflikte zu vermeiden. Natürlich nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn mein Gegenüber respektlos oder beleidigend wird, dann folgen natürlich auch Konsequenzen.“
Wie hat sich die Clubszene in Dresden in den letzten Jahren verändert?
„Ich muss sagen, es ist wirklich viel härter geworden. Situationen eskalieren viel schneller und gefährlicher. Was vor, sagen wir, vielleicht neun oder zehn Jahren noch mit einer Rangelei geendet ist, endet jetzt schon mal schneller in einer Messerstecherei. Die Sicherheitsmaßnahmen für einen selbst sind einfach viel höher geworden. Ich kenne keinen mehr – und ich kenne recht viele Leute an den Türen – der ohne Schutzweste und Co. arbeitet. Ende 2015 ging es mit gehäuften Gewalt-Vorfällen in Dresden los. Zu der Zeit habe ich wirklich schlimme Sachen gesehen und erlebt. Vor allem sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen waren ein großes Thema. Das ist nicht untypisch, dass sowas passiert. Das glauben die Leute auch nicht so, aber es ist nun mal die Wahrheit. Zudem geht in den letzten Jahren der Konsum von Betäubungsmittel in den Dresdner Clubs extrem hoch, vor allem Kokain und Crystal Meth. Es ist keine schöne Entwicklung, aber die Besucher nehmen mehr Drogen, haben öfter Waffen bei sich und legen ein aggressiveres Verhalten an den Tag.“
Hast du bei Auseinandersetzungen schon mal schlimmere Verletzungen davongetragen?
„Ja, definitiv, häufig. Es gab schon sehr wilde Situationen, die in brutalen Auseinandersetzungen geendet sind. Da kommt es schon mal vor, dass man beispielsweise Messerstiche abbekommt. Was auch oft passiert ist, sind Flaschenwürfe, auch auf den Kopf, oder dass mal jemand aus dem Nichts kommt und dir von der Seite eine mitgibt. Das ist schon häufiger passiert – damit muss man rechnen.”
Hast du in solchen Situationen Angst?
„Es gab so zwei Situationen, wo wir alle Angst hatten. Da ging es um Messer und Macheten, wirklich schwerwiegend. Aber wir haben das im Team super gehändelt und ich glaube, eine gesunde Prise Angst gehört immer dazu, um gut reagieren zu können. Ich versuche immer wahnsinnig viel mit Worten zu klären. Wenn das aber nicht mehr reicht, dann musst du dich halt auf die Situation einlassen und auch einfach alles dafür tun, um die Situation zu beenden.“
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit anderen Security-Leuten, also mit deinen Kollegen?
„Mit dem Team steht und fällt der Abend. Das ist so ein bekanntes Sprichwort bei uns. Wir hatten damals die multikulturellste Tür – in unserem Team gab es viele verschiedene Nationalitäten. Wir waren bunt gemischt und das war einfach eine super Sache. Die Zusammenarbeit war sehr wichtig und dadurch, dass jedes Wochenende die gleichen Leute an der Tür gearbeitet haben, waren wir ein festes und gut eingespieltes Team. Es gibt immer Situationen, die wirklich brenzlig sind. An der Tür, an der ich gearbeitet habe, ist recht viel Publikumsverkehr – so ein bisschen Szeneviertel. Da ist es schon wichtig, dass du Leute hast, auf die du dich verlassen kannst, wenn es heikel wird.“
Drückst du in deinem Job auch manchmal ein Auge zu, wenn du entscheiden musst, welche Leute in den Club kommen?
„Also bei Leuten, die nicht volljährig sind, ganz klar, nein, weil ich dafür zur Verantwortung gezogen werden kann. Und ansonsten, wenn ich gemerkt habe, dass jemand schon mehr getrunken hat, aber super gut drauf ist, dann drückt man schonmal ein Auge zu. Oder wenn jemand Schuhe anhat, die jetzt nicht so gut zu unserem Club passen, aber derjenige mit einer großen Gruppe unterwegs ist und die korrekt sind. Bezüglich Betäubungsmittel war es mir immer egal, wenn jemand Marihuana dabei hatte – ist einfach so. Aber bei Kokain und härteren Drogen, da hatten wir eine Null-Drogen-Politik. Da war für uns immer klar, dass wir das draußen lassen.”
Was war die lustigste Situation, die du während deiner Arbeit erlebt hast?
„In meinem Job gibt es weniger lustige Geschichten, die passieren, eher das Gegenteil. Aber eine lustige Begegnung ist mir im Gedächtnis geblieben: Da war ein sehr bekannter Schauspieler, der ist zu uns in den Club gekommen. Wir hatten damals immer ein strenges Jogginghosen-Verbot in der Disco, wo ich gearbeitet habe – und er hatte eine Jogginghose an. Ich habe ihn deswegen abgewiesen und daraufhin kam der Manager und es gab eine kleine Diskussion. Der hat es nicht verstanden, dass er draußen bleiben muss. Das war schon witzig.“
Gibt es Aspekte der Arbeit als Türsteher, die die meisten Menschen überraschen würden oder die sie nicht erwarten würden?
„Den Beruf des Türstehers üben viele nur nebenberuflich aus, also sie haben noch einen Hauptberuf. An der Tür treffen sich die verschiedensten sozialen Schichten. Es gibt diesen Security-Mitarbeiter, der das Klischee bedient und ein Arbeitslosenproll ist. Und dann gibt es halt noch Leute, die sich lange was aufgebaut haben, die hauptberuflich Lehrer oder Ärzte sind. Und dadurch hast du 1000 verschiedene Charaktere, womit ich glaube, viele nicht rechnen. Viele sehen immer den großen glatzköpfigen Türsteher, der vielleicht auch ein bisschen blöder aussieht, der aber im realen Leben dann vielleicht Kindergärtner ist. Das sind alles Beispiele, die es gibt.“
Möchtest du unseren Lesern noch irgendwas mitteilen oder sagen?
„Ich glaube einfach, dass die Menschen lernen sollten, lockerer zu sein. Also beide Seiten – die Tür wie auch die Besucher. Dass die Gäste es auch einfach mal akzeptieren können, wenn es halt mal nicht funktioniert und sie nicht in den Club kommen. Dann ist das gerechtfertigt und sie sollten nicht unnötig Stress machen. Und genauso aber auch andersrum. Dass die Türsteher die Gäste nicht von oben herab behandeln, sondern eben auf Augenhöhe kommunizieren sollten. Das ist immer so meine Sache, wie ich Situationen handhabe und so fahre ich ganz gut. Man sollte eben auf beiden Seiten Respekt zeigen – das würde ich mir wünschen.”