In der Türkei ist eine Social Media Plattform nach der anderen nicht mehr zu erreichen. Erst Twitter, jetzt auch noch YouTube. Der türkische Ministerpräsident Erdogan geht rigide gegen die Kommunikationsplattformen vor. Doch wie sind diese Sperrungen eigentlich möglich? Und wie kann man diese umgehen?
Update: Inzwischen hat die türkische Regierung auf ein Urteil des Verfassungsgerichts vom Mittwoch reagiert und die Sperre des Kurznachrichtendienstes aufgehoben. YouTube bleibt allerdings weiterhin nicht erreichbar.
Original Nachricht:
Letzte Woche war der Zugang zu Twitter in der Türkei nur noch über Umwege erreichbar. Nun ist YouTube nicht mehr offiziell aufrufbar. Damit werden den rund 75 Millionen Einwohnern wichtige Diskussionsplattformen und Veröffentlichungskanäle genommen. Hintergrund der Sperrungen ist, dass sich der türkische Ministerpräsident Erdogan einer „Schmierkampagne“ ausgesetzt fühlt. Demnach sind einige Telefonmitschnitte auf YouTube veröffentlicht worden, in denen er vermeintlich zu hören sei. Diese würden den Korruptionsverdacht bestätigen. Konkret heißt es, er soll seinem Sohn am Telefon dazu aufgefordert haben, Geld aus dem Haus verschwinden zu lassen. Somit könnte dieser den Ermittlungsbehörden, die Razzien bei ranghohen Politikern planten, zuvorgekommen sein. Bei dem Geld handelt es sich scheinbar um Schmiergelder in Millionenhöhe, die der Regierungschef für Bauprojekte in der Türkei bekommen habe, berichtete „DIE ZEIT“. Folglich wollte er auf die aus seiner Sicht losgetretene Kampagne der Oppositionspartei reagieren. Deswegen ließ er das Social Network kurzer Hand sperren. Damit nun auch keine Telefonmitschnitte an die Öffentlichkeit geraten, folgte eine Woche später die Sperre von YouTube.
Wie haben die türkischen Behörden so eine Restriktion umgesetzt?
Die unkomplizierteste Methode sei die DNS-Sperre, sagt Fachinformatiker Manuel Zeidler gegenüber medienMITTWEIDA. „DNS Server sind ähnlich wie Telefonbücher, diese übersetzen die IP-Adressen, quasi die Telefonnummer eines jeden Computers, in eine URL.“ In diesem Fall Twitter.com. Wenn man nun den „Telefonbucheintrag“ löscht, findet der Browser schlichtweg den Server von Twitter oder YouTube nicht mehr.
Aber wie können die Internetnutzer diese Sperre umgehen? „Jeder Nutzer kann einfach einen anderen DNS Server in seinen Browsereinstellungen eingeben. Zum Beispiel bieten Google, aber auch Bürgerrechtsorganisationen derlei Zugänge zu Servern an”, so Zeidler weiter. Da die türkische Regierung aber nun die IP-Adresse von Twitter.com direkt sperrt, hat das zur Folge, dass auch alternative DNS Server aus der Türkei nicht mehr auf Twitter oder YouTube zugreifen können.
Sind IP-Adressen-Blockaden ähnlich umgehbar?
„Wenn die IP-Adresse gesperrt ist, ist es etwas komplizierter. Dann wird die Nummer in dem Verzeichnis gelöscht. Allerdings gibt es ja noch ausländische Telefonbücher“, meint der IT-Consultant Manuel Zeidler. Somit kann man auch diese Sperren umgehen, indem man sich mithilfe eines Proxyservers aus dem Ausland mit der blockierten Website verbindet. Solche oder sogenannte Virtual Private Networks, kurz VPN Dienste, lassen sich in wenigen Minuten einrichten, so der Informatiker. Die Verwendung eines VPN setzt allerdings den Download zusätzlicher Software, wie zum Beispiel „Hide My Ass“ oder „Hotspot Shield“, voraus. Letzteres wurde laut Netzpolitik.org innerhalb von nur zwölf Stunden 270.000-mal heruntergeladen. Normal seien 10.000 Downloads.
Zwar wurde die Schließung von Twitter in der Türkei von einem Gericht aus Ankara als Willkür bezeichnet und dessen Aufhebung gefordert, es ist jedoch abzuwarten, wie die Regierung darauf reagiert. Außerdem wurde die Blockade der Social Media Dienste vom türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül heftig kritisiert. Er selbst hat fast fünf Millionen Twitter-Follower. Die Türkei als EU-Beitrittskandidat rangiert auf dem Ranking der Pressefreiheit hinter Ländern wie Russland und Irak auf Platz 154. Bei den Kommunalwahlen am letzten Sonntag reklamierte die Regierungspartei AKP den Wahlsieg für sich. Damit hat ein Großteil der Bevölkerung die Politik von Erdogan bestätigt. Ob auf diesen Sieg noch weitere Einschränkungen folgen, bleibt unklar.
Text: Robert Prahl, Bild: Lars Schäfer, Grafik: Jon-Hendrik Thumb, Update: Lars Schäfer