Unvorstellbare Gastarbeit

von | 4. November 2009

Nicht nur heutzutage kommen Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland, um hier zu arbeiten. Schon zu DDR-Zeiten unterstützten Arbeiter aus dem Ausland viele Betriebe.

72.000 Sachsen pendeln zur Arbeit in die westlichen Bundesländer. Noch vor vier Jahren waren es 5.000 weniger. Die meisten Pendler arbeiten als Schlosser, Mechaniker oder auf dem Bau – in Fertigungs- oder Dienstleistungsberufen. Bis vor 20 Jahren wäre das undenkbar gewesen, der Weg vom Osten in den Westen war den meisten durch die Mauer versperrt. Wie sah es aber andersherum aus? Gab es „Westgastarbeiter“ in der DDR?

Es gab sie. Zumindest zunächst. Im Schieferwerk Lehesten in Thüringen arbeiteten Ende der 50er Jahre 100 bis 200 Westdeutsche. Mit dem Bus fuhren sie damals täglich über die Grenze und abends wieder zurück. Schon zu jener Zeit waren derartige Pendler aber eher die Ausnahme. Spätestens mit dem Bau der Mauer arbeiteten keine Westdeutschen mehr in der DDR. Sollte es die Gastarbeiter doch gegeben haben, erfährt ein Neugieriger zumindest in öffentlich zugänglichen Zeitzeugnissen nichts mehr von ihnen.

„Vertragsarbeiter“ aus Vietnam, Kuba, Polen

Bekannt zu machen, dass der Staat womöglich auf Hilfe aus dem Westen angewiesen war, hätte auch nicht zum Konzept der DDR-Führung gepasst. Was besser ins Bild passte, waren Gastarbeiter aus dem Ostblock – oder, wie es in der DDR hieß: die „ausländischen Freunde“.

Arbeiter aus östlichen Ländern waren erlaubt. 1989 waren 94.000 Vertragsarbeiter in der DDR ansässig. Zwei Drittel davon waren vietnamesischer Herkunft. Die anderen stammten aus Ungarn, Kuba, Mosambik, Polen und Angola. Mit den jeweiligen Heimatländern bestanden teilweise im Rahmen der sozialistischen Bruderhilfe Staatsverträge. Offizielles Ziel war, dass die Gastarbeiter während ihres Aufenthaltes eine Facharbeiterausbildung erhalten und dann wieder in ihre Entsendeländer zurückkehren sollten, um dort die Wirtschaft zu stärken. Vor allem ging es jedoch darum, dass die Gastarbeiter der DDR ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten. Denn die ostdeutsche Bevölkerung war überaltert. Für viele Arbeiten – Kellner, Zimmermädchen, Verkäufer – fand sich im eigenen Land niemand mehr. Doch deshalb Leute aus dem Westen in der DDR arbeiten zu lassen, war undenkbar.

<h3>Anne Hofmann</h3>

Anne Hofmann